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Arzneimittel und Therapie
Rhinoviren: Mittel gegen Schnupfen in Sicht?
Ein Schnupfen wird in den meisten Fällen durch humane Rhinoviren (HRV) verursacht. Wahrscheinlich spielen diese Viren auch bei der akuten und chronischen Bronchitis sowie bei weiteren Erkrankungen des Respirationstrakts eine Rolle. Normalerweise verlaufen Infektionen mit einem Rhinovirus mild und sind selbstlimitierend. Bei vorgeschädigten oder immungeschwächten Patienten kann jedoch auch ein banaler Schnupfen ernsthafte Folgen haben. Bislang gibt es keine effektive Therapie einer HRV-Infektion. Die Entwicklung eines Impfstoffes erscheint aufgrund der zahlreichen Serotypen wenig erfolgsversprechend. Auch eine Therapie mit Interferon erwies sich als nicht effektiv.
Gezielte Wirkstoffsuche
In jüngster Zeit wird nun gezielt nach Wirkstoffen gesucht, die selektiv gegen bestimmte virale Proteine gerichtet sind, die bei der HRV-Replikation von Bedeutung sind. Als idealer Angriffspunkt erscheinen hier Proteasen, die von den pathogenen Viren kodiert werden und die eine wichtige Rolle bei der Virusreplikation spielen. Ein solches Prinzip wurde beispielsweise bei der Entwicklung von HIV-Proteasen-Inhibitoren umgesetzt und wird ebenfalls bei der Suche nach HRV-Protease-Hemmern verfolgt.
Virale Proteasen sind für die Virusreplikation verantwortlich
In dem Genom des Rhinovirus liegt die Information für einen Polyprotein-Präkursor. Durch eine mehrfache proteolytische Spaltung dieser viralen Vorstufe werden mindestens zwölf viral strukturierte und nicht strukturierte Proteine gebildet. Die Spaltung des Präkursors erfolgt hauptsächlich durch zwei virale Proteasen, und zwar durch die Proteasen 2A und 3C. Die 2A-Proteasen verursachen die erste Spaltung zwischen den strukturierten und nicht strukturierten Proteinen. Die 3C-Protease ist für die weitere Spaltung verantwortlich. Beide Proteasen sind Cystein-Proteasen, was bei der Entwicklung der entsprechenden Protease-Inhibitoren berücksichtigt werden muss. In den vergangenen Jahren wurden verschiedene antivirale Wirkstoffe entwickelt, die spezifisch die HRV-2A- und 3C-Protease hemmen.
3C-Protease-Inhibitoren mit Peptidstruktur
Typische peptidische Protease-Inhibitoren bestehen aus Aminosäuren (in der Regel drei oder vier) und einem elektrophilen Molekülteil. Die Aminosäuren fördern die Bindungsaffinität des Wirkstoffs an die Protease. Der elektrophile Teil interagiert mit der Thiolgruppe des Cysteins und hemmt somit die Spaltungsaktivität der Protease. Die potentesten peptidischen HRV-Protease-Hemmer sind peptidische Aldehyde und Derivate eines Michael-Akzeptors. Die bislang entwickelten tri- und tetrapeptidischen Aldehyde besitzen eine eher schwache antivirale Aktivität, da sie die 3C-Protease nur reversibel hemmen. Im Gegensatz dazu hemmen peptidische Michael-Akzeptoren aufgrund ihrer sehr stabilen Komplexbildung die 3C-Protease irreversibel.
Zur Gruppe der Michael-Akzeptoren zählt AG-7088, ein Wirkstoff, der bereits vor zwei Jahren in klinischen Studien geprüft wurde und nun in Phase-II-Studien eingesetzt wird. Eine weitere Entwicklung bei den peptidischen 3C-Protease-Inhibitoren sind Azapeptide. Sie alkylieren die Thiolgruppe des Cysteins und hemmen somit die Virusprotease ebenfalls irreversibel.
3C-Protease-Inhibitoren ohne Peptidstruktur
Bei diesen Wirkstoffen handelt es sich um kleine Moleküle mit einer reaktiven Carbonylgruppe. Die reaktive Carbonylgruppe bildet mit dem Cysteinteil der Thiolgruppe der 3C-Protease ein kovalentes Hemithioacetal oder ein Michael-Addukt und hemmt so die virale Protease. Auf dieser Grundlage wurden bislang mehrere 3C-Protease-Hemmer synthetisiert, beispielsweise Beta-Lactame, Isatine und Homophthalimide.
2A-Protease-Inhibitoren
Der Entwicklung und Synthese von 2A-Protease-Hemmern wurde bislang wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Jüngste Untersuchungen weisen darauf hin, dass Homophthalimide, die ursprünglich als 3C-Protease-Inhibitoren konzipiert worden waren, auch die virale 2A-Protease hemmen können. Um die antivirale Kapazität dieser Wirkstoffe genauer einschätzen zu können, sind weitere Studien erforderlich.
Literatur: May Wang, Q.: Design of rhinovirus protease inhibitors for the treatment of the common cold. Drugs of the Future 25, 279–286 (2000).
"Ein Schnupfen dauert mit Medikamenten sieben Tage und ohne Therapie eine Woche." Diese Aussage wird möglicherweise dank der Entwicklung spezifischer Protease-Inhibitoren bald nicht mehr zutreffen. Der Protease-Hemmer AG-7088 befindet sich bereits in einer Phase-II-Studie.
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