- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 51/2000
- Radiosynoviorthese: Mit ...
Arzneimittel und Therapie
Radiosynoviorthese: Mit Strahlentherapie Gelenkzerstörung verhindern
Bei der Radiosynoviorthese wird das entzündete Gelenk lokal von innen mit bestimmten Radio-Nukliden bestrahlt, die Beta-Strahlen aussenden. Ergebnis: Die entzündeten Zellen der Synovialis - in Gang gehalten durch Makrophagen - werden abgetötet, die Gelenkinnenhaut verschorft; dadurch nehmen Schwellungen und Wucherungen ab. Gleichzeitig werden die feinen Kanälchen, aus denen Ergussflüssigkeit ins Gelenk dringt, verschlossen und Nervenendigungen ausgeschaltet. Entsprechend verringert sich der Schmerz, und die Gelenkfunktion verbessert sich. Da die radioaktiven Partikel an der Knorpeloberfläche nicht haften, bleiben der häufig bereits vorgeschädigte Knorpel sowie Knochen verschont.
Untersuchungen in Spezialpraxis
"Bei Rheuma", so erklärt der Kölner Nuklearmediziner, Prof. Gynter Mödder, der 1991 in Köln die erste Spezialpraxis für Radiosynoviorthese eröffnete, "handelt es sich um eine systemische Erkrankung, die deswegen systemisch behandelt werden muss. Die Indikation zur Radiosynoviorthese ist erst nach Ablauf von sechs Monaten Basistherapie gegeben, dann, wenn einzelne Gelenke nicht in den Griff zu bekommen sind und daher zu einer weiteren Eskalation in der systemischen Therapie mit ihren möglichen Nebenwirkungen führen würden."
Mödders Nachuntersuchungen ergaben, dass sich durch die Radiosynoviorthese Schmerzen in 95% der Fälle verringerten bzw. verschwanden, die Gelenkbeweglichkeit sich bei 83% der Patienten verbesserte und die Gelenkschwellungen sich in 82% der Fälle reduzierten.
Alle peripheren Gelenke können behandelt werden
Grundsätzlich können mit der Radiosynoviorthese alle peripheren Gelenke behandelt werden: Schulter, Ellbogen- und Handgelenk, Finger- und Zehengelenke sowie Hüft- und Kniegelenke ("Reizknie", Gonarthrose). Nicht angebracht ist die Radiosynoviorthese im Bereich der Wirbelsäule.
Unter Beleuchtungskontrolle wird das betroffene Gelenk punktiert und in die Gelenkhöhle gezielt eine radioaktive Flüssigkeit injiziert, deren Reichweite nur wenige Millimeter beträgt - Strahlenbelastung müssen also weder Patient noch Arzt fürchten -, auf dieser Strecke jedoch zellzerstörend wirkt.
Therapeutische Zellschädigung
Das Ausmaß der erwünschten therapeutischen Zellschädigungen hängt dabei vom verwendeten Isotop und der Dosis ab: Für Kniegelenke wird Yttrium-90, für mittlere Gelenke wie Schulter-oder Handgelenke Rhenium-186 und für kleine Gelenke (Fingergrund-, mittel- und -endgelenke oder Zehengrundgelenke) Erbium-169 verwendet. Angrenzendes Gewebe wird nicht geschädigt. Nach der Injektion wird das Gelenk kurz bewegt und anschließend für 48 Stunden ruhig gestellt. Der Patient sollte es noch etwa eine Woche lang schonen. Die Besserung tritt im Laufe der nächsten Wochen und Monate ein, eine zweite Behandlung des Gelenkes ist nur in Ausnahmefällen nötig.
Erfolgversprechende Methode
Die Radiosynoviorthese ist keine "neue" Methode in der Rheumatherapie, aber eine sehr erfolgversprechende. Vor allem handelt es sich bei ihr um eine Therapiemöglichkeit für Patienten, die noch unter anderen Problemen leiden und entsprechende Medikamente einnehmen müssen oder bei denen die Entzündungsprozesse nicht gestoppt und die Schmerzen nicht gelindert werden konnten.
Zwar wurden in letzter Zeit mehrere neue Substanzen zur Behandlung von Rheuma zugelassen, doch viele Patienten vertragen diese Medikamente nicht - und manche können sie sich nicht leisten, weil die Kosten nicht von den Kassen getragen werden. Für die Radiosynoviorthese werden die gesamten Kosten von den Kassen übernommen.
Speziell geschulte Mediziner nötig
Warum die Radiosynoviorthese in der Rheumatherapie immer noch relativ selten eingesetzt wird, liegt möglicherweise daran, dass viele sie nicht kennen oder nicht beherrschen. Seit der 1993 in Kraft getretenen "Neufassung der Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin" kann eine Radiosynoviorthese ambulant durchgeführt werden, jedoch nur von einem speziell geschulten Nuklearmediziner und am besten in Zusammenarbeit mit dem behandelnden Rheumatologen, Orthopäden oder Sportmediziner.
Dieser relativ kleine ambulante Eingriff - und das ist ein weiterer Vorteil - kann auch bei inoperablen Patienten - ohne Altersbegrenzung - sowie an mehreren Gelenken gleichzeitig oder in kurzer Abfolge durchgeführt werden. Denn trotz der hohen Wirksamkeit ist das Nebenwirkungsrisiko äußerst gering. In einigen Fällen tritt eine vorübergehende Reizerscheinung durch die synoviale Bestrahlung auf, die der Patient einige Tage lang als Druckgefühl empfindet. Hier hilft externes Kühlen.
Generell gilt: Je früher im Krankheitsverlauf die Radiosynoviorthese eingesetzt wird, desto besser. Sie ist aber auch in fortgeschritteneren Stadien sowie nach Operationen noch sinnvoll.
Mit der Radiosynoviorthese können Schmerzen gelindert und Zerstörungen in den Gelenken gestoppt werden. Diese ambulante nuklearmedizinische Therapie ist besonders erfolgversprechend bei entzündlichen rheumatischen Erkrankungen und aktivierter Arthrose (Osteoarthritis).
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.