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- DAZ 26/2000
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Arzneimittel und Therapie
Anti-TNF-Alpha-Antikörper: Infliximab zur Therapie der rheumatoiden Arthritis z
Durch die gezielte Wirkung, d.h. das Ausschalten des maßgeblichen Botenstoffs Tumornekrosefaktor (TNF) alpha, ist es mit diesem Medikament erstmals möglich, das Fortschreiten der Erkrankung tatsächlich zu stoppen. Dies gelang mit den bisher zur Verfügung stehenden Medikamenten nur in seltenen Fällen.
Infliximab lindert rasch die Symptome
In verschiedenen klinischen Prüfungen hat sich bereits die hohe Wirksamkeit und gute Verträglichkeit von Infliximab, auch bei längerer Anwendung, gezeigt. Die so genannte ATTRACT(= Anti-TNFalpha-Trial in Rheumatoid Arthritis with Concomitant Therapy)-Studie ist mit 428 Patienten eine der größten Studien, die jemals bei Patienten mit rheumatoider Arthritis durchgeführt wurde. In die Studie aufgenommen wurden Patienten mit aktiver rheumatoider Arthritis in fortgeschrittenen Krankheitsstadien (über 50% hatten die funktionelle Klasse III-IV), mit einer durchschnittlichen Krankheitsdauer von 8 Jahren, bei denen eine jahrelange Therapie mit verschiedenen so genannten DMARD's (Disease Modifying Antirheumatic Drugs) einschließlich Methotrexat nicht den erwünschten Erfolg gebracht hatte. Bei fast 60% der Patienten, die zusätzlich zu ihrer bisherigen Therapie Infliximab erhielten, besserten sich meist schon innerhalb von zwei Wochen die Beschwerden deutlich. Die Zahl der geschwollenen und schmerzhaften Gelenke nahm dramatisch ab, und die Beweglichkeit verbesserte sich sichtbar. Das heißt, den Patienten fiel es wieder deutlich leichter, Tätigkeiten des täglichen Lebens (z.B. Anziehen) zu verrichten, bei denen sie zuvor zum Teil größte Schwierigkeiten hatten. Bereits innerhalb von ein bis zwei Wochen kam es auch zu einer deutlichen Verbesserung des HAQ-Wertes (HAQ = Health Assessment Questionnaire), mit dem die Funktionseinschränkung in acht Bereichen des täglichen Lebens bewertet wird. Ebenso verbesserten sich allgemeine Parameter der Lebensqualität, körperliches und psychisches Befinden, soziale Beziehungen und Vitalität, die mit dem SF-36-Fragebogen erfasst wurden, unter Therapie mit Infliximab signifikant.
Stopp der Gelenkzerstörung radiologisch nachgewiesen
Infliximab ist das erste Medikament, für das nachgewiesen werden konnte, dass es das Fortschreiten der Gelenkzerstörung sogar in späten Stadien bei schweren Verlaufsformen der rheumatoiden Arthritis verhindern kann. Dies wurde erstmals im November 1999 auf dem Kongress des ACR (American College of Rheumatology) bekannt, als die Ergebnisse der radiologischen Untersuchung aus der ATTRACT-Studie vorgestellt wurden. Die Röntgenbilder von Händen und Füßen - aufgenommen vor der Behandlung und nach einem Jahr - wurden nach einem international anerkannten Verfahren (Sharp-Methode, modifiziert nach van der Heijde) mit strengen standardisierten Kriterien bewertet. Beurteilt wurden an 30 bzw. 32 Hand- und 10 bzw. 12 Fußgelenken die Verschmälerung des Gelenkspalts als Zeichen für den Knorpelschwund und die Zunahme von Knochendefekten (Erosionen) als Zeichen für die fortschreitende Gelenk- und Knochenzerstörung. Bei den Patienten, die mit Infliximab behandelt wurden, war nach einem Jahr im Röntgenbild keine Zunahme der Gelenkveränderungen festzustellen. Mit Infliximab konnte der Prozess der Destruktion also gestoppt werden. Dagegen war in der Vergleichsgruppe, die nur mit dem Standard-Medikament Methotrexat weiterbehandelt wurde, im gleichen Beobachtungszeitraum eine deutliche Verschlechterung der Röntgenbefunde, d.h. eine Zunahme der Gelenk- und Knochendefekte um ca. 7% festzustellen. Bemerkenswert war außerdem, dass auch bei Patienten, die klinisch nicht auf die Therapie ansprachen, die Gelenkzerstörung ebenfalls aufgehalten wurde. Es scheint, dass Infliximab offensichtlich unabhängig von der antientzündlichen Wirkung direkt den Abbauprozessen an Knorpel und Knochen entgegenwirkt. Aufgrund seiner Eigenschaften, antiinflammatorisch zu wirken und die Krankheitsprogression bei der rheumatoiden Arthritis aufzuhalten, wurde seitens verschiedener Experten bereits angeregt, Infliximab als ersten Vertreter der Gruppe der DCART's (= disease controlling antirheumatic therapy) zuzuordnen. Diese schon vor längerer Zeit definierte Wirkstoffkategorie fungierte bisher lediglich als Wunschkategorie, für die noch nach Vertretern gesucht wurde.
Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie
Die Rheumatologen sind sich darüber einig, dass die TNFalpha-Blockade einen Durchbruch in der Therapie der rheumatoiden Arthritis darstellt. Bereits vor der Einführung des neuen Therapieprinzips der TNFalpha-Blockade in Deutschland hat die Kommission Pharmakotherapie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) Empfehlungen für deren Einsatz erarbeitet. Darin werden die "biologischen" Hemmstoffe von TNFalpha als eine Bereicherung der Behandlungsmöglichkeiten dargestellt, die bei Patienten, die auf konventionelle Basistherapeutika nicht angesprochen haben, zu einer Besserung der Krankheitssymptome, einem Abfall der labormedizinischen Parameter der Krankheitsaktivität und einer Verbesserung der Lebensqualität führen. Hervorgehoben wird auch der im Vergleich zu konventionellen Basistherapeutika schnelle Wirkungseintritt und die Verhinderung einer Progression der Gelenkzerstörung. Als Indikation für eine Therapie mit einem TNFalpha-Blocker wie Infliximab gelten nach den Empfehlungen der DGRh die gesicherte Diagnose einer rheumatoiden Arthritis und das Versagen einer Behandlung mit zumindest zwei konventionellen Basistherapeutika einschließlich Methotrexat über einen ausreichend langen Zeitraum (mindestens 6 Monate).
1% der Bevölkerung ist betroffen
Geht man in Deutschland von einer Häufigkeit der rheumatoiden Arthritis von 1% der Bevölkerung aus, so bedeutet dies, dass schätzungsweise 800000 bis eine Million Menschen an einer rheumatoiden Arthritis leiden. Etwa 10% der Betroffenen haben eine schwere Verlaufsform und wiederum ca. 30% davon sind so genannte Therapieversager, bei denen die herkömmlichen Standard-Therapien nicht wirksam bzw. unverträglich sind. Das sind die Patienten, für die bislang keine wirksame medikamentöse Behandlung zur Verfügung stand und die nun von Infliximab profitieren können.
Zulassung von Infliximab für die rheumatoide Arthritis
Am 26. Mai 2000 hat die europäische Zulassungsbehörde EMEA (European Agency for the Evaluation of Medicinal Products) für Infliximab einen positiven Zulassungsbescheid zur Behandlung der aktiven rheumatoiden Arthritis, die auf eine adäquate Therapie mit DMARD's einschließlich Methotrexat nicht anspricht, erteilt. Die empfohlene Dosierung von Infliximab, in Kombination mit niedrig dosiertem Methotrexat, beträgt 3 mg/kg Körpergewicht, die als intravenöse Infusion initial in den Wochen 0, 2 und 6 und dann in der Dauertherapie nur noch alle 8 Wochen verabreicht wird. Remicade steht ab sofort zum breiten Einsatz in Deutschland zur Verfügung und kann allen für die Therapie in Frage kommenden Patienten verordnet werden. Bei diesen Patienten muss die Diagnose "rheumatoide Arthritis" gesichert sein und trotz sachgerechter Behandlung mit mindestens zwei Basistherapeutika, davon eines Methotrexat, über mindestens 6 Monate sollte die Erkrankung deutlich aktiv sein.
Bereits zur Behandlung des Morbus Crohn auf dem Markt
In Deutschland - wie in den USA - ist Remicade bereits zur Behandlung des schweren aktiven Morbus Crohn und des Morbus Crohn mit Fistelbildung bei Patienten, die trotz einer vollständigen adäquaten Therapie auf die konventionelle Behandlung nicht ansprechen, zugelassen. Auch bei dieser chronisch-entzündlichen Erkrankung, in deren Pathogenese das Zytokin TNFalpha ebenfalls eine Schlüsselrolle spielt, bedeutet Infliximab einen therapeutischen Durchbruch. In den USA steht Infliximab (Remicade) schon länger zur klinischen Anwendung zur Verfügung. Nach der ersten Zulassung zur Behandlung des Morbus Crohn im Jahr 1998 wurde der TNFalpha-Antikörper am 10. November 1999 zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis zugelassen. Aufgrund der radiologischen Daten aus der ATTRACT-Studie wurde dort bereits im Oktober 1999 zusätzlich die Zulassung zur Prävention der Gelenkdestruktion bei der rheumatoiden Arthritis beantragt. Remicade hat sich bereits in der breiten Anwendung als sicher und verträglich erwiesen. Insgesamt wurden weltweit bisher über 50000 Patienten mit dem TNFalpha-Antikörper behandelt.
Mit dem gegen TNF alpha gerichteten Antikörper Infliximab (Remicade) steht nun ein neues Arzneimittel zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis zur Verfügung. In schweren therapieresistenten Fällen führt es bereits innerhalb von zwei Wochen nach der Infusion zu einer deutlichen Linderung der Symptome und einer Verbesserung der Gelenkfunktion.
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