Arzneimitteluntersuchung

H. Schludi et al.Arzneimittelfälschungen – Hi

Der Selbstmord eines Bodybuilders in Verden an der Aller, der über längere Zeit Anabolika konsumiert hatte, löste bundesweite Ermittlungen aus [1]. Am 16.12.1997 wurden bei 47 Durchsuchungsaktionen im gesamten Bundesgebiet (Schwerpunkt: Deggendorf/Niederbayern) zehn Tatverdächtige festgenommen, die in großem Umfang Wirkstoffe und Fertigprodukte ein- und verkauft hatten, Injektionslösungen in den Niederlanden und Belgien hatten herstellen lassen und Tabletten in Bayern selbst produziert hatten - man spricht in Justizkreisen vom bislang größten illegalen Anabolika-Handel in Europa [2]. Im Rahmen der Ermittlungen erhielten das Sachgebiet Pharmazie bei der Regierung von Niederbayern und das Landesuntersuchungsamt für das Gesundheitswesen Südbayern - Arzneimitteluntersuchungsstelle - den Auftrag, die sichergestellten Geräte und Maschinen zu begutachten bzw. das umfangreiche Probenmaterial zu untersuchen und zu beurteilen.

Herstellung der Anabolika

Injektionslösungen aus den Niederlanden Bei der Auftragsherstellung in den Niederlanden von mindestens 250000 Ampullen (die Kriminalpolizei geht von mehr als 2 Millionen Stück aus) wurde gemäß polizeilicher Erkenntnisse der von den Auftraggebern in Deutschland gelieferte Wirkstoff Nandrolondecanoat zur Fälschung mehrerer Fertigarzneimittel verwendet. Vom holländischen Geschäftspartner wurde der in Auftrag gegebene Wirkstoffgehalt pro Ampulle erheblich reduziert. Ein Angeklagter lieferte vor Gericht die einfache Erklärung für die erheblich reduzierten Wirkstoffgehalte der in den Niederlanden hergestellten Injektionslösungen: "Weil man sonst nichts mehr verdient."

Tabletten aus Mittelfranken Bei den am 16.12.1997 in einer Kellerwohnung in Adelsdorf an der Aisch (Mittelfranken) sichergestellten Geräten und Maschinen (s. Kasten "Bezeichnungsgeflechte") handelte es sich lediglich um eine Minimalausstattung mit gravierenden Mängeln für die Herstellung von Tabletten. Es fehlten u. a. auch wichtige Geräte (z. B. Trockenschränke und Siebe) für eine ordnungsgemäße Tablettenproduktion. Die überwiegend veralteten Geräte entsprachen nicht mehr dem heutigen Qualitätsstandard; sie waren offensichtlich nicht gewartet, aber trotz ihrer erheblichen Mängel betriebsbereit. Um ihre Betriebsbereitschaft zu testen, stellten wir in Anwesenheit der Kriminalbeamten mit dem im Fülltrichter einer Exzenterpresse noch vorhandenen Granulatrest Tabletten her.

Die umfangreichen Ermittlungen erbrachten keinerlei Hinweise auf qualitätssichernde Maßnahmen bei der illegalen Herstellung der Anabolika. Geräte für die chemischen, physikalischen und mikrobiologischen Qualitätsprüfungen der Ausgangs-, Zwischen- und Endprodukte sowie für die zusätzlichen speziellen Prüfungen bei der Herstellung von Tabletten wurden bei den überprüften Asservaten mit Ausnahme eines Tablettenbruchfestigkeitstesters nicht gefunden.

Injektionslösungen aus Niederbayern Eine Eigenherstellung von öligen Injektionslösungen fand offensichtlich auch in Plattling/Niederbayern statt. Bei der polizeilichen Durchsuchungsaktion eines Geschäfts- und Wohnhauses am 14.10.1998 konnte jedoch lediglich festgestellt werden, dass mit der in einem ehemaligen Verkaufsraum vorhandenen apparativen Minimalausstattung (s. Kasten) ein fettes Öl ohne Wirkstoff in Trichterampullen abgefüllt wurde. Die für eine Ampullenabfüllung erforderlichen Voraussetzungen wie Sterilräume, Sterilausrüstung und Ausstattung für Qualitätskontrollen waren nicht gegeben (§ 14 Abs. 1 Nr. 6 AMG, §§ 3 - 6 PharmBetrV).

Untersuchungen des Landesuntersuchungsamtes

Im Rahmen der Ermittlungsverfahren wurden dem Landesuntersuchungsamt für das Gesundheitswesen Südbayern aus der Fülle der beschlagnahmten Waren (u. a. 600 kg Anabolikatabletten als Bulkware, 1,3 Millionen verpackte Anabolikatabletten, 50 000 Ampullen mit Anabolika) 152 Proben zur Untersuchung und Begutachtung vorgelegt. Die Proben waren überwiegend Fertigarzneimittel. Es handelte sich hauptsächlich um Tabletten, Hart- und Weichgelatinekapseln, ölige Injektionslösungen, wässrige Suspensionen in Ampullen und Injektionsfläschchen mit Pulver zur Herstellung von Injektionszubereitungen. Die Tabletten, Hart- und Weichgelatinekapseln waren meist in Blisterstreifen eingesiegelt, die öligen Lösungen in Ampullen oder Injektionsfläschchen abgefüllt. Nach der Kennzeichnung (Umkarton, Etikett, Packungsbeilage, Blisterstreifen, Ampullenbeschriftung) stammten die sichergestellten Fertigarzneimittel aus 16 verschiedenen Ländern (s. Abb. 2).

Analysenmethoden

Für die Untersuchung der Proben wurden die gängigen chromatographischen Techniken eingesetzt: Dünnschichtchromatographie (DC), Gaschromatographie (GC) und Hochdruckflüssigkeitschromatographie (HPLC). Um die Identität der vorgefundenen Wirkstoffe abzusichern, wurden auch die Kopplungstechniken GC/MS und HPLC/MS angewandt.

DC-Screening-Methode auf anabol und androgen wirksame Steroidhormone: - Stationäre Phase: DC-Platten der Fa. Merck mit Kieselgel 60 F 254; 20 x 20 cm - Mobile Phase: Ethylacetat/n-Hexan = 50/50 (V/V) - Auftragevolumen: 2 Mikroliter - Auswertung: 1) mit einer UV-Lampe bei 254 nm 2) Aufnahme der Remissionsspektren der einzelnen Substanzflecke mit einem DC-Scanner (Fa. Shimadzu, CS-9000) 3) Detektion mit einem Sprühreagenz (25% Schwefelsäure in Ethanol); Trocknungsdauer: ca. 10 min bei 120 Grad Celsius auf einer Heizplatte bis zur optimalen Farbentwicklung der Substanzflecke.

HPLC-Methode für die Bestimmung von Steroidhormonen (z. B. Metandienon und Methyltestosteron) in festen Arzneiformen: - HPLC-System der Fa. Merck: Pumpe L-6200A; Diodenarraydetektor L-4500; Autosampler AS-2000A; Datenauswertestation D-6500 - Trennsäule: LiChrospher 100 RP 18; 5 Mikrometer; 250 mm x 4 mm - Mobile Phase: Acetonitril/Wasser = 80/20 (V/V) - Flussrate: 1 ml/min - Injektionsvolumen: 20 Mikroliter - Detektion: Diodenarraydetektor, 244 nm

HPLC-Methode für die Bestimmung von Steroidhormonestern (z. B. Nandrolondecanoat) in öligen Injektionslösungen: - HPLC-System der Fa. Merck: Pumpe L-6200A; Diodenarraydetektor L-4500; Autosampler AS-2000A; Datenauswertestation D-6500 - Trennsäule: LiChrospher Si 60; 5 Mikrometer; 250 mm x 4 mm - Mobile Phase: Isooctan/Isooctan + tert. Butylmethylether = 50/25 + 25 (V/V) - Flussrate: 2 ml/min - Injektionsvolumen: 20 Mikroliter - Detektion: Diodenarraydetektor, 241 nm

HPLC-MS-Bedingungen für die Bestimmung von Steroidhormonestern (z. B. Nandrolondecanoat) in öligen Injektionslösungen: Bei der HPLC-Bestimmung der Steroidhormonester in öligen Injektionslösungen wurde eine HPLC-Trennsäule mit Kieselgel und eine organische mobile Phase verwendet (s. oben). Für eine massenspektrometrische Bestimmung wurde deshalb nach der Trennung mit der HPLC-Trennsäule die Fraktion mit dem Steroidhormonester aufgefangen, die organische mobile Phase entfernt und die Molekularmasse des Steroidhormonesters durch anschließende Direkteinspritzung in das MS-Gerät ermittelt.

MS-Bedingungen: - Gerät: LCQ von ThermoQuest - Probenaufgabe über Spritzenpumpe - Ionisation über ESI-Quelle

HPLC-Methode für die Bestimmung von Clenbuterol in festen Arzneiformen: - HPLC-System der Fa. Merck: Pumpe L-6200A; Diodenarraydetektor L-4500; Autosampler AS-2000A; Datenauswertestation D-6500 - Trennsäule: LiChrospher 60 RP Select B; 5 Mikrometer; 250 mm x 4 mm - Mobile Phase: Acetonitril/0,01 M Natriumacetatpuffer (pH = 3,5) = 30/70 (V/V) - Flussrate: 1 ml/min - Injektionsvolumen: 20 Mikroliter - Detektion: Diodenarraydetektor, 245 nm

GC-Methode für die Bestimmung von Phentermin: - GC-System: Gaschromatograph der Fa. HP, 5890 Series II Plus - Datenauswertestation: Chromeleon der Fa. Gynkotek - Trennkapillare: HP Ultra 2, 5% Phenyl-Methylsilicon; 25 m x 0,32 mm I.D.; 0,52 µm Filmdicke - Temperaturprogramm: 150 Grad Celsius isotherm - Detektortemperatur: 290 Grad Celsius - Injektortemperatur: 280 Grad Celsius - Detektor: FID - Trägergas: Helium

GC-MS-Messbedingungen für Phentermin: - Gerät: Hewlett-Packard HP 5988A/RTE Massenspektrometer mit GC HP 5890 II

GC-Bedingungen: - Trägergas: Helium - Injektor: 240 Grad Celsius, Splitinjektion, 1 Mikroliter, Vordruck 5 psi - Transferline: 220 Grad Celsius - Trennkapillare: HP Ultra 2, 5% Phenyl-Methylsilicon, 25 m x 0,32 mm I.D., 0,52 Mikrometer Filmdicke - Temperaturprogramm: 1 min 70 Grad Celsius, 70 - 180 Grad Celsius, 10 Grad Celsius/min, 2 min 180 Grad Celsius, 180 - 250 Grad Celsius, 40 Grad Celsius/min, 14 min 250 Grad Celsius

MS-Bedingungen: - Scan-Mode: 35 - 350 m/e - Ionenquellentemperatur: 220 Grad Celsius

Analysenergebnisse

Die Proben enthielten im Wesentlichen Steroidhormone mit anaboler und androgener Wirkung, das Beta-Sympathomimetikum Clenbuterol sowie den Appetitzügler Phentermin (s. Tab. 1).

Einige der sichergestellten pulverförmigen Ausgangsstoffe enthielten die Steroidhormone Metandienon und Stanozolol. Außerdem konnten zwei Pulver als Lactose und Magnesiumstearat identifiziert werden - typische Tablettierhilfsstoffe.

Äußerlich sind die Fälschungen von Originalpräparaten kaum zu unterscheiden. Erst durch die Untersuchung der Proben konnten die gefälschten Fertigarzneimittel identifiziert werden. Eine Gesamtübersicht der Untersuchungsbefunde ist in Abbildung 3 wiedergegeben.

Unter den vorgelegten Proben waren auch einige, die unseres Erachtens authentisch sein dürften. Sie enthielten die Wirkstoffe Testosteronundecanoat, Fluoxymesteron, Insulin, Choriongonadotropin, Hydroxyprogesteronenantat, Liothyronin, Ephedrin, Guaifenesin, Pizotifen und Sildenafilcitrat.

Fälschungen mit anderen Wirkstoffen, Wirkstoffgehaltsschwankungen, Plazebopräparate

Tabletten

  • 3 Proben noch unverpackter weißer Tabletten mit der Wirkstoffkombination Metandienon und Methyltestosteron wiesen extrem schwankende Gehalte auf (Metandienon von 0,11 mg bis 5,59 mg/Tablette; Methyltestosteron von 0,13 mg bis 4,0 mg/Tablette);
  • 2 Proben mit der Bezeichnung "Anabol Tablets" wiesen differierende Mindergehalte an Metandienon auf (12% bis 67% des deklarierten Wertes);
  • 5 Proben enthielten Stanozolol von nur durchschnittlich 85% bzw. 30% des deklarierten Wertes;
  • 4 Proben wiesen unterschiedliche Mengen an Clenbuterolhydrochlorid auf, z. T. ca. 118% bis 190% des deklarierten Wertes;
  • 13 Proben enthielten nicht das deklarierte Steroidhormon, sondern waren mit Metandienon, Methyltestosteron, Stanozolol und Nandrolonphenylpropionat verfälscht.

Die auffallend schwankenden Wirkstoffgehalte bei den Tablettenproben (siehe auch Tab. 2) sind unseres Erachtens eindeutig auf gravierende Produktionsmängel zurückzuführen, z. B. Wägefehler, keine homogene Vermischung der Bestandteile und Granulierungsfehler (ungeeignete Korngröße, zu hoher Pulveranteil, ungeeignete Granulatform, zu geringer Fließregulierungsanteil, zu hohe Granulatfeuchtigkeit).

Hartgelatinekapseln Bei dem Fertigarzneimittel mit der Bezeichnung "Ionamin forte" deuteten folgende Untersuchungsergebnisse auf eine Fälschung hin:

  • Beim Wirkstoff Phentermin war ein Mindergehalt von durchschnittlich 13,2 mg/Kapsel (ca. 44% des deklarierten Wertes von 30 mg/Kapsel) festzustellen;
  • die Kapseln der sichergestellten Proben waren mit ockerfarbenen oder schwarzen Resinatkugeln gefüllt; in einem ebenfalls untersuchten Originalerzeugnis waren hingegen graubraune Resinatkügelchen (Abb. 4);
  • bei der Prüfung auf Gleichförmigkeit der Masse einzeldosierter Arzneiformen genügten die Kapseln nicht den Anforderungen des Europäischen Arzneibuches.

Injektionslösungen

  • 13 Proben waren mit Nandrolondecanoat in einer durchschnittlichen Konzentration von ca. 31 mg/ml verfälscht und enthielten nicht das deklarierte Steroidhormon (wie z. B. Drostanolonpropionat 50 mg/ml; Metenolonenantat 100 mg/ml; Testosteronenantat 250 mg/ml). Stichprobenartig wurde auch die Identität des Trägerstoffes in den Ampullen überprüft. Hierbei fiel auf, dass Erdnussöl als fettes Öl verwendet wurde, obwohl Rizinusöl oder Olivenöl deklariert waren.
  • 9 Proben waren mit Methyltestosteron in einer durchschnittlichen Konzentration von 28 mg/ml verfälscht und enthielten nicht das angegebene Steroidhormon (wie z. B. Drostanolonpropionat 50 mg/ml; Trenboloncyclohexylmethylcarbonat 76 mg/1,5 ml).
  • 5 Proben waren mit Testosteronpropionat, Testosteroncipionat oder Nandrolonphenylpropionat verfälscht.
  • In 8 Proben waren weder das in der Kennzeichnung angegebene Steroidhormon noch andere Wirkstoffe nachweisbar, u. a. in den Ampullen, die bei der Ampullenabfüllanlage in Niederbayern sichergestellt wurden.

Weitere Beispiele gefälschter Injektionslösungen sind Tabelle 3 zu entnehmen.

Rechtliche Aspekte

Über das geltende Strafrecht im Zusammenhang mit Doping wurde in dieser Zeitschrift bereits ausführlich berichtet [3]. Die Bewertung des bisher größten Anabolika-Falles nach den seit 11.9.1998 geltenden Bestimmungen des § 6 a Arzneimittelgesetz (AMG) war wegen des Tatzeitraumes (mindestens seit 1993 bis Ende 1997) nicht möglich. Diese Vorschrift regelt das Verbot von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport [4].

Gemäß den Rahmenrichtlinien des Deutschen Sportbundes zur Bekämpfung des Dopings sowie der Dopingdefinition der Medizinischen Kommission des IOC sind die anabol und androgen wirksamen Steroidhormone, der Beta-2-Agonist Clenbuterol sowie das Psychostimulans Phentermin in den verbotenen Wirkstoffgruppen aufgelistet. Die anabol wirksamen Substanzen sind vor, während und außerhalb des Wettkampfes verboten [5, 6].

Abgesehen davon wurde von uns eine Vielzahl der untersuchten Proben beanstandet, d. h. als bedenkliche oder als qualitätsgeminderte, unwirksame und nicht ordnungsgemäß gekennzeichnete Arzneimittel eingestuft (§§ 5, 8, 10, 11 AMG). Auf die weiteren umfangreichen Verstöße gegen die einschlägigen Vorschriften des Arzneimittelgesetzes - z. B. vorsätzliche unerlaubte Herstellung sowie illegaler Import bzw. Vertrieb von nicht zugelassenen verschreibungspflichtigen Arzneimitteln - sei hier lediglich hingewiesen.

Zusammenfassende Bewertung

Die diskutierten Arzneimittel wurden unter konsequenter Missachtung aller einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und Richtlinien (z. B. AMG, PharmBetrV, GMP) hergestellt. In diesen Fällen gibt es keine Arzneimittelsicherheit, und der Verbraucher ist minderer Qualität, Fälschungen und bedenklichen Arzneimitteln schutzlos ausgeliefert [7].

Anhand unserer Untersuchungsergebnisse konnte nachgewiesen werden, dass die Tablettenpräparate im Wesentlichen mit den Wirkstoffen Metandienon, Methyltestosteron, Stanozolol und Clenbuterol gefälscht wurden, wobei die Wirkstoffgehalte in den einzelnen Tabletten stark schwankten. Die Fälschung der Injektionslösungen erfolgte zumeist mit den Steroidhormonen Nandrolondecanoat und Methyltestosteron.

Die im Rahmen der Ermittlungsverfahren eingesandten Proben mit den anabol wirksamen Arzneistoffen werden zur Förderung des Muskelansatzes und zur Leistungssteigerung im Sport (Doping) eingesetzt. Dies ist keine medizinische Indikation. Da die schädlichen Wirkungen vor allem bei der Anwendung als Dopingmittel nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft über ein vertretbares Maß hinausgehen [8, 9], sind diese Proben in Verbindung mit diesem Anwendungszweck u. E. als bedenklich im Sinne von § 5 AMG zu beurteilen.

Die durchgeführten Überprüfungen ermöglichen einen Überblick aus fachlicher Sicht über die Anabolika-Szene. Sie stützen im Wesentlichen die kriminalpolizeilichen Ermittlungsergebnisse von der wissenschaftlichen Seite her. Die zusammenfassende Bewertung bezieht sich ausschließlich auf die sichergestellten Maschinen, Geräte, Verpackungsmaterialien, den Ampullenabfüllraum und die Ergebnisse der Probenuntersuchung.

Ende 1997 begannen im gesamten Bundesgebiet die Ermittlungen gegen eine internationale Gruppe, die einen schwungvollen illegalen Handel mit Anabolika getrieben hatte. Im Rahmen der langwierigen Ermittlungen wurden auch Apotheker von Untersuchungsämtern mit der Aufgabe betraut, die zur illegalen Herstellung verwendeten Geräte und Maschinen zu begutachten sowie das umfangreiche Probenmaterial zu untersuchen und zu beurteilen. Wir berichten über die pharmazeutischen Hintergründe zum Anabolikaprozess von Deggendorf.

"Beziehungsgeflechte" im illegalen Anabolika-Handel

Herstellung und Lagerung

  • Eigene Produktionsstätte für Tabletten in Mittelfranken
  • Eigene Herstellung von öligen Injektionslösungen (Ampullenabfüllungen ohne Wirkstoff) in Niederbayern
  • Auftragsherstellung von öligen Injektionslösungen in den Niederlanden
  • Auftragsherstellung von Verpackungsmaterialien in mehreren Druckereien in Deutschland
  • Zentral- und Auslieferungslager in Niederbayern
  • Mitarbeiter: Lagerverwalter, Verpacker, Kuriere

    Einkauf und Logistik:

  • Einkauf von Wirkstoffen und Fertigprodukten in EU-Staaten (u. a. bei zwei legalen Pharma-Betrieben in Spanien), Osteuropa und Asien (Thailand)
  • Postversand, Luftfracht, Kurierfahrer (Übergabe der Ware an Autobahnraststätten), Speditionen (auch Zwischenlagerung)

    Umfang des Handels:

  • Millionenumsätze
  • Vertrieb nach dem Vorbild des illegalen Drogenhandels
  • Bei den Durchsuchungsaktionen u. a. sichergestellt: 8 Tonnen Ware (Wirkstoffe, Fertigarzneimittel, Verpackungsmaterial) und 6 Luxus-Autos

    Kunden und Verbraucher:

  • Groß- und Zwischenhändler in Deutschland, Belgien, Holland und anderen EU-Staaten,
  • Betreiber von Fitness- und Bodybuilding-Studios,
  • Bodybuilder und Spitzensportler
  • In Plattling sichergestellte Geräte und Maschinen

    Für die Eigenproduktion von Tabletten: Waage, Mischer, Exzenterpressen mit Presswerkzeugen in verschiedenen Formen und Größen, Tablettenentstaubungsgeräte, Abfüllgerät, Verpackungsmaschine (Blisterpackungen)

    Für die Eigenproduktion von Injektionslösungen: Druckbehälter, automatische Füll- und Verschließmaschine für Ampullen, Gasflaschen (Sauerstoff, Stickstoff, Propangas), Etikettiermaschine und Etikettiergerät für Ampullen

    Für die Qualitätskontrollen: Zur Tablettenbruchfestigkeitstester

    Bewertung

    Mangelhafte Ausstattung für die Herstellung von Tabletten und Injektionslösungen:

  • Meist ältere, nicht mehr dem Stand der Technik entsprechende Modelle; kein revisionsfähiger Zustand, u. a. erhebliche Verschmutzungen, Schmiermittelreste und Rostflecken (§ 14 Abs. 1 Nr. 6 AMG, §§ 3, 5 PharmBetrV)
  • Instandhaltung der Geräte und Maschinen nicht erkennbar (§ 3 Abs. 3 PharmBetrV)
  • Keine Ausstattung für qualitätssichernde Maßnahmen (§ 6 PharmBetrV)
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