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Arzneimittel und Therapie
Colitis ulcerosa: Weniger Glucocorticoide durch Loratadin
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn sind gekennzeichnet durch ihren schubartigen Verlauf. Akute Entzündungsphasen wechseln sich mit Phasen ab, in denen die Patienten relativ beschwerdefrei leben können. Die Ursachen für die chronischen Darmerkrankungen sind noch weitgehend unbekannt. Eine kausale und definitive Therapie ist nicht möglich. Wichtigstes Behandlungsziel ist, die Patienten so schnell wie möglich aus einer akuten Entzündungsphase in die Remission zu bringen und diese so lange wie möglich zu erhalten.
Standardtherapie: Mesalazin und Glucocorticoide
Als Standardtherapie der Colitis ulcerosa gilt heute die Gabe des 5-Aminosalicylsäure-Präparats Mesalazin. Bei einem akuten Schub werden 1,5 bis 2 g pro Tag verabreicht. Diese Dosierung reicht bei leichten Schüben in der Regel aus, um die Entzündung einzudämmen.
Bei schwereren Schüben ist es allerdings nicht möglich, den Patienten alleine durch Gabe von Mesalazin aus der aktiven Entzündungsphase in die Remission zu bringen. Hier sind zusätzliche Glucocorticoidgaben notwendig. Begonnen wird mit 60 mg Prednison oder Prednisolon oral pro Tag, und diese Dosis wird bis zur Erhaltungsdosis von 10 mg/Tag langsam reduziert. Im symptomfreien Intervall wird die Therapie mit Mesalazin (1 g/Tag) fortgesetzt, um die Remission so lange wie möglich zu erhalten.
Histamin spielt bei Entzündungen eine Rolle
Auch wenn die Ursachen der Colitis ulcerosa noch nicht im Detail bekannt sind, liegen über die pathophysiologischen Vorgänge der Entzündung inzwischen eine Reihe von Erkenntnissen vor. Zu diesen Erkenntnissen gehört auch das Wissen um die Beteiligung von Histamin. Man nimmt an, dass bei einem Colitis-Schub so genannte CD4+TH2-Lymphozyten aktiviert werden. Diese regen in der Folge Mastzellen, eosinophile Granulozyten und den Histaminstoffwechsel an. Das dadurch freigesetzte Histamin vermittelt eine Vielzahl proinflammatorischer und immunologischer Effekte im Organismus.
Antihistaminika haben antiinflammatorische Effekte
Die Zusammenhänge zwischen Entzündungsgeschehen und Histaminfreisetzung bedeuten in der Konsequenz, dass Antihistaminika nicht nur über antiallergische, sondern auch über antiinflammatorische Eigenschaften verfügen müssen. In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass Antihistaminika in der Lage sind, Entzündungsmediatoren wie Interleukin 1, Interleukin 6, TNF-alfa und Chemokine zu hemmen.
Der Effekt ist allerdings bei weitem nicht so deutlich ausgeprägt wie der der Glucocorticoide. Dennoch kann er möglicherweise therapeutisch genutzt werden. Eine Untersuchung in diese Richtung wurde vor kurzem an der Medizinischen Klinik der Universität Erlangen durchgeführt.
Pilotstudie mit Loratadin
In einer Pilotstudie wurde bei 17 Patienten mit aktiver Colitis ulcerosa (Aktivitätsgrad > 4 Punkte) ein möglicher antiinflammatorischer Effekt von Loratadin untersucht. Die Studienteilnehmer wurden prospektiv randomisiert und erhielten über einen Zeitraum von sechs Monaten Prednisolon/5-Aminosalicylsäure plus Loratadin oder Prednisolon/5-Aminosalicylsäure plus Plazebo. In beiden Gruppen wurde mit einer Dosis von 60 mg Prednisolon pro Tag begonnen und die Dosis in den folgenden 12 bis 16 Wochen so weit wie möglich verringert. 5-Aminosalicylsäure wurde über den gesamten Studienzeitraum in einer Dosis von 3 g/Tag verabreicht, die Dosis von Loratadin lag bei 10 mg/Tag. Zielkriterien für die Wirkung von Loratadin waren die mittlere kumulative Prednisolondosis im Studienzeitraum und der Verlauf von Krankheitsaktivitätsindex, C-reaktivem Protein, Urin-Methylhistamin und weiteren Laborparametern.
Weniger Glucocorticoide notwendig
Ergebnis der Pilotstudie: Diejenigen Patienten, die zusätzlich Loratadin erhalten hatten, benötigten weniger Prednisolon als die mit Plazebo behandelten Patienten. Die kumulativen Prednisolondosen lagen in der Verumgruppe nach zwei Monaten bei 23,2 mg/kg Körpergewicht, nach vier Monaten bei 26,0 mg/kg KG und nach sechs Monaten bei 28,5 mg/kg KG. In der Plazebogruppe lagen die Dosen im Vergleichszeitraum bei 24,9, 33,7 und 40,8 mg/kg KG. Ein Unterschied in der Krankheitsaktivität konnte zwischen Loratadin-Gruppe und Plazebo-Gruppe nicht beobachtet werden. Der Aktivitätsindex war in der Loratadin-Gruppe lediglich nach dem zweiten Monat geringfügig niedriger als unter Plazebo, ein signifikanter Unterschied war jedoch nicht vorhanden. Auch die Laborparameter waren in beiden Gruppen vergleichbar.
Loratadin bietet nach den vorliegenden Daten also eine Möglichkeit, um bei einem aktiven Colitis-ulcerosa-Schub Glucocorticoide einzusparen. Eine Umrechnung der kumulativen Prednisolondosen auf Tagesdosen ergab eine theoretische Einsparung von 4,7 mg Prednisolon pro Tag unter zusätzlicher Loratadingabe. Dies scheint auf den ersten Blick nicht viel zu sein, kann aber unter Umständen zu einer verbesserten Lebensqualität der Colitis-Patienten beitragen. Nebenwirkungen, die auf Loratadin zurückzuführen gewesen wären, traten in der Studie nicht auf.
In weiteren Studien soll nun untersucht werden, ob durch eine Dosissteigerung von Loratadin auf 20 bis 30 mg/Tag der Glucocorticoidverbrauch weiter gesenkt werden kann.
Quelle: Vortrag von Priv.-Doz. Dr. Martin Raithel im Rahmen des Pressesymposiums "Antihistaminika - verbessern die Lebensqualität", Hamburg, 15. April 2000, veranstaltet von Essex Pharma, München.
Mittel der Wahl bei einem akuten Colitis-ulcerosa-Schub ist die 5-Aminosalicylsäure. Häufig wird sie mit Glucocorticoiden kombiniert, um die Patienten möglichst schnell in die Remission zu bringen. Ein Problem bei der Behandlung sind die corticoidbedingten systemischen Nebenwirkungen. Möglicherweise lässt sich dieses Problem jedoch durch zusätzliche Gabe von Antihistaminika verringern. In einer Pilotstudie mit 17 Colitis-ulcerosa-Patienten führte das Antihistaminikum Loratadin zu einer Einsparung von Prednisolon.
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