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Umwelt: Das Jahrhundert der Katastrophen

Naturkatastrophen mehren sich in auffälliger Weise. Vieles deutet darauf hin, dass das 21. Jahrhundert der Erde und den Menschen mehr denn je zusetzen wird. Die explosionsartige Vermehrung der Weltbevölkerung und die Änderung der Lebensweise provozieren bestimmte Katastrophen. Moderne Gesellschaften können zwar einige Gefahren mildern oder abwenden, aber gegenüber anderen sind sie besonders anfällig.

Ob das schon fast vergessene Erdbeben in Spitak in Armenien (1988), das 25000 Menschen das Leben kostete, ob Sturm Lothar, der Ende 1999 großen Teilen Südfrankreichs für Wochen den Strom abdrehte, oder das vor kurzem über Mosambique hereingebrochene Unwetter mit seinen furchtbaren Folgen - all diesen Katastrophen ist gemeinsam: Man steht ihnen ohnmächtig gegenüber, man sucht nach Gründen und man vergisst sie wieder, weil täglich neue Schreckensmeldungen in der Zeitung stehen.

Zwar gab es auch früher schreckliche Katstrophen (Tab. 1), und vermutlich bleibt die Zahl der Erdbeben und Vulkanausbrüche über die Jahre konstant, aber die atmosphärischen Extremsituationen wie Stürme, Überschwemmungen, Erdrutsche, Kältewellen oder Waldbrände nehmen zu (Tab. 2), und entsprechend wachsen die volkswirtschaftlichen Schäden (Tab. 3). Die Vorstellung, man brauche nur die CO2-Emissionen zu senken, um die Probleme in den Griff zu bekommen, geht fehl. Denn die Gründe für viele Katastrophen, vom Erdbeben bis zum Krieg ums Wasser, liegen oft viel näher als die Atmosphäre. Sie liegen beim Menschen selbst.

Der Aralsee als Menetekel

Nicht als Individuum, nicht als Volk oder Gesellschaft, sondern vor allem als ausufernd wachsende Masse bedroht der Mensch sich, seine ihn umgebende Natur und die Erde insgesamt. Der Aralsee ist ein trostloses Beispiel dafür, wie die Natur falsche Entscheidungen bestraft. Die Idee, das mit 67900 km² (einst) viertgrößte Binnenmeer von seinen Zuflüssen abzuschneiden, um mit deren Wasser den Menschen Einkommen und Nahrung zu sichern, hat eine ganze Region absterben lassen.

Kampf um das blaue Gold

Zwei Drittel der Oberfläche des Globus sind Gewässer bzw. Eis. Aber nur 2,5% davon sind Süßwasser, das wiederum zu zwei Dritteln in den Polkappen und Gletschern festgelegt ist. Ein großer Teil der Niederschläge geht durch Überflutungen verloren. Übrig bleibt ein Bruchteil nutzbaren Wassers, von dem die Landwirtschaft 70% beansprucht. Stehen der Bevölkerung weniger als 1000 m³ Wasser pro Kopf und Jahr (das sind weniger als 3 m³ am Tag) zur Verfügung, spricht man von Wassermangel. Einige subtropische Länder sind besonders stark davon betroffen (Tab. 4).

Wirtschaft und Landwirtschaft hängen direkt vom Wasserangebot ab. Deshalb liegt im Kampf ums blaue Gold eine unerhörte Brisanz. Besonders kritisch ist die Lage am Jordan, am Nil und im Zweistromland. Denn die Zahl der Menschen steht nicht im Einklang mit der Produktivität dieser Länder. Bewässerung ist absolut notwendig.

So besteht das türkische Südostanatolien-Projekt aus 22 Staudämmen und 18 Wasserkraftwerken. Ziel des Titanenwerkes ist die Ankurbelung der Wirtschaft. 1 Million Arbeitsplätze sollen geschaffen, 1,6 Mio. Hektar Land bewässert und jährlich 27 Mrd. kWh Strom produziert werden. Gespeist wird das Projekt mit den Wassern von Euphrat und Tigris. Syrien fehlen dadurch 1 Mrd. m³, dem Irak 10 Mrd. m³ Wasser jährlich, bei einem erwarteten Bevölkerungszuwachs von 50% in den nächsten 30 Jahren. Ein Krieg ums Wasser wäre eine Katastrophe eigener Art.

Das Gärtlein wird platt gemacht

Der Mensch vermehrt sich seit 1900 explosionsartig, da er komfortable Bedingungen vorfindet. Die Klimatologen sprechen vom "Paradiesgärtlein des jüngeren Holozäns" und meinen damit die günstigen Temperaturen der letzten 15000 Jahre. Ob das Gärtlein in der Zukunft weniger gut gedeiht, wissen wir nicht. Doch das Bevölkerungswachstum führt zur Besiedlung ungeeigneter Standorte, was Katastrophen geradezu provoziert.

Ein Beispiel sind die Polder am Jangtsekiang in China. Die Hochwasser des Flusses überschwemmten immer wieder riesige Landstriche und kosteten Tausenden von Menschen das Leben. In den Fünfziger-Jahren wurden deshalb Deiche und Polder gebaut. Der größte Polder hatte eine Fläche von 920 km² und konnte 6 Mrd. m³ Wasser aufnehmen, wenn er geflutet wurde. Heute ist das nicht mehr möglich, denn nun siedeln eine Million Menschen im Polder. Ein Rekordhochwasser wird seinen Weg in ungeschützte Gegenden flussabwärts nehmen und dort sein Zerstörungswerk ausführen.

Megastädte sind riskant

Die Verstädterung nimmt stetig zu. Riesenstädte mit mehreren Millionen Einwohnern (Tab. 5) dringen in ihrem Platzhunger in Überschwemmungs-, Erdbeben- oder Waldbrandzonen vor. Hier entstehen die Elendsviertel der Habenichtse, die den Urgewalten schutzlos ausgeliefert sind. Je mehr solche Städte es gibt, umso wahrscheinlicher ist es, dass ein Vulkanausbruch oder eine Sturmflut viel Schaden und Leid anrichtet.

Kobe war eine Warnung

Auch Megastädte der ersten Welt sind bedroht. Das zerstörerischste Erdbeben seit vielen Jahrzehnten war das von Kobe in Japan 1995. Der ökonomische Schaden von über 200 Mrd. DM ist Rekord. Zwar waren die Verluste an Menschenleben relativ gering, doch der Zusammenbruch der Infrastruktur wirkte sich global aus.

Telefon und Strom fielen in der 1,5-Millionen-Stadt für zwei Wochen aus, Bahnlinien und Autobahnen waren über Monate gestört. Der Ausfall der Just-in-time-Produktion brachte die Absatzpläne der Autoindustrie durcheinander. Der Wiederaufbau des internationalen Containerhafens dauerte zwei Jahre. Aus diesen Erfahrungen wurde geschlossen, dass ein noch stärkeres Beben in erdbebengefährdeten Städten wie Tokio oder Los Angeles einen Schaden von mehr als 2000 Mrd. DM anrichten könnte. Die gesamte Weltwirtschaft einschließlich der Finanzmärkte würde von solch einem Ereignis erschüttert.

Die Temperatur entscheidet

Der anthropogene Einfluss auf die Veränderung der Biosphäre ist umstritten. Klar ist, dass in den letzten 150 Jahren die Temperatur der Luft im globalen Mittel um 0,7°C angestiegen ist. Durch die atmosphärische Erwärmung kam es Ende der achtziger Jahre in Europa zu milden Wintern. Das dadurch geschwächte osteuropäische Kältehoch konnte die atlantischen Sturmtiefs nicht vom Festland abhalten. Die Sturmserie von 1990 mit Schäden von mehreren Milliarden DM war die Folge. In milden Wintern bleibt auch der Schnee aus, der allmählich schmilzt und im Boden versickert. Statt dessen fällt Regen, der in schweren Böden die Poren verschließt. Diese natürliche Versiegelung verhindert das Versickern des Wassers und kann zu Überschwemmungen wie dem Rheinhochwasser von 1995 beitragen.

Taifune und Zyklone entstehen über den Ozeanen ab einer Wassertemperatur von 27°C. Falls sich nach der Luft auch die Weltmeere erwärmen, werden sich die Brutstätten dieser tropischen Wirbelstürme ausweiten. Sie werden dann plötzlich in bisher von ihnen verschonten Regionen auftauchen.

Gefahr von der Sonne

Doch mit der Behebung eigener Fehler ist der Mensch nicht sicher vor Naturkatastrophen. So sagen Physiker für die nächsten Jahre starke Sonnenstürme voraus. Bei einem Sturm stößt die Sonne Plasma mit 500 km/s aus. Die Teilchen können die Computer der Satelliten und damit die weltweite Kommunikation empfindlich stören. Auch das Magnetfeld der Erde könnte von einem starkem Plasmabeschuss so beeinträchtigt werden, dass die Stromversorgung großflächig zusammenbricht. Und zwei Wochen ohne Elektrizität empfände jedermann als Großkatastrophe.

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