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Interpharm 2000
DAZ-RedaktionDas Fortbildungsfest (Bericht von der I
Er war der Star auf der Interpharm 2000: Konstantin Wecker. Durch seine Anwesenheit auf der Interpharm, die Lesung und das Konzert, nahmen die Medien wie zum Beispiel Tageszeitungen, Rundfunk und Fernsehen Anteil am Ersten Stuttgarter Suchtforum. Sie transportierten nach außen, dass die Apotheker sich ernsthaft und intensiv mit der Suchtproblematik beschäftigen und ihren Beitrag dazu leisten wollen, Abhängigen zu helfen. SWR 1 Baden-Württemberg informierte seine Hörerinnen und Hörer einen Tag lang über Ursachen der Sucht, Hilfsangebote und Auswege aus der Sucht.
Das erste Stuttgarter Suchtforum
Das Suchtforum, das auf eine Initiative von Karin Wahl, der Präsidentin der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg zurückgeht, und das gemeinsam mit dem Deutschen Apotheker Verlag im Rahmen der Interpharm umgesetzt wurde, wandte sich mit dem Untertitel "Was wir von den Süchten wissen sollten..." an interessierte Laien, Leidende, Betroffene und Fachkreise. Die rund 500 Teilnehmer hörten neueste wissenschaftliche Erkenntnisse über substanzbezogene Süchte. Unter der kompetenten Moderation von Prof. Dr. Karl Mann, der den einzigen Lehrstuhl für Suchtforschung in Deutschland inne hat (am Institut für Seelische Gesundheit in Mannheim), erfuhren die Teilnehmer Neues über die Neurobiologie und Pathophysiologie der Süchte. Forschungen haben zum Beispiel ergeben, dass die Sucht, das Suchtgedächtnis, ein Leben lang persistiert. Tierversuche haben gezeigt: nach einer Phase des Entzugs kann ein starker Rückfall einsetzen, der zum Teil mit einem stärkeren Suchtverlangen einhergeht als vor dem Entzug.
Ernüchternde Ergebnisse lieferte die Alkoholismusforschung: die Alkoholpersönlichkeit - so fand man heraus - gibt es nicht. Die Neigung zum Alkoholismus ist jedoch vererblich. Zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland gehören die mit dem Tabakkonsum assoziierten Todesfälle: sie schätzt man auf etwa 90 000 bis 140 000 pro Jahr. Den größten Stellenwert bei der Raucherentwöhnung hat derzeit die Nikotinsubstitution mit Pflastersystemen, Kaugummis und Nikotin-Nasenspray. Eine Alternative zur Nikotin-Ersatztherapie könnte für einen Teil der Raucher in Zukunft der Noradrenalin- und Dopamin-Wiederaufnahmehemmer Bupropion darstellen. Das Präparat, das in Kürze unter dem Handelsnamen Zyban auch auf dem deutschen Markt eingeführt werden soll, verspricht hohe Erfolgsquoten bei der Raucherentwöhnung. Das Nebenwirkungsprofil, zu dem Mundtrockenheit, Schlafstörungen und Konzentrationsstörungen gehören, dürfte jedoch die breite Anwendung der Substanz einschränken.
Arzneimittelabhängigkeit - ein Thema mit dem wir nicht selten in der Apotheke konfrontiert werden. Sie kann entstehen bei Unkenntnis über die Arzneimittelwirkungen, bei unbewusster und bewusster Fehlanwendung bis hin zum Missbrauch und zur Toleranz. Abhängigkeit ist dabei festzustellen bei Schmerzmitteln, Benzodiazepinen, Sympathomimetika ("Appetitzügler"), Diuretika und vor allem Laxanzien. In den meisten Fällen ist die umfangreiche Aufklärung des Patienten der Weg, um ihn von seiner Abhängigkeit zu befreien.
Der Markt der illegalen Drogen hat sich in den letzten Jahren aufgrund der Designerdrugs stark erweitert. Neben den "klassischen" illegalen Drogen wie Haschisch, Heroin oder Cocain findet man in der Drogenszene heute eine Flut von Amphetaminabkömmlingen, unter ihnen an erster Stelle Ecstasy und Derivate.
Ist Suchtprävention wirklich möglich? Ja, meinen Experten, aber hier sollten verschiedene Wege beschritten werden. Allein auf Warnhinweise zu setzen, beispielsweise auf Getränken oder Zigaretten, auf Werbeverbote, auf Aufklärungskampagnen - das wäre zu wenig. Zu einer effektiven Suchtprävention gehört die Angebotsreduzierung. Und ein weiteres Fazit des Suchtforums: wir wissen weit mehr über Suchttherapie und Suchtprävention als wir bis heute umsetzen.
Eine Podiumsdiskussion unter der Überschrift "Die Sucht besiegen oder mit ihr leben lernen?" rundete das Suchtforum auf der Interpharm ab. Unter Moderation von Dr. Christiane Wagemann vom Südwestrundfunk Stuttgart diskutierten Christa Nickels, die Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Prof. Dr. Karl Mann, Mannheim, Inhaber des ersten Lehrstuhls für Suchtforschung in Deutschland, Karin Wahl, die Präsidentin der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg und Apothekerin Christiane Fahrmbacher-Lutz aus Augsburg, die der Bayerischen Akademie für Suchtfragen angehört, welche Hilfestellungen man Süchtigen heute noch anbieten kann. Als bisher sehr effizient bezeichnete Frau Nickels die bereits in 13 deutschen Städten vorhandenen Drogenkonsumräume ("Fixerräume"), in die sich die stark Drogenabhängigen begeben können, um sich zum Beispiel die Drogen zu injizieren. Die Drogenkonsumräume, die durch die Novellierung des Betäubungsmittelgesetzes auf legale Füße gestellt wurden (siehe auch Gesetzestext in der Rubrik Pharmazeutisches Recht in dieser Ausgabe), verstehen sich als Hilfsangebot. In ihnen arbeitet qualifiziertes Personal, das im Notfall auch Hilfestellung leistet. Drogenkonsumräume verstehen sich allerdings nicht als Serviceangebot des Staates.
Solche Einrichtungen unterstehen den Ländern, das bedeutet, dass Länderregierungen über Verordnungsermächtigungen die Einrichtung von Drogenkonsumräumen ermöglichen können. Dies bedeutet aber auch, dass nicht alle Länder solche Verordnungsermächtigungen erteilen. Frau Nickels beglückwünschte die Landesapothekerkammer und den Deutschen Apotheker Verlag zum ersten großen Kongress mit dem Thema Sucht. Sie sei "sehr froh", dass die Apotheker ein solches Forum ins Leben gerufen haben. Die Suchtprävention und Suchtbekämpfung wird, darüber war sich Nickels klar, eine Aufgabe sein, so lange es Menschen gibt.
Konstantin Wecker auf der Interpharm
Großen Zuspruch fand Konstantin Wecker auf der Interpharm während seiner einstündigen Lesung. Der Autor und Liedermacher, der Jahre schwerster Cocainabhängigkeit hinter sich hat und bereits eine Gefängnisstrafe verbüßte, hielt Ende November 1997 einen Vortrag vor dem Verband Bayerischer Nervenärzte zum Thema Drogenabhängigkeit aus der Sicht eines Betroffenen. Dieser Vortrag war Grundlage für sein Buch "Es gibt kein Leben ohne Tod", aus dem er auf der Interpharm las. "Für mich war die Verhaftung gut", bekannte Wecker im voll besetzten Schillersaal des Kongresszentrums. Offen und direkt sprach der Musiker, der Vater zweier Kinder ist, wie er über das gelegentliche Schnupfen von Cocain immer tiefer abrutschte bis zur vollständigen Abhängigkeit von der Wahnsinnsdroge "Crack", eine Droge, die aus Cocain und Haushaltsnatron zubereitet wird.
In seinem Buch äußerte er sich auch über das Thema Künstler und Drogen, über Biographisches, über die Gefahren des Erfolgs und die Kostbarkeit der Zeit. Seine Lesung quittierte das Publikum auf der Interpharm mit anhaltendem Applaus.
Am Abend des 1. Aprils war Konstantin Wecker dann vor ausverkauftem Haus in der Beethovenhalle zu erleben. Eigentlich war geplant, dass er sein Konzert mit leisen Anmerkungen zu den Süchten unserer Zeit begleitet. Allerdings hatte er am Konzertabend, wie er nach dem Eröffnungslied seinem Publikum erklärte, den ganzen Tag lang genug über Drogen und Drogenabhängigkeit gesprochen und erzählt. Neben der Lesung waren in seinem Terminkalender außerdem ein Fernsehinterview für den Südwestrundfunk angesetzt, außerdem eine Pressekonferenz, in der er ebenfalls den Journalisten Rede und Antwort stand. Deswegen wolle er lieber ein "normales Konzert" machen. Zusammen mit zwei exzellenten Musikern gab er dann auch einen eindrucksvollen Überblick über sein Repertoire, Lieder aus seiner früheren rebellischen Zeit, Liebeslieder und neue Kompositionen. Das Publikum quittierte sein Gastspiel, das auf Initiative der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg und des Deutschen Apotheker Verlags zustande gekommen war, mit lang anhaltendem Applaus, für den sich Wecker mit einer insgesamt rund 30-minütigen Zugabe bedankte. Auch "Nicht-Wecker-Fans" konnte der Sänger, Komponist, Pianist und Dichter für sich einnehmen.
Das Feuerwerk der Fortbildung
Das Fortbildungsfest Interpharm 2000 hatte sich in diesem Jahr drei Fortbildungsschwerpunkte ausgesucht:
- Horizonte der Homöopathie - Vorträge behandelten die Homotoxikologie als Beispiel für die organotrope Homöopathie, die klassische Homöopathie und ihre personotropen Aspekte, die Homöopathie in der anthroposophischen Medizin. Ein weiterer Vortrag nahm kritisch zur Homöopathie Stellung, eine Übersicht über Studien zeigte, dass die Mehrzahl der in Studien dargelegten homöopathischen Therapieergebnisse nicht reproduziert werden konnten. Ergänzt wurde das Thema Homöopathie durch eine Forumsrunde, die das geplante Modellvorhaben zum Aufspüren wissenschaftlich akzeptabler Phytos und Homöopathika den Zuhörern näher brachte. Das Projekt, das von der Barmer Ersatzkasse und dem Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) gemeinsam durchgeführt wird, hat mit Hilfe einer Expertenkommission bereits Transparenzkriterien erarbeitet, die Grundlage für dieses Modellvorhaben sein sollen.
- Horizonte der Perinatal-Pharmakologie brachte der Fortbildungsblock näher, der sich mit Arzneimitteln für Mutter und Kind vor, während und nach der Geburt, befasste. Arzneimittel in der Schwangerschaft, Ernährung in der Schwangerschaft, Arzneimittel zur und nach der Geburt sowie Prophylaxe bei Säuglingen und Kleinkindern waren die Themen dieses Fortbildungszyklus.
- Der dritte Fortbildungsteil auf der Interpharm 2000 führte an die Horizonte der Pharmakotherapie im Alter heran. Mit fünf hochkarätigen Vorträgen unter Moderation von Prof. Dr. Dr. Ernst Mutschler hörten die Teilnehmer kompaktes Fortbildungswissen über die Therapie der chronischen Herzinsuffizienz, von Erkrankungen des Bewegungsapparates, zum Thema Schlaganfall und Osteoporose und über Complianceprobleme im Alter.
- Festvorträge befassten sich mit seelischen Störungen in unserer Zeit, von Angststörungen über Panikattacken bis hin zum Hyperkinetischen Syndrom und dem Burn-out-Syndrom. Ein weiterer Festvortrag stellte die Naturgesetze der Motivation und Führung vor unter dem provokativen Titel "Lust an Leistung". Den Aufbruch zu neuen Inhalten, Zielen und Chancen brachte der Festvortrag zum Thema "Pharmazeutische Horizonte 2000" näher.
Zahlreiche Seminare zu speziellen Gebieten der Pharmazie sorgten für intensiven Wissenstransfer, so beispielsweise in den Gebieten Pharmakotherapie, Medizinprodukte, Bewertung von Phytopharmaka, Internet, Apotheke und Werbung, Orthomolekulare Medizin, steuerliche Gesichtspunkte beim Erben, Schenken und der Vermögensabsicherung, Wiedereinstieg in den Beruf. Gut besucht waren die Vorträge zu apothekenspezifischen Dienstleistungen oder zum Thema Umweltanalytik.
In die Interpharm integriert war in diesem Jahr wiederum ein großer PTA heute-Kongress. Der PTA-Kosmetiktag brachte dermatologische Aspekte bei der Kosmetikberatung und der Hautpflege bei mit Laser behandelten Patienten näher und gab Tipps für den Verkauf von Apothekenkosmetik. Der Fortbildungstag für PTA stand unter dem Generalthema Diabetikerbetreuung und informierte über klinische Grundlagen, Insuline, orale Antidiabetika, die Diabetikerberatung und über Blutzuckermessgeräte.
Über das Suchtforum und die Fortbildungsvorträge berichten wir ausführlich in unserer nächsten Ausgabe, die Vorträge des PTA-Kongresses werden in einer der nächsten Ausgaben der "PTA heute" veröffentlicht.
Wer nicht dabei war, hat viel versäumt. Die diesjährige Interpharm, die vom 31. März bis 2. April im Stuttgarter Kongress- und Kulturzentrum Liederhalle stattfand, war ein Fortbildungsereignis, das kaum Wünsche offen ließ. 2900 Apothekerinnen, Apotheker und PTA nutzten das Frühlingswochenende, um sich fortzubilden und den pharmazeutischen Horizont zu erweitern. Das Rahmenprogramm bot kulturelle Hochgenüsse: eine Führung durch die Kunstausstellung der Stuttgarter Staatsgalerie und ein Konzert mit Konstantin Wecker
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