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- DAZ 18/2000
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Arzneimittel und Therapie
PAVK: Unterdiagnostiziert, unterschätzt und gefährlich
Sauerstoffmangel in den Gefäßen
Die periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK), jetzt auch AVK (arterielle Verschlusskrankheit) genannt, ist eine Krankheit der Gefäße im arteriellen System. In der Peripherie kommt es zu Durchblutungsstörungen, die Patienten klagen beim Gehen über Schmerzen in den Beinen und müssen regelmäßig eine Pause einlegen. Denn die Arterien eines PAVK-Patienten sind verengt, die Blutzufuhr ist eingeschränkt, und es gelangt weniger Sauerstoff zu den Muskeln.
Der Wechsel von Schmerzen beim Gehen und Schmerzfreiheit nach Rast ("Claudicatio intermittens") ist charakteristisch für Patienten mit symptomatischer PAVK. Selten kommt es vor, dass der Patient an Ruheschmerzen leidet, die Haut an den Zehen verfärbt ist und sich Geschwüre oder Gangräne bilden. Diese Symptome deuten auf ein bereits weit fortgeschrittenes Krankheitsstadium hin.
Systemkrankheit Atherothrombose
Die PAVK ist gefährlich, weil ihre Ursache wie bei Herzinfarkt und Schlaganfall die Systemkrankheit Atherothrombose ist. Mit dem Begriff Atherothrombose verbindet man zwei zusammenhängende pathologische Prozesse: die Atherosklerose und die Thrombose. Bilden sich an der Gefäßwand atherosklerotische Plaques, die instabil sind und in das Gefäßlumen aufbrechen, kann sich daran ein aus Blutplättchen bestehender Thrombus anlagern. Das Gefäß wird eingeengt oder verschlossen, das Gewebe geschädigt. Am Herzen können sich die koronare Herzkrankheit und der Herzinfarkt entwickeln, im Gehirn ischämische Attacken bis hin zum Schlaganfall, in der Peripherie die periphere arterielle Verschlusskrankheit. Wegen der gemeinsamen Grunderkrankung Atherothrombose gilt die PAVK als wichtiger Marker für Herzinfarkt und Schlaganfall. Patienten mit PAVK sterben nämlich im Durchschnitt 10 Jahre früher als vergleichbare Patienten ohne PAVK, in 70 Prozent der Fälle am Herzinfarkt, in 5 Prozent am Schlaganfall und in 12 Prozent an Tumoren.
Einfache Diagnose möglich
Tückisch an der PAVK ist, dass die Betroffenen meist nichts von der Minderversorgung ihrer Gefäße mit Sauerstoff spüren, auch dann nicht, wenn die Gefäßverengung bereits fortgeschritten ist. Aus diesem Grund wäre es sinnvoll, die Bestimmung des Knöchel-Arm-Index als Routineuntersuchung zu etablieren und damit PAVK-Patienten frühzeitig zu entdecken, wenn sie noch keine Krankheitssymptome zeigen. Der Vergleich des systolischen Blutdrucks am Oberarm mit dem am Knöchel erlaubt Rückschlüsse auf das Ausmaß der Gefäßverengung.
Die Bestimmung des Knöchel-Arm-Index ist ein kostengünstiges und einfach durchzuführendes Verfahren. Zuerst wird der systolische Knöchel-Blutdruck an der Fußrückenschlagader und der hinteren Schienbeinschlagader gemessen, danach der systolische Arm-Blutdruck an der Armschlagader. Der Quotient aus Knöchelwert und Armwert heißt "Ankle-Brachial-Index" (ABI = Knöchel-Arm-Index). Ein normaler ABI-Wert liegt über 0,90, Werte von 0,71 bis 0,90 deuten auf eine milde Obstruktion der Gefäße hin. Fällt der Wert auf unter 0,40 ab, spricht man von einer starken Obstruktion.
Endogene und exogene Risikofaktoren
Mit dem ABI-Wert lässt sich das Risiko atherothrombotischer Ereignisse voraussagen. Eine Abnahme des ABI-Wertes um jeweils 0,1 Punkte entspricht etwa einer Zunahme des kardiovaskulären Risikos um jährlich 10,2 Prozent. Um diese Gefahr zu bannen, ist es ratsam, dass Patienten mit PAVK möglichst viele Risikofaktoren abstellen, die wie das Rauchen die Entstehung von Atherothrombose fördern, sowie rechtzeitig eine Therapie mit Thrombozytenfunktionshemmern beginnen.
Das Risiko von atherothrombotischen Ereignissen ist abhängig von der Zahl der Risikofaktoren. Man unterscheidet endogene Risikofaktoren (Geschlecht, Alter, Genetik), die nicht zu beeinflussen sind, von beeinflussbaren exogenen Risikofaktoren (zum Beispiel Rauchen, Übergewicht, Bewegungsmangel, Hypertonie, Dyslipidämie). Die einzelnen Risikofaktoren haben unterschiedliche Auswirkungen. So erhöht etwa die Hypertonie das Schlaganfallrisiko, die Dyslipidämie das Risiko von Herzinfarkten, und das Rauchen wiederum das Risiko für die periphere arterielle Verschlusskrankheit. Neuerdings gilt auch ein erhöhter Homocystein-Spiegel im Blut als Risikofaktor für die PAVK.
Moderne Therapiemöglichkeiten
PAVK-Patienten profitieren von einer Änderung ihrer Lebensweise. Nicotinabstinenz, regelmäßige Bewegung und gesunde Ernährung wirken sich positiv auf die Schmerzen beim Gehen aus. Ziel der medikamentösen Therapie ist es, die der PAVK zugrunde liegende Atherothrombose zu behandeln. Eingesetzt werden Thrombozytenfunktionshemmer (ASS, Ticlopidin und Clopidogrel), Medikamente zur Kontrolle der Risikofaktoren (z.B. Bluthochdruck und Blutzucker) sowie vasodilatierende Arzneimittel, die allerdings nur symptomatisch wirken und über einen kurzen Zeitraum verabreicht werden.
In schweren Fällen, wenn zum Beispiel bei der Angiographie eine klar umgrenzte Verengung des Gefäßes entdeckt wurde, ist eine Interventionstherapie notwendig. Sie kann endovaskulär (Revaskularisierung, Implantation von Stents) oder operativ (Endarteriektomie, peripherer Bypass oder als ultima ratio Amputation) erfolgen.
Quelle: Prof. Dr. Curt Diehm, Karlsbad, Prof. Dr. Fritz Beske, Kiel, Prof. Dr. K.-L. Schulte, Berlin, Prof. Dr. Jens Allenberg, Heidelberg, Presse-Workshop "PAVK - Markererkrankung für Herzinfarkt und Schlaganfall", 26. Februar 2000, Dresden, veranstaltet von Sanofi-Synthelabo, Berlin.
Die periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) ist ein Marker für die Atherosklerose in koronaren und zerebralen Arterien. Trotz ihrer Bedeutung wird die PAVK von vielen Ärzten unterschätzt und bleibt daher häufig unentdeckt. Dabei ist die frühzeitige Diagnose mit Hilfe des Knöchel-Arm-Index einfach und kostengünstig. In der Behandlung der PAVK kommt der Kontrolle der Risikofaktoren, der Nicotinabstinenz sowie dem Einsatz von Thrombozytenfunktionshemmern große Bedeutung zu.
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