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Stange-Prozess: Absprung in letzter Minute
Der am 8. Mai vernommene Zeuge T. aus Bottrop sah in dem Angebot Stanges zur Eröffnung einer nach dem Stange-Konzept ausgestatteten und zu betreibenden Apotheke zunächst eine günstige Gelegenheit, ohne den Einsatz wirtschaftlicher Mittel und ohne Risiko als Berufsanfänger mit nur drei Jahren Berufserfahrung den Einstieg in "Selbstständigkeit" zu erproben.
Alles sei damals sehr schnell gegangen. Die Apotheke, die er übernehmen sollte, habe er selbst nie gesehen. Auf seine wirtschaftliche Absicherung bedacht, habe er sich von Medi-Center gar schriftlich versichern lassen, dass er ein angemessenes Auskommen erzielen werde. Sein Garantieeinkommen sei dadurch gesichert worden, dass Medi-Center den vereinbarten Mietzins für die Apothekenräume entsprechend herabsetzen würde, wenn die prognostizierten Umsatzzahlen nicht erreicht werden sollten.
Voraussetzung sei jedoch die Teilnahme an dem Beratungskonzept Stanges gewesen. Auch die Inanspruchnahme des mit Stange verwandten Steuerberaters Vogt sei ihm nahegelegt worden. Gescheitert sei die weitere Zusammenarbeit trotz bereits unterzeichneter Verträge aber gleichwohl, weil ihm sein Rechtsanwalt dringend davon abgeraten habe. Nach dessen Einschätzung verstießen die Verträge jedenfalls in ihrer Gesamtheit gegen das Apothekengesetz. Nach längeren Verhandlungen sei es daher schließlich zu einem Vergleich mit Stange gekommen, aufgrund dessen der Zeuge einen einmaligen Betrag von 5000,00 DM an Stange zahlen musste und im übrigen alle vertraglichen Beziehungen beendet worden seien. Anfang 1992 kaufte der Zeuge eine bestehende, eingeführte Apotheke mit einem Umsatz von 1,2 Mio DM einschließlich zehnjährigem Mietvertrag mit Verlängerungsoption zu einem Kaufpeis von 300 000 DM von dem bisherigen Betreiber.
Stange als Betreiber "seiner" Apotheken?
Die zentrale Frage des Strafverfahrens ist, ob Stange als Betreiber der Apotheken seiner Vertragspartner im Sinne des Apothekengesetzes anzusehen ist. Die Verteidigung ist entgegen der Staatsanwaltschaft aus verschiedenen Gründen der Meinung, dass dies nicht der Fall sein könne. § 23 Apothekengesetz sanktioniere allein das pharmazeutische Tätigwerden nach außen, während die wirtschaftlichen Aspekte auf das Innenverhältnis zwischen Apothekenleiter und einer dritten Person beschränkt seien.
Eine andere Betrachtung sei auch verfassungsrechtlich äußerst problematisch: Zum einen sei der Begriff des Betreibens, wenn er auch die wirtschaftliche Seite erfasse, viel zu unbestimmt, um als Strafnorm Bestand haben zu können. Hinzu komme, dass § 23 Apothekengesetz als Absicherung des Schutzes der Volksgesundheit diene. Erfasst sein könnten daher nur solche Handlungen, die im Zusammenhang mit der Arzneimittelabgabe stünden. Im Hinblick auf die grundrechtlich verbriefte Berufsausübungsfreiheit seien nur solche Beschränkungen des Gesetzgebers verhältnismäßig, die der ordnungsgemäßen Sicherung der Arzneimittelversorgung dienten.
Gefahren für den Arzneimittelversorgungsauftrag seien jedoch dem hier relevanten Sachverhalt nicht zu entnehmen. Abgesehen davon habe aber auch tatsächlich weder ein Strohmannverhältnis noch eine Betreibergesellschaft zwischen Stange und seinen Apothekern bestanden.
Eine Absprache, dass sämtliche abgeschlossenen Rechtsgeschäfte der Apotheker mit ihren Kunden ausschließlich Stange zugute kommen sollten, habe es nämlich nicht gegeben. Die Apotheker hätten weder den Erlös herausgeben müssen, noch hätten sie Anspruch auf Aufwendungsersatz gehabt. Sie schuldeten allein die vertraglich vereinbarten Leistungen.
Das Gericht hatte indessen durch dessen Vorsitzenden Richter Schild unlängst verlautbaren lassen, dass es die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft nicht für aus der Luft gegriffen halte. Danach hat sich Stange durch die Vertragsgestaltungen einen solch massiven wirtschaftlichen Einfluss auf die Apotheken gesichert, dass er bei wirtschaftlicher Betrachtung als Betreiber angesehen werden müsse.
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