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Arzneimittel und Therapie
Hormonsubstitution in den Wechseljahren: Die Risken werden falsch eingeschätzt
In Deutschland ist die mittlere Lebenserwartung für Frauen auf 80,3 Jahren angestiegen. Somit stellen die Wechseljahre eine lange biologische Phase dar, in der es durch Östrogenmangel zu einer Fülle von Symptomen und Beschwerden kommt. Vielen Frauen fällt es schwer, die Wechseljahre im positiven Sinne als Aufbruch in ein neues weibliches sexuelles Erleben zu begreifen. Ein unregelmäßiger Zyklus, stärkere Blutungen, Schlafstörungen und Abgeschlagenheit als Zeichen für das Abnehmen der Fruchtbarkeit macht viele Frauen ängstlich.
Laut einer aktuellen Emnid-Umfrage bei über 1000 Frauen ist mehr als der Hälfte der Frauen zwischen 40 und 60 Jahren bewusst, dass die Hormonsubstitution während der Wechseljahre die Alterungsvorgänge im weiblichen Körper verzögern kann. Dennoch werden die Risiken, die nach der Menopause drohen, oftmals unterschätzt oder falsch bewertet.
Unterschätztes Risiko: kardiovaskuläre Erkrankungen nach der Menopause
Kardiovaskuläre Erkrankungen sind bei der Frau nach der Menopause weit häufiger als das von vielen gefürchtete Mammakarzinom. Während 46 Prozent der postmenopausalen Frauen eine kardiovaskuläre Erkrankung entwickeln, bekommen zehn Prozent einen Brustkrebs. In drei von vier Fällen führen kardiovaskuläre Erkrankungen zum Tod, aber nur jede dritte Frau mit Brustkrebs stirbt daran. Anhand von Studien konnte gezeigt werden, dass eine Hormonsubstitution das Risiko für den Herzinfarkt um etwa die Hälfte senkt. Folgender Mechanismus greift dabei in das Herzkreislauf-Geschehen ein: Östrogene führen zu einer Senkung des Gesamtcholesterins, zu einer Reduktion des atherogenen LDL und zu einer Steigerung der HDL-Werte.
Gestagene reduzieren das Endometriumkarzinom-Risiko
Endometriumkarzinome treten verstärkt nach der Menopause auf, wenn durch eine nicht mehr vollwertige Gelbkörperfunktion das Östrogen überwiegt und es dadurch zu Hyperplasien des Endometriums kommt. Eine kombinierte Gabe von Östrogenen und Gestagenen reduziert hingegen das Risiko für ein Endometriumkarzinom deutlich: Während es pro 1000 unbehandelten Frauen in 2,5 Fällen zu Gebärmutterschleimhautkrebs kommt, hat eine Frau mit adäquater Östrogen-Gestagen-Therapie nur noch etwa ein Viertel des Risikos einer unbehandelten Frau. Erhält hingegen eine Frau mit noch vorhandener Gebärmutter nur Östrogene, dann erhöht sich das Risiko von 2,5 Fälle pro 1000 Frauen auf 3,9 Fälle pro 1000 Frauen.
Vorbeugung vor osteoporotischen Frakturen
Auch die Osteoporose birgt durch einen möglichen Oberschenkelhalsbruch große Risiken. Jede fünfte Frau stirbt als Folge einer solchen Fraktur, und jede weitere fünfte Frau bleibt nach einer Oberschenkelhalsfraktur pflegebedürftig. Eine langfristige Hormonsubstitution in der Postmenopause senkt die Gefahr einer Osteoporose und beugt somit Frakturen vor. Die Hormone können den zuvor beschleunigten Knochenumbau normalisieren und helfen, Verluste an Knochenmasse zu vermeiden.
Angst vor Brustkrebs
Trotz der aufgeführten Vorteile einer Hormonersatztherapie steht die Angst vor dem Brustkrebs für die Frau zumeist an erster Stelle bei der Nutzen-Risiko-Abwägung einer Hormoneinnahme. In Deutschland ist der Brustkrebs mit etwa 43000 Neuerkrankungen pro Jahr und mit 18 Prozent die häufigste Todesursache bei den Krebserkrankungen der Frau.
Das Risiko für ein Mammakarzinom steigt mit zunehmendem Alter. Zwei Drittel bis vier Fünftel der Brusttumore treten nach der Menopause auf. Während bei einer 30-jährigen Frau das Risiko einen Brustkrebs zu entwickeln bei 1:6000 liegt, verdoppelt sich dieses Risiko innerhalb von fünf Jahren, so dass bei einer 35-jährigen das Risiko für ein Mammakarzinom schon 1:2300 beträgt; eine 50-jährige Frau besitzt ein Risiko von 1 : 590.
Vielzahl von Risikofaktoren
Warum Frauen einen Tumor der Brustdrüse entwickeln, ist unklar. Bekannt sind aber bestimmte Risikofaktoren, die eine Entstehung begünstigen. Familiäre Risikofaktoren erhöhen das Brustkrebsrisiko am deutlichsten: So hat eine Frau mit zwei Verwandten ersten Grades, die an Brustkrebs erkrankt sind, eine Risikoerhöhung mit einem Faktor von vier bis sechs, früher und rascher an einem Mammakarzinom zu erkranken. Auch Faktoren wie eine frühe Menarche und späte Menopause, atypische Mastopathien und Alkoholkonsum erhöhen das Risiko für die Entwicklung eines Tumors der Brustdrüse deutlich.
Diese Faktoren spielen bei der Risikoerhöhung die entscheidende Rolle. Zwar verlängert die Hormonersatztherapie die reproduktive Zeitspanne künstlich durch Erweiterung der Einwirkung von Sexualhormonen und ist somit theoretisch ein Risikofaktor. Aber wie Studien zeigen konnten, ist dieser nur geringfügig.
Leicht erhöhtes Brustkrebsrisiko versus geringere Mortalität
Eine 1997 veröffentlichte Metaanalyse aus 51 Studien mit 80 Prozent der global verfügbaren Daten zeigte, dass es unter einer Hormonsubstitutionstherapie zu einer leichten Zunahme des Brustkrebsrisikos kommt: Bei einer Therapiedauer von zehn Jahren wurde eine Zunahme der Erkrankungshäufigkeit von 45 auf 51 pro 1000 Frauen - also sechs zusätzliche Erkrankungen- beobachtet. Dagegen steht die Beobachtung, dass unabhängig von der Einnahmedauer das Risiko, an diesem Brustkrebs zu sterben, reduziert ist. Die verringerte Mortalität von Frauen unter Hormonersatztherapie könnte darauf zurückzuführen sein, dass auf Grund einer frühen Demaskierung der Tumor früher behandelt werden kann.
Östrogene induzieren keinen Tumor
Nur ein Teil der Tumore der Brustdrüse ist hormonabhängig. Nur rezeptorpositive Karzinome können auf Östrogene mit einem Wachstum reagieren und unter Therapie mit Antiöstrogenen ihr Wachstum verzögern. Östrogene induzieren keinen Tumor, sondern verlagern lediglich ein bereits vorhandenes okkultes Karzinom in seiner Manifestation nach vorne.
Risikoadaptierte Beratung
Gerade der Vergleich der Risiken des Mammakarzinoms und der Herz-Kreislauferkrankungen macht deutlich, dass eine Beratung der Frau in den verschiedenen Stadien der Wechseljahre individuell alters- und risikoadaptiert erfolgen muss. Eine Frau bis zum 45. Lebensjahr kann nicht wegen einer Kardioprotektion zur Hormonersatztherapie geraten werden, da zu diesem Zeitpunkt das Risiko für einen Tumor der Brustdrüse rein rechnerisch doppelt so hoch ist. Hingegen ist das Herzinfarktrisiko einer 65- bis 75-Jährigen mehr als viermal und bei einer 75-Jährigen sogar 13-mal so hoch wie das Brustkrebsrisiko. Liegen keine weiteren Risikofaktoren für ein Mammakarzinom vor, dann ist bei diesen Frauen eine Hormonersatztherapie empfehlenswert.
Individuelle Therapie je nach Lebensumständen
Eine Hormonsubstitution muss sich nach den Lebensgewohnheiten der Frau richten. Raucherinnen, die zehn Jahre lang täglich zehn Zigaretten geraucht haben, kommen im Durchschnitt fünf Jahre früher in die Wechseljahre. Bei der Cholesterolsenkung benötigen Raucherinnen mehr Östrogen, um denselben Effekt zu erzielen wie Nichtraucherinnen. Bei Frauen, die regelmäßig Alkohol genießen, kommt es zu bis zu dreifach höheren Östrogenspiegeln als ohne Alkoholgenuss, so dass es zu übermäßigen Östrogenwirkungen kommen kann. Eine These postuliert, dass Frauen, die regelmäßig Alkohol trinken, auch ein erhöhtes Mammakarzinom-Risiko haben.
Hormonelle Diagnostik als Grundlage einer individuellen Therapie
Da die Symptome in den Wechseljahren (z.B. Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit) unspezifisch sind, können vor allem mit einer hormonellen Diagnostik eindeutige Aussagen über die Ovaralterung gemacht werden. Mit etwa 35 Jahren beginnen die Eierstöcke allmählich kontinuierlich zu altern. Ein Ansteigen des Follikelstimulierenden Hormons (FSH) lässt auf ein Nachlassen der Ovarfunktion schließen. Dieser Zeitraum wird auch als Prämenopause bezeichnet und endet mit der Menopause, der letzten spontanen Menstruation, im Mittel mit 54 Jahren. Zwölf Monate nach der letzten Regelblutung beginnt schließlich die Postmenopause.
In früher Phase zu viel Östrogene
In der frühen Perimenopause (Übergang zwischen Prä- und Postmenopause) kommt es noch nicht unbedingt zu einem Östrogenmangel. Viele Frauen produzieren teilweise zu viel Östrogene. Follikelpersistenzen treten auf, d.h. die Eibläschen springen und platzen nicht, und im Anschluss kommt es zu einer Östrogendurchbruchblutung.
Charakteristisch für diese Phase ist, dass kaum noch oder gar kein Progesteron mehr gebildet wird, was wiederum zur Verkürzung des Zyklus auf bis zu 24 Tage führt. Daher sind in der Perimenopause Vorbehandlungen mit Gestagenen sinnvoll, um Durchbruchblutungen und Zyklusunregelmäßigkeiten günstig zu beeinflussen.
Physiologische Konzeption von Gianda®
Gianda® ist ein Sequenzpräparat mit einem mittleren Hormonprofil, das sich in seiner Wirkweise am weiblichen Zyklus orientiert und eine physiologische Hormonsubstitution bewirkt. Mit Gianda® wird wie im natürlichen Zyklus 14 Tage lang ein Gestagen (Medroxyprogesteronacetat) zugeführt. Dadurch kann eine übermäßige Östrogenproduktion unterbunden und der Zyklus normalisiert werden. Da die Zufuhr an Gestagenen die Eireifung völlig unterbindet (kontrazeptive Wirkung der Minipille), kommt es zu einer Östrogenmangelsituation. In der späten Perimenopause, wenn die Östrogenproduktion abnimmt, muss man Östrogene verabreichen.
Gianda® enthält Estradiolvalerat, welches in der Leber zunächst zu zwei Dritteln Estron umgewandelt wird. Somit wird ein Östrogen-Depot gebildet, aus dem dann wieder Estradiol freigesetzt wird. Bei Gianda® wird nach 26 Tagen Einnahme eine Therapiepause von zwei Tagen eingelegt, in der das Estron weiter verstoffwechselt werden kann, so dass es nicht zu einer Überdosierung von Östrogenen kommt. Das Östrogenniveau ist in der zweiten Hälfte des Zyklus um 25 Prozent höher, das so genannte "step up", welches hilft, Durchbruchblutungen zu verhindern.
Mit Gianda® ist eine symptomorientierte, risikoadaptierte effektive Hormontherapie möglich. Die niedrige Dosierung von 1 bzw. 1,25 mg Estradiolvalerat und 5 mg Medroxyprogesteronacetat reduziert zuverlässig klimakterische Beschwerden, ohne dass es zu einer nennenswerten Gewichtszunahme (nur um 1,3 Prozent) oder zu extremen Wassereinlagerungen kommt. Unter Gianda® kommt es zu einem stabilen Zyklusverhalten, so dass es insbesondere als Einstiegspräparat für die prä- und perimenopausale Frau mit intaktem Uterus und noch bestehenden spontanen Regelblutungen geeignet ist.
Quelle: Prof. Dr. Jürgen Hanker, Trier, Dagmar Schorn, Aachen, Dr. Ulrike Brandenburg, Aachen, Prof. Dr. Heinz G. Bohnet, Hamburg, Pressekonferenz "Wechseljahre und Hormonsubstitution - Der Trend zur Leichtigkeit. Neueinführung bei Grünenthal Gynäkologie: Gianda", Hamburg, 15. September 2000, veranstaltet von Grünenthal, Aachen.
Frauen profitieren von einer Hormonsubstitutionstherapie (HRT) in den Wechseljahren in vielerlei Hinsicht. Nicht nur klimakterische Beschwerden können durch eine individuell angepasste Substitution mit Östrogenen und Gestagenen erfolgreich behandelt werden. Eine adäquate Behandlung mit Hormonen reduziert darüber hinaus das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, für osteoporotische Frakturen oder für das Endometriumkarzinom deutlich. Dennoch wenden zwei Drittel der Frauen in den Wechseljahren keine Hormone an, unter anderem aus Angst vor Brustkrebs. Die anderen praktizieren zwar eine Substitution mit Hormonen, zumeist aber nur in einer Zeit, in der sie schon symptomatisch sind, und dann auch nur für eine kurze Zeit.
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