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Arzneimittel und Therapie
Europäischer Vergleich: Weniger Gebildete rauchen mehr
In statistischen Untersuchungen einzelner Länder zur Gesundheit wurde schon häufig das Rauchverhalten erfragt und zum gesellschaftlich-wirtschaftlichen Status der Befragten in Beziehung gesetzt. Solche nationalen Studien ergaben in allen untersuchten Ländern klare sozioökonomische Unterschiede im Rauchverhalten. Bislang fehlte ein umfassender internationaler Vergleich.
Zusammenhang zwischen Rauchen und Bildung untersucht
Jetzt wurde der Zusammenhang zwischen Rauchen und Bildung (als Maß für den sozioökonomischen Status) anhand von Daten aus je einer Bevölkerungsbefragung in zwölf europäischen Ländern verglichen. Die zwölf Länder waren Dänemark, Deutschland West, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden, Schweiz und Spanien. Die statistischen Untersuchungen fanden um 1990 (zwischen 1986 und 1994) statt. Sie hatten in der Altersgruppe der 20 bis 74-Jährigen zwischen 4000 (Dänemark) und 37000 Teilnehmer (Italien).
Der Länder-Vergleich erfasste getrennt Männer und Frauen in den Altersgruppen 20- bis 44 und 45 bis 74 Jahre. In diesen vier Gruppen wurden absolute und relative Unterschiede in der Prävalenz des Rauchens abhängig vom Bildungsstand aufgelistet und zwischen den Ländern verglichen. Als niedriger Bildungsstand galt eine abgebrochene oder mit dem Haupt- oder Realschulabschluss beendete Schullaufbahn. Personen mit höherem Bildungsstand (höherer Schulabschluss und/oder Studium) wurden als Vergleichsgruppe herangezogen.
Raucheranteil bei Männern zwischen 32 und 64%
Der Anteil der derzeitigen Raucher lag bei den jungen Männern zwischen 32 und 64%, bei den älteren zwischen 28 und 55%. In den meisten Ländern betrug das relative Risiko für derzeitiges Rauchen über Eins, das heißt, Rauchen war bei den weniger Gebildeten häufiger als bei den Gebildeten. Eine höhere Prävalenz des Rauchens bei niedrigem Bildungsstand fand sich insbesondere bei jungen Männern in Norwegen, Schweden, Großbritannien und Frankreich sowie bei älteren Männern in Norwegen und Großbritannien.
Grundsätzlich war dieser negative Zusammenhang zwischen Bildung und Rauchen bei den Jungen ausgeprägter als bei den Alten. Ein positiver Zusammenhang zwischen Bildung und Rauchen fand sich lediglich in Portugal: Hier lag bei den Jungen wie bei den Alten das relative Risiko unter Eins, das heißt, Rauchen war bei den Gebildeten verbreiteter als bei den weniger Gebildeten.
Frauen rauchen weniger
Im Vergleich zu den Männern rauchten von den Frauen deutlich weniger. Der Anteil derzeitiger Raucherinnen lag bei den jungen Frauen zwischen 9 und 49%, bei den älteren zwischen 1 und 45%. Besonders niedrig war der Anteil bei älteren Frauen in Portugal (1%) und Spanien (4%).
In den meisten Ländern hing die Raucher-Quote bei jungen Frauen ähnlich stark und in gleicher Richtung (negativ) von der Bildung ab wie bei jungen Männern. Ein besonders hohes bildungsabhängiges relatives Risiko für das Rauchen hatten junge Frauen in Norwegen, Schweden und Großbritannien sowie ältere Frauen in Norwegen und Großbritannien.
Allerdings lag anders als bei den Männern in mehreren Ländern das relative Risiko der Frauen für das Rauchen unter Eins, das heißt Rauchen war bei gebildeten Frauen häufiger als bei weniger gebildeten: Dies traf in Spanien und Portugal für alle Frauen und in Italien und Frankreich für ältere Frauen zu.
Weniger Gebildete rauchen mehr
Demnach gilt für viele, aber nicht für alle der untersuchten europäischen Länder (insbesondere in Nordeuropa), dass die Raucher-Quote bei weniger Gebildeten höher ist als bei Gebildeten. In einigen südeuropäischen Ländern ist das Muster jedoch umgekehrt: Die Raucher-Quote liegt bei Gebildeten höher als bei weniger Gebildeten. Dies trifft in Portugal für Männer und Frauen beider Altersgruppen zu. Für Frauen (insbesondere junge) gilt dieser Zusammenhang auch in einigen anderen südeuropäischen Ländern.
Epidemieartige Ausbreitung
Diese Ergebnisse passen zur Hypothese, dass Rauchen sich epidemieartig in vier Stadien ausbreitet:
- Im Stadium 1 ist Rauchen ein außergewöhnliches Verhalten, das sich auf höhere sozioökonomische Klassen beschränkt.
- Im Stadium 2 ist Rauchen weit verbreitet und betrifft alle Bevölkerungsschichten. Bei Männern werden maximale Raucher-Quoten von 50 bis 80% erreicht.
- Im Stadium 3 sinkt die Raucher-Quote bei Männern bereits auf 40%. Insbesondere bessergestellte Männer geben das Rauchen auf. Frauen erreichen im Stadium 3 maximale Raucher-Quoten von 35 bis 45%. Gegen Ende des Stadiums 3 sinkt auch bei Frauen die Raucher-Quote.
- Im Stadium 4 sinkt die Raucher-Quote bei beiden Geschlechtern. Rauchen wird zunehmend eine Gewohnheit der Schlechtergestellten.
Rauchen als Schichtproblem
Demnach kehrt sich im Verlauf der Epidemie der Zusammenhang von sozioökonomischem Status und Rauchen von einem positiven in einen negativen um.
Südeuropäische Länder befinden sich vermutlich im Stadium 2 (Portugal) oder am Anfang von Stadium 3 (Spanien, Italien, Frankreich), nordeuropäische Länder haben bereits das Ende von Stadium 3 oder das Stadium 4 erreicht.
Die sozioökonomischen Unterschiede im Rauchen sind also in der jüngeren Generation ausgeprägter als in der älteren, in Nordeuropa (zur Zeit noch) stärker als in Südeuropa. Die sozioökonomischen Unterschiede bei typischen Raucherkrankheiten, wie koronarer Herzkrankheit oder Lungenkrebs, dürften sich daher in den kommenden Jahren in vielen europäischen Ländern noch verschärfen. In Zukunft sollten Kampagnen gegen das Rauchen verstärkt die unteren sozioökonomischen Schichten ansprechen.
Literatur: Cavelaars, A. E. J. M., et al.: Educational differences in smoking: international comparison. Br. Med. J. 320, 1102-1107 (2000).
In zwölf europäischen Ländern wurde die Abhängigkeit des Rauchens von der Bildung verglichen. Die Analyse zeigt erhebliche internationale Unterschiede zwischen den Ländern: Es herrscht ein Nord-Süd-Gefälle mit einem starken negativen Zusammenhang zum Bildungsstand in vielen nordeuropäischen Ländern und – zumindest für Frauen und ältere Männer – einem schwachen negativen oder gar einem positiven Zusammenhang zum Bildungsstand in manchen südeuropäischen Ländern.
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