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Arzneimittel und Therapie
Raloxifen: Nicht nur gegen Osteoporose
Die Therapie der Osteoporose lässt in Deutschland noch immer sehr zu wünschen übrig. Dabei wird selbst Hochrisikopatienten die Therapie versagt. Patienten, die bereits eine vertebrale Fraktur oder einen Oberschenkelhalsbruch erlitten haben, erhalten oft nicht einmal Calcium oder Vitamin D, geschweige denn die dringend notwendige Bewegungstherapie oder eine wirksame Pharmakotherapie. Wissenschaftliche Gründe dafür gibt es kaum. Denn es stehen einige Wirkstoffgruppen zur Verfügung, deren Wirksamkeit außer Frage steht. So existieren gute Studienergebnisse für den selektiven Östrogenrezeptormodulator (SERM) Raloxifen (Evista) und die Bisphosphonate. Als mäßig wird die Datenlage für Östrogene eingestuft. All diese Substanzen gehören zu den "Resorptionshemmern", die den durch übermäßige Osteoklastenaktivität vorangetriebenen Knochenabbau aufhalten.
Das richtige Arzneimittel auswählen
Entscheidend für den Therapieerfolg ist die Wahl des richtigen Medikaments für den jeweiligen Patienten, besser gesagt die Patientin, denn meist sind Frauen Leidtragende der Osteoporose (Stichwort: Witwenbuckel). So besitzen Östrogene ein geringes, aber signifkant erhöhtes Malignitätsrisiko. Sie sind daher beispielsweise für Frauen mit erhöhtem Mammakarzinomrisiko nicht geeignet.
MORE: Raloxifen gegen Wirbelkörperfrakturen!
Der SERM Raloxifen wirkt östrogenagonistisch am Knochen und kardiovaskulären System, antagonistisch an Mamma und Uterus. Der Grund: Ähnlich wie im sympathischen Nervensystem, wo Alpha- und Beta-Rezeptoren existieren, gibt es auch unterschiedliche Östrogenrezeptoren. Während in Knochen und Blutgefäßen die Beta-Rezeptoren überwiegen, sind es im Gewebe vom Brust, Uterus und Leber die Alpha-Rezeptoren. Raloxifen greift selektiv an den Beta-Rezeptoren an. Was mit diesem Wirkprinzip erreicht werden kann, zeigte die MORE-Studie, die Ende 1999 publiziert wurde. Eingeschlossen wurden 7705 Frauen, von denen zwei Drittel "nur" eine pathologische Knochendichte (T-Score -2,5SD), ein Drittel bereits eine Wirbelkörperfraktur aufwies. Sie erhielten zusätzlich zu Calcium und Vitamin D über drei Jahre randomisiert 60 mg oder 120 mg Raloxifen bzw. Plazebo. Raloxifen reduzierte während dieses Zeitraums die Rate von Wirbelkörperfrakturen um 30 bis 50 Prozent. Sie lag unter 60 mg Raloxifen bei 6,6 Prozent, unter 120 mg Raloxifen bei 5,4 Prozent und unter Plazebo bei 10,1 Prozent. Nicht vertebrale Frakturen, wie Hüftfrakturen, Oberschenkelhalsfrakturen oder Unterarmfrakturen traten in allen Studiengruppen etwa gleich häufig auf. Raloxifen gilt daher vor allem als geeignet für jüngere postmenopausale Frauen mit erhöhtem Frakturrisiko der Wirbelsäule. Sein Vorteil gegenüber der Hormonersatztherapie: Es stimuliert weder das Brustdrüsengewebe noch führt es zu einer Proliferation des Endometriums. Raloxifen ist allerdings kontraindiziert bei Frauen, die unter klimakterischen Beschwerden leiden, da beispielsweise Hitzewallungen verstärkt werden können.
RUTH: Senkt Raloxifen das Herzinfarktrisiko?
Doch die Osteoporose wird vermutlich nicht die einzige Indikation für SERMs bleiben. Mit der Entdeckung der verschiedenen Östrogenrezeptoren haben sich die Einsatzmöglichkeiten wesentlich erweitert. Zumindest im Tiermodell erweitert Raloxifen die Gefäße - zumindest teilweise über eine gesteigerte Freisetzung von gefäßdilatierendem NO. Auch das Lipidprofil scheint sich unter Raloxifen zu verbessern: Gesamtcholesterin, LDL-Cholesterin und Lipoprotein a sinken um sechs bis zwölf Prozent ab, während HDL-Cholesterin um 15 bis 17 Prozent ansteigt. Homocystein, ebenfalls ein unabhängiger Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wird ebenfalls im Normbereich gehalten. Ob sich diese Effekte auch klinisch niederschlagen, untersucht derzeit die RUTH(Raloxifen Use for the HEART)-Studie an 10000 postmenopausalen Frauen mit erhöhten KHK-Risiko.
STAR: Raloxifen zur Prävention des Mammakarzinoms?
Raloxifen könnte sich wegen seiner östrogenantagonistischen Eigenschaften ähnlich wie Tamoxifen aber auch zur Therapie und Prävention des Mammakarzinoms eignen. Bereits in der MORE-Studie senkte Raloxifen das Mammakarzinomrisiko, insbesondere das Risiko Östrogenrezeptor-positiver Tumore, innerhalb von 40 Monaten um beachtliche 76 Prozent. Langzeiteffekte werden nun in der weiterführenden CORE(Continuing Outcomes Relevant to Evista)-Studie erfasst. Eine vom National Cancer Institute neu aufgelegte Untersuchung, die STAR(Study of Tamoxifen und Raloxifen)-Studie, vergleicht den präventiven Effekt von Tamoxifen und Raloxifen bei 22000 postmenopausalen Frauen mit erhöhtem Mammakarzinomrisiko. Besonderes Augenmerk gilt hier der Wirkung auf das Endometriumgewebe. Während Tamoxifen einer Proliferation und damit Blutungen und Karzinogenese Vorschub leisten kann, verhält sich Raloxifen in diesem Organ eindeutig antagonistisch.
Raloxifen lässt sich als selektiver Östrogenrezeptormodulator bei postmenopausalen Frauen erfolgreich gegen vertebrale Frakturen einsetzen. Doch damit nicht genug. Neue Studien prüfen nun auch den Einsatz in der Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen und Mammakarzinomen.
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