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Mars: Ökopoese oder die Begrünung des Roten Planeten
In etwa zehn Jahren wird ein Marsianer erste Spuren im roten Sand ziehen. Doch bis er seinen Helm abnehmen und in einer lauen Nacht unseren blauen Planeten am Himmel bewundern kann, dauert es dann noch etliche zehntausend Jahre. Denn die fast luftleere Tiefkühltruhe Mars zu beleben, bedarf es gewaltiger Anstrengungen.
Kalt und trocken ist er
Der Luftdruck auf dem Mars ist mit 7 mbar mehr als hundert Mal niedriger als auf der Erde). Die spärliche Atmosphäre besteht fast nur aus CO2, und die Temperatur liegt bei eisigen -63 Grad Celsius. Zwar werden im Sommer am Äquator kurz 20 Grad Celsius erreicht, aber an den Polen herrschen im Marswinter bis zu -140 Grad Celsius. Und Wasser gibt es an der Oberfläche auch keines. Die NASA scheint dennoch entschlossen, den Mars zu erobern. Trotz der Pleiten der letzten Marsmissionen wird der Rote Planet in den nächsten Jahren mit Sonden und Robotern stückchenweise erkundet, um bemannte Missionen vorzubereiten. Ziel ist die Suche nach außerirdischem Leben und die Kolonisierung eines zweiten Planeten. Nach der Inbetriebnahme der Internationalen Raumstation ISS, an der gearbeitet wird, soll damit begonnen werden, die Marswüsten in blühende Landschaften zu verwandeln. Das dazugehörige Fachwort gibt es schon, es heißt Ökopoese oder Terraforming.
Doch in der Tiefe gibt es Wasser
Um eine zweite Welt für den Menschen zu schaffen, muss der Mars zu allererst um mehr als 60 Grad Celsius erwärmt werden. Eine erdähnliche sauerstoffhaltige Atmosphäre soll entstehen, die die Wärmestrahlung der Sonne einfängt und die lebensfeindliche kosmische Strahlung abschirmt. Doch ohne Wasser wären alle Bemühungen von vornherein zum Scheitern verurteilt. Nahezu alle Marsforscher vermuten riesige unterirdische Wasservorräte. Vor zwei oder drei Milliarden Jahren muss der Mars relativ wasserreicher als die Erde gewesen sein. Ein 800 Meter tiefes Meer brandete an die gigantischen Vulkankegel. Der höchste von ihnen, der Mons Olympus, ist mit 26 km auch der höchste Berg des Sonnensystems. Die erloschenen Vulkane sind in einer einzigen Region konzentriert, da es auf dem Mars keine Plattentektonik gibt. Sie spieen in der Frühzeit Millionen Tonnen an Kohlendioxid aus. Die Atmosphäre muss damals dichter und wärmer als die irdische gewesen sein. Heute jedoch ist die Erde ein blühender Planet, während der Mars öd und leer erscheint.
Vulkane unterhielten die Atmosphäre
Dem Mars fehlt ein Magnetfeld. Daher kann der Sonnenwind ungehindert Gase aus seiner Ionosphäre ins All blasen. Die zunehmende Neigung der Marsachse könnte ebenfalls an der Verwüstung beteiligt sein. Entscheidend für den Niedergang war jedoch das Verlöschen der Vulkane. Auf beiden Planeten wusch in der Frühzeit der niederprasselnde Regen permanent Kohlendioxid aus der Atmosphäre, das in den Gesteinen fixiert wurde. Während die Erdkruste noch heute überall aufbricht und CO2 nachliefert - vor allem über den Atlantischen Rücken - erkaltete der Magmaofen des viel kleineren Mars mit der Zeit. Das labile System brach zusammen, da kein CO2 mehr nachgeliefert werden konnte. Mit dem Schwinden der Gashülle kühlte der Mars aus. Durch den fallenden Atmosphärendruck verdampften die Meere ins All oder versickerten im Boden und gefroren zu einem kilometerdicken Eispanzer. Innerhalb von einer Milliarde Jahren wandelte sich das Treibhaus zur Eiswüste.
Neue Atmosphäre durch FCKW
Um dem Planeten einen zweiten Frühling zu bescheren, sollen Chemiefabriken mit angeschlossenem Kernkraftwerk errichtet werden. Denn die eleganteste derzeit vorstellbare Lösung zur Wiederherstellung des Treibhauses ist die Anreicherung der Atmosphäre mit Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW). Ein Gemisch der langlebigen Vertreter CF3Br, C2F6, CF3Cl, CF2Cl2 und von SF6 in einer Konzentration von 10 ppm oder 0,01 mbar genügt nach Berechnungen der Universität Bremen. Das wären allerdings ungeheure Mengen. Um nach 20 Jahren einen FCKW-Partialdruck zu erreichen, der die Temperatur um 5ľC steigen ließe, müssten fast 50 Millionen Tonnen oder stündlich 263 Tonnen produziert werden. Die geschätzten Kosten liegen bei 200 Milliarden DM. Das alleine genügt aber nicht.
Heizen mit H-Bomben...
Der Permafrostboden des Mars braucht eine zusätzliche Heizung, um die großen unterirdischen Vorräte an Wasser und Kohlendioxid freizugeben. Am Nordpol wird Wassereis vermutet, und der Südpol ist im Winter mit einer dicken Schicht gefrorenen Kohlendioxids bedeckt. Auch die Carbonatfelsen des Planeten speichern große Mengen an CO2. Gewalttätige Ideen geistern durch die Welt, um dem Mars diese Schätze zu entreißen. Mehrere tausend im Untergrund versenkte Wasserstoffbomben könnten die Gasvorräte freisetzen. Das nennt sich "nuklearer Bergbau".
...oder mit Kometen...
Eine Alternative ist der "Import ammoniakreicher Objekte". Diese harmlose Floskel meint den Beschuss mit eis- und ammoniakreichen Kometen. Schlüge ein Eisklotz von zehn Mrd. Tonnen Masse auf dem Mars ein, setzte er mit einem Schlag eine Billion Tonnen Wasser frei. Ein Viertel des Planeten wäre ein Meter hoch mit Wasser bedeckt. Der Komet aus dem Asteroidengürtel des Sonnensystem müsste lediglich mit ein paar Nuklearantrieben versehen werden. Aber wehe, das Geschoss trifft dann den blauen Planeten anstatt des roten...
...oder mit Ruß?
Sinnvoller erscheint deshalb der Vorschlag, die Polkappen mit Ruß zu pudern. Der schwarze Strahlungsabsorber könnte die Kappen mit der Zeit abschmelzen. Der Nordpol gibt dann sein Wasser frei, und der Südpol sein CO2, das den Atmosphärendruck um 100 mbar steigen ließe. Die dichter und wärmer werdende Atmosphäre könnte dann auch aus dem Regolith - das ist die obere lockere Sedimentschicht - die Schätze an Wasser, CO2 und vielleicht auch an Stickstoff herausschwitzen.
Stickstoff für die Pflanzen
Auf einem verrußten und in FCKW-Schwaden gehüllten Mars sollten dann die ersten chemolithotrophen Bakterien angesiedelt werden, die Ammoniak synthetisieren, denn ohne Stickstoff lässt sich kein Leben organisieren. Doch genau das ist einer der Flaschenhälse. Falls der Boden keinen zugänglichen Stickstoff enthält, wird der Gehalt in der Atmosphäre wahrscheinlich nur für so viel Biomasse ausreichen, um 40 mbar Sauerstoff freizusetzen. Eine biologische Umwelt verlangt aber mindestens 300 mbar. Es bleibt die Hoffnung, dass in den feuchten Zeiten des Mars große Mengen an Nitriten und Nitraten in den Boden gewaschen worden sind. Auch Schwefel und Kalium gibt es dort ausreichend. Die Mengen an Phosphat sind unbekannt.
Ohne Botanik kein Silur
Sobald die Temperatur steigt, setzt eine positive Rückkopplung ein, da das durch die Wärme freigesetzte CO2 und vor allem der Wasserdampf den Treibhauseffekt verstärken. Nach wenigen Jahrhunderten hätte sich ein für den Menschen erträglicher Luftdruck aufgebaut. Städte unter dichten Zelten könnten entstehen, die die Marsianer mit einfachen Atemgeräten verlassen, um den ersten Pflanzen beim Überleben zuzusehen. Von den Pflanzen hängt der Erfolg des Projektes ab. Denn nur sie können die erforderlichen Mengen an Sauerstoff produzieren. So gab es in der Erdatmosphäre am Ende des Präkambriums vor 570 Mio. Jahren nur 1% O2. Erst als die Pflanzen das Festland eroberten, stieg der Sauerstoffgehalt rasch auf 21%. Das war im Silur vor 440 Mio. Jahren. Wenn die Entwicklung auf dem Mars so weit ist, muss der Sauerstoff auch noch gesichert werden. Denn Verwesung und Oxidation der Biomasse binden wieder einen großen Teil. Große Speicher für organisches Material müssten entstehen. Das ginge wiederum nur in großen Senken, wie den Ozeanen. Ohne Meere auf dem Mars wäre die Ökopoese aussichtslos.
Suche nach fossilem Leben
Etwa im Jahr 2016 soll eine ständig bemannte Station auf dem Mars mit Generatoren zur Stromerzeugung und Anlagen zur Wasser- und Luftgewinnung entstehen. Die Bewohner könnten Kohl anbauen, Hühner halten und systematisch nach originärem Leben auf dem Mars suchen. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist durchaus gegeben, wenn man die feuchte Vergangenheit des Planeten bedenkt. So hat der Regensburger Biologe Kurt Stetter unter 400 Meter dicken Eispanzern in Alaska Pfützen voller Mikroben gefunden. Das sind Bedingungen, wie sie auch auf dem Mars vorliegen könnten.
Ausweichquartier für die Erde
Doch wozu das alles? Glaubt man dem Wiener Geochemiker Christian Köberl, brauchen wir dringend ein Ausweichquartier. Denn die Erde ist massiv von einem gewaltigen Meteoriteneinschlag bedroht. Für den deutschen NASA-Manager Jesco von Puttkamer liegt die Zukunft des Menschen sowieso eindeutig im All. Raumfahrt sei ein ständiger Quell belebender Visionen. Das scheint zumindest für die US-Amerikaner zu stimmen. Der Präsident der "Mars Society" der USA, Robert Zubrin, beschreibt das so: "Kann eine freie, egalitäre, demokratische, innovative Gesellschaft mit einem Geist des Machens erhalten werden, wenn der Raum zum Wachsen verschwunden ist?"
Extremisten für den Mars
- Chroococcocidiopsis sp. Ein primitives Cyanobakterium, das unter außerordentlich ariden und halinen Bedingen sowohl bei hohen als auch niedrigen Temperaturen überleben kann. - Matteia sp. Es ist das einzige bekannte gegen Lyophilisation resistente Cyanobakterium. Der filamentöse Organismus kann N2 fixieren und in einem biogeochemischen Kreislauf auch CO2 freisetzen. - Deinococcus radiodurans Das heterotrophe Bakterium ist durch eine vielschichtige Zellwand, eingelagerte Carotinoid-Pigmente und einen sehr effizienten DNA-Reparaturmechanismus hoch resistent gegen UV- und Gammastrahlung. Es soll die für den Menschen absolut tödliche Energiedosis von 15000 Gray vertragen.
Der Mars im Internet
http://www.marssociety.de Deutsche Marsgesellschaft http://www.nasa.gov/search/ Suchmaschine der NASA http://www.webring.org/ Privater Ring von Interessenten am Mars mit vielen Querverweisen http://www.raumfahrt.de/main.htm Informationen über alles aus dem All http://www.fh-karlsruhe.de/ifs/html/technical/mars/index.html Deutsches Marsprojekt der FH Karlsruhe http://mars.jpl.nasa.gov/ Das Marsprojekt der NASA http://www.astrobio.de/ terraforming.html Das Netzwerk der Astrobiologie
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