Arzneimittel und Therapie

Typ-2-Diabetes: Glimepirid – der "bessere" Sulfonylharnstoff

Anwendungsbeobachtungen und Studien deuten auf ein günstiges Wirkprofil von Glimepirid hin, das sich unter anderem in einer Gewichtsneutralität und einem geringen Hypoglykämierisiko widerspiegelt. Diese erwünschten Wirkstoffeigenschaften beruhen möglicherweise auf dem dualen Wirkmechanismus von Glimepirid.

Sulfonylharnstoffe werden seit vielen Jahren in der Therapie des Typ-2-Diabetes eingesetzt. Sie entfalten ihre Wirkung über eine Steigerung der Insulinausschüttung, die zu einer Blutzuckersenkung führt. Diese Eigenschaft weisen alle Sulfonylharnstoffe auf. Verschiedene Beobachtungen deuten darauf hin, dass einige Sulfonylharnstoffe zusätzlich die periphere Glucoseverwertung beeinflussen, d.h. glucosesenkende Effekte aufweisen, welche nicht allein durch eine gesteigerte Insulinsekretion erklärbar sind. Diese Wirkung scheint vor allem bei Glimepirid aufzutreten.

Studie mit insulinresistenten Probanden

Um die therapeutische Bedeutung dieser Beobachtungen abzuklären, wurde an der Medizinischen Klinik der Universität Tübingen, Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel, eine plazebokontrollierte und doppelblinde Cross-over-Studie durchgeführt. Für sie wurden zehn insulinresistente, gesunde Probanden ausgewählt, die randomisiert an zwei Untersuchungstagen entweder eine Plazeboinfusion (0,9%ige Kochsalzlösung) oder lyophylisiertes Glimepirid in therapeutischer Dosierung erhielten. Gleichzeitig wurde bei beiden Untersuchungen Insulin in drei verschiedenen Konzentrationen zugeführt, wobei aber die körpereigene, Glimepirid-induzierte Insulinsekretion unterdrückt wurde (durch Octreotid). Dieser Studienaufbau stellte sicher, dass die gemessenen Effekte unabhängig von einer Verbesserung der Insulinresistenz durch die Blutzuckersenkung per se bestimmt werden konnten. Es wurden folgende Parameter ermittelt: die Insulinsensitivität, der Glucoseumsatz und die Glucoseoxidation. Die Auswertung der Messung zeigte folgende Ergebnisse:

  • Glimepirid führte zu einer signifikant erhöhten Insulinsensitivität (Steigerung um rund 20% im Vergleich zum Plazebo), die hauptsächlich auf einer gesteigerten Glucoseelimination beruht.
  • Der oxidative Glucosestoffwechsel wurde durch die Glimepirid-Infusion nicht beeinflusst.
  • Die Werte für die Plasmaglucose und den Plasmainsulinspiegel unterschieden sich in der Verum- und Plazebogruppe nicht signifikant.

Verbesserte periphere Insulinresistenz

Anhand dieser Studie konnte gezeigt werden, dass Glimepirid neben der bekannten Wirkung eines Sulfonylharnstoffs, d.h. der Steigerung der körpereigenen Insulinproduktion, noch einen weiteren Effekt, d.h. die Verbesserung der peripheren Insulinsensitivität aufweist. Bislang ist allerdings noch nicht geklärt, wohin die verstärkt eliminierte Glucose aufgenommen wird; denkbar wäre eine Aufnahme im Muskel, im Fettgewebe oder sogar in nicht-insulinsensitivem Gewebe. Der zweigleisige Wirkmechanismus bietet möglicherweise eine Erklärung dafür, dass im Vergleich zu anderen Sulfonylharnstoffen unter einer Glimepiridtherapie weniger Hypoglykämien, tiefere Insulinspiegel und eine vorteilhafte Gewichtsentwicklung auftreten.

Gewichtsneutralität

Typ-2-Diabetiker sind häufig übergewichtig und sollten eine Gewichtsreduktion anstreben. Unglücklicherweise führen manche Antidiabetika zu einer Gewichtszunahme. So konnte in der UKPDS (United Kingdom Prospective Study) gezeigt werden, dass eine Insulin- bzw. Glibenclamidtherapie zu einer durchschnittlichen Gewichtszunahme von rund 5 kg führt. Die Gefahr einer Gewichtszunahme scheint indes für Glimepirid nicht gegeben zu sein: In einer österreichischen Studie kam es bei adipösen Patienten unter Studienbedingungen sogar zu einer Gewichtsabnahme; in einer anderen Untersuchung konnte eine Gewichtsneutralität nachgewiesen werden. Zur Zeit befasst sich eine vom Deutschen Diabetes-Forschungsinstitut geleitete, multrizentrische Studie mit den langfristigen Auswirkungen von Glimepirid auf das Körpergewicht.

Glimepirid in der Praxis

Die Auswahl des geeigneten Antidiabetikums erfolgt unter verschiedenen Gesichtspunkten, bei denen unter anderem das Krankheitsbild, die Compliance, sozioökonomische, pragmatische und berufliche Aspekte eine Rolle spielen. Beobachtungen aus einer diabetologischen Schwerpunktpraxis haben gezeigt, dass Hypoglykämien vermieden werden müssen, da diese Erfahrung den Patienten dazu veranlasst, einen "Sicherheitsabstand" einzuhalten, was wiederum eine suboptimale Blutzuckereinstellung nach sich zieht. Die Gefahr einer Hypoglykämie ist bei Insulin und Glibenclamid am ausgeprägtesten. Aufgrund seiner reduzierten Insulinsekretion bei gleicher Blutglucosesenkung führt Glimepirid im Vergleich zu Glibenclamid zu weniger Hypoglykämien, was in verschiedenen Studien nachgewiesen werden konnte.

Im Hinblick auf die blutzuckersenkenden Wirkungen besteht zwischen Metformin, Glibenclamid, Glimepirid und Repaglinid kein wesentlicher Unterschied. Für alle diese Antidiabetika gilt, dass sie in der Regel nicht bis zum obersten Limit eingesetzt werden sollten. Bei einem ungenügenden Ansprechen im mittleren Dosisbereich ist es besser, rechtzeitig mit einer zusätzlichen Insulintherapie zu beginnen.

Gute Compliance für Glimepirid

Als weiteres Kriterium bei der Auswahl des geeigneten Antidiabetikums ist die Compliance zu beachten, die wiederum von unerwünschten Wirkungen und der Einnahmemodalität abhängt. In einer kürzlich durchgeführten Studie konnte für Glimepirid eine überraschend hohe Compliance von 95% (im Vergleich zu Acarbose 63%) nachgewiesen werden. Dabei scheint die gute Verträglichkeit von Glimepirid sowie die einmal tägliche Einnahme eine Rolle zu spielen.

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