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- DAZ 13/2000
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Stange-Prozess: Rette sich wer kann?
In welch engem Korsett sich Apotheker im "Stange-Verbund" bewegten, wurde auch am letzten Montag wieder deutlich: Ein Zeuge sagte aus, dass zwischen ihm und Stange "Gewinnvereinbarungen" getroffen worden seien - etwaige Beträge oberhalb der Gewinnzusage hätten von Stange durch so genannte Beratungsleistungen "abgeschöpft" werden sollen. Auch habe er auf die im Mietvertrag zu seinen Gunsten vorgesehenen Optionen, die dreijährige Laufzeit des Mietvertrages zweimal um je drei Jahre zu verlängern, verzichten müssen. Letztere Aussage wurde von Stange auf Rückfrage des Vorsitzenden Richters freilich vehement bestritten: Er habe beteiligten Apothekern nie derartige Optionsverzichtserklärungen vorgelegt. Und in der Tat waren bei den Durchsuchungen der Staatsanwaltschaft in den Räumen Stanges solche Erklärungen nicht beschlagnahmt worden, sodass sich die Strafkammer hierfür allein auf die Aussage des Zeugen stützen kann.
Undurchsichtiges Vertragsgeflecht...
Im Übrigen bestätigte der Zeuge das auch an anderen Verhandlungstagen bereits mehrfach zur Sprache gekommene Konzept Stanges zur Finanzierung der Apothekeneinrichtung: Wie viele seiner Kollegen aus dem "Stange-Verbund" hatte auch der Zeuge einen Leasingvertrag ohne Kaufoption über die Apothekeneinrichtung abgeschlossen. Gleichzeitig bürgte Stange für "seinen" Kollegen und erhielt hierfür - ohne dessen Wissen - ein Vorkaufsrecht an dem Inventar eingeräumt. Spätere Verhandlungen des Zeugen mit der Leasinggesellschaft zwecks Übernahme der Apothekeneinrichtung scheiterten am Vorkaufsrecht Stanges!
...falsche Aussagen
Erschreckend freilich auch die Naivität der Stange-Apotheker: Gedanken darüber, was nach Ablauf der 60-monatigen Leasingdauer geschehen solle, habe er sich nicht gemacht, antwortete der Zeuge auf Nachfrage, sei ihm von Stange doch die Zusage gemacht worden, in ein bis zwei Jahren einen anderen Apothekenstandort übernehmen zu können. Dass er im Erlaubnisverfahren auf Erteilung der Apothekenbetriebserlaubnis falsche Aussagen gemacht habe, insbesondere zur Mietlaufzeit, sei ihm bewußt gewesen. Ein schlechtes Gewissen habe ihn deshalb nicht geplagt...
...und das große Schweigen
Deutlich wurde am Montag, dass sich viele Apotheker, die in Bielefeld als Zeugen geladen sind, heute noch im Rechtsstreit mit Stange oder seinen Sub- und Nachfolgeunternehmen befinden. Dies dürfte auch erklären, warum mittlerweile 24 Apothekerinnen und Apotheker aus dem Stange-Umfeld angekündigt haben, ihre Aussage vor Gericht zu verweigern. Auch erwecken einige Zeugen den Eindruck, vorrangig die eigene Haut retten zu wollen. Zum Teil könnten ihre Aussagen deshalb nur von begrenztem Nutzen sein.
Entscheidend: Ist das vertragliche Gesamtkonstrukt strafbar?
In einem kurzen Statement brachte der Vorsitzende Richter während der Verhandlung am Montag zum Ausdruck, dass nach der bisherigen Einschätzung der Strafkammer sowohl die abgeschlossenen Mietverträge als auch die Leasingverträge und das Marketingkonzept Stanges jeweils für sich betrachtet rechtlich zulässig sein dürften. Er könne deshalb nicht nachvollziehen, weshalb mehrere Apotheker in einer Art konzertierter Aktion und von einem gemeinsamen Rechtsanwalt gesteuert sämtliche Zahlungen an Stange & Co. für die Überlassung der Apothekenbetriebsräume und der Apothekeneinrichtung verweigerten. Die rechtserhebliche Frage sei allein, ob aufgrund der vertraglichen Gesamtkonstruktion Stange als tatsächlicher Betreiber der Apotheken im Sinne von § 23 des Apothekengesetzes anzusehen sei. Eine (erste) rechtliche Einschätzung kündigte die Strafkammer hierzu für den nächsten Verhandlungstermin am Donnerstag kommender Woche an. Wir werden berichten.
§ 23 Apothekengesetz
Wer vorsätzlich oder fahrlässig ohne die erforderliche Erlaubnis oder Genehmigung eine Apotheke, Krankenhausapotheke oder Zweigapotheke betreibt oder verwaltet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen bestraft.
Die Beweisaufnahme im Fall Stange, dem die Etablierung einer illegalen Apothekenkette vorgeworfen wird, ging auch in dieser Woche mit einer mehrstündigen Verhandlung vor dem Landgericht Bielefeld weiter. Mittlerweile liegen der dortigen Ersten Großen Strafkammer Erklärungen von 24 beteiligten Apothekerinnen und Apothekern vor, dass sie die Aussage vor Gericht verweigern wollen. Im nächsten Termin am 6. April möchte das Gericht mitteilen, in welchen Punkten es sich derzeit den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft anschließt. Dadurch soll der Verteidigung die Gelegenheit gegeben werden, konkrete Beweisanträge zur Entlastung Stanges zu stellen.
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