Phytotherapie

B. Bär und Mitarbeiter:Wolfstrapp – ein pflan

Der Wolfstrapp oder Wolfsfuß gehört zu den Arzneipflanzen, deren frühere Verwendung bei Schilddrüsenbeschwerden in neuerer Zeit wissenschaftliche Bestätigung gefunden hat. Auch wenn die Pflanze im Vergleich zu anderen Arzneidrogen heute eher noch ein Schattendasein führt, gibt es eine ganze Reihe phytotherapeutischer und homöopathischer Lycopus-Präparationen, die in Konkurrenz zu chemisch-synthetischen Wirkstoffen bei der Therapie leichter Schilddrüsenüberfunktion zur Verfügung stehen.

Namensursprung

Die Bezeichnung Lycopus leitet sich aus dem Griechischen ab, von λυκος = Wolf und πους = Fuß [23] und ist auf die Form der Blätter zurückzuführen, die dem Abdruck einer Wolfspfote ähnelt. Andere Bezeichnungen für den Gemeinen Wolfstrapp sind Wolfsklaue, Uferwolfstrapp, Wasserandorn (Hinweis auf den bevorzugten Standort an Gewässern), Zigeunerkraut (lt. Schneider sollen Zigeuner Kinder mit dem Pflanzensaft braun gefärbt haben [28]) und engl. bitter bugle, bugle-weed, gipsy wort oder water horehoud, für den Virginischen Wolfstrapp Virginischer Wolfsfuß bzw. engl. American archangel, Virginia horehound [5, 23].

Botanik und Vorkommen

Der Gattung Lycopus, die zur Familie der Lamiaceen gehört, werden je nach systematischer Einteilung 10 bis 14 Arten zugeordnet [5]. Der Gemeine Wolfstrapp, Lycopus europaeus L., ist eine bis zu 1 m hohe Staude, die im eurasiatischen Raum, aber auch eingebürgert in Nordamerika und Australien, ziemlich häufig an Ufern von fließenden und stehenden Gewässern, in feuchten Gräben und auf nassen Wiesen anzutreffen ist (s. Abb. 1). Der vierkantige Stengel hat zum Teil abstehende Äste. Die gegenständigen, lanzettlichen Blätter sind kurzgestielt oder sitzend. Sie sind grob- und tief gezähnt, werden 3 bis 8 cm lang und sind zum Teil zerstreut behaart (s. Abb. 2).

Die zahlreichen, quirlartigen Blüten sitzen in den Achseln der oberen Laubblätter. Der Kelch wird zwischen 2,5 und 4 mm lang. Er hat zehn undeutliche Nerven und ist weitglockig. Seine fünf lanzettlichen Zähne sind doppelt so lang wie die Röhre und stechend begrannt. Die zweilippige Krone wird 2 bis 6 mm lang. Die schwach ausgerandete Oberlippe ist weiß, die dreilappige Unterlippe ist weiß mit roten Punkten (s. Abb. 3).

Zwei Staubblätter ragen aus der Kronröhre hervor. Die Pflanze blüht zwischen Juli und September. Verwechslungen können vor allem mit der morphologisch ähnlichen Art Leonorus marrubiastrum L. (Andorn-Löwenschwanz) vorkommen [5, 15]. Die arzneilich genutzte nordamerikanische Verwandte Lycopus virginicus L. unterscheidet sich von L. europaeus dadurch, dass sie vorwiegend auf Wiesen und feuchten Böden vorkommt, insgesamt etwas kleiner ist (bis zu 80 cm), dafür jedoch etwas längere Blätter hat (5 bis 12 cm). Die Blüten sind rein weiß [5].

Monographien und Droge

Sowohl L. europaeus als auch L. virginicus sind im HAB 1 monographiert, L. virginicus ebenfalls im HPUS 95. Von der Kommission E sind beide Arten als Stammpflanzen zur Gewinnung der Droge Lycopi herba (Wolfstrappkraut) zugelassen. Sie empfahl 1990, die kurz vor der Blüte geernteten, frischen oder getrockneten oberirdischen Teile von L. europaeus und/oder L. virginicus zu verwenden [21]. Im Gegensatz hierzu setzt das HAB das blühende Kraut ein. Die Pflanzen stammen aus Wildsammlungen oder aus Kulturen südost- und osteuropäischer Länder [5]. Als Tagesdosis werden 1 bis 2 g der Droge, die einen relativ geringen Anteil an derben Stengelstücken aufweisen sollte, als Teeaufguss empfohlen. Von einem wässrig-ethanolischen Extrakt sollten täglich entsprechend 20 mg Droge eingenommen werden. Seitens der Kommission E wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich bei den Dosierungsangaben nur "um grobe Anhaltspunkte handelt", da "jeder Patient seinen eigenen optimalen Schilddrüsenhormonspiegel besitzt" [21].

Inhaltsstoffe

L. europaeus und L. virginicus unterscheiden sich kaum hinsichtlich ihres Inhaltsstoffspektrums [5, 14]. In einer umfangreichen phytochemischen Untersuchung zu L. europaeus konnte Schilcher bereits im Jahr 1959 zwei Flavonglykoside (Luteolin-7-glucosid, Apigenin-7-glucosid), fünf aromatische Pflanzensäuren (Kaffee-, Chlorogen-, Sinapin-, Ellag- und Urolsäure), Essigsäure, sechs Aminosäuren (Tyrosin, Methionin, Threonin, Asparaginsäure, Phenylalanin und Glutaminsäure), Phosphorsäureester und Fettsäuren, freie Zucker, ätherisches Öl, Gerbstoff, Saponine, Carotin sowie diverse anorganische Stoffe identifizieren bzw. isolieren [27]. Seither haben sich diverse Arbeitskreise mit der phytochemischen Charakterisierung von Wolfstrapp beschäftigt. Folgende Inhaltsstoffgruppen sind bisher bekannt [5]: Hydroxyzimtsäurederivate, Flavonoide, Cumarine, Labiaten-Gerbstoffe, Saponine, Sterole, Di-, Tri- und Tetraterpene, Ätherisches Öl, Alkaloide.

Eigene Untersuchungen

In eigenen Untersuchungen an in der Umgebung Berlins gesammeltem Material wurden detektierbare Mengen folgender Substanzen nachgewiesen:

  • Hydroxyzimtsäure-Derivate: Rosmarinsäure und Lithospermsäure (s. Abb. 4). Es zeigte sich für die Rosmarinsäure ein Konzentrationsgradient folgender Reihenfolge: Blüten >> Blätter im oberen Pflanzenbereich > Blätter im unteren Pflanzenbereich > Sprossachsen im oberen Pflanzenbereich > Sprossachsen im unteren Pflanzenbereich. Die Lithospermsäure lag lediglich in den Blüten in quantifizierbaren Mengen vor (s. Abb. 5). Das Vorhandensein von Chlorogensäure ließ sich anders als bei den Untersuchungen von [14] nicht nachweisen.
  • Flavonglycoside: Apigenin-7-O-β-D-glucosid, Luteolin-7-O-β-D-glucosid und Luteolin-7-O-β-Dglucuronid (s. Abb. 4). Während sich die Verteilung des Luteolin-7-O-β-D-glucuronids in den Pflanzenteilen analog der Rosmarinsäure verhält, liegt Luteolin-7-O-β-D-glucosid analog der Lithospermsäure lediglich im Blütenstand in quantifizierbaren Mengen vor. Apigenin-7-O-β-D-glucosid lässt sich ausschließlich in den Blüten nachweisen.
  • Diterpene: Hussein et al. veröffentlichten jüngst die Isolierung einiger Diterpene vom Pimaran-Typ (s. Abb. 5) [16]. Von diesen vier Substanzen konnten drei im LC-MS-Experiment eindeutig zugeordnet werden (s. Abb. 6).

    Taditionelle Anwendung

    Erwähnt wird die Pflanze L. europaeus sowohl im Altertum als auch im Mittelalter, allerdings ohne Indikation. Im 19. Jahrhundert wurde Wolfstrapp als Fiebermittel eingesetzt, geriet dann aber in Vergessenheit. Die Wirksamkeit der Droge bei dieser Anwendung ist jedoch nicht belegt [23, 28]. L. virginicus wurde eine gute Wirkung als Herztonikum zugeschrieben [5, 23, 28]. Er wurde auch als Mittel gegen Blutungen, insbesondere Nasenbluten und Menorrhagie eingesetzt [29].

    In der Homöopathie wurde die Essenz der frischen, blühenden Pflanze L. virginicus als gutes Mittel bei organischen Herzleiden, Herzneurosen und Morbus Basedow gelobt [5, 23]. Die Erkenntnisse in der Anwendung von Lycopus bei Schilddrüsenerkrankungen festigten sich in den 40er Jahren. Besonders gute Behandlungserfolge wurden bei der Hyperthyreose mit kardialen Begleitsymptomen beschrieben [12, 23]. In dieser Zeit wurde auch die therapeutische Gleichwertigkeit von L. europaeus und L. virginicus "auf Grund zahlreicher vergleichender Untersuchungen und längerer Beobachtungen am Krankenbett" festgestellt [3]. Die antigonadotrope Wirkung wurde erst einige Jahre später nachgewiesen [18, 29].

    Die Schilddrüse

    Die Schilddrüse umschließt die Luftröhre unterhalb des Kehlkopfes halbkreisförmig von ventral. Mit einer Durchblutungsrate von 5 ml Blut/g/min gehört sie zu den stark durchbluteten Organen. Sie ist Bestandteil eines hormonellen Regelkreislaufes. Das Thyreoidea-stimulierende Hormon (TSH, syn. Thyreotropin) ist ein Peptidhormon und wird von den β-Zellen des Hypophysenvorderlappens sezerniert.

    Unter Einfluss von TSH wird die Schilddrüse zur Iodaufnahme und zum Einbau in Thyreoglobulin sowie zur Hormonsynthese stimuliert. Mittels aktivem Transport gelangt anorganisches Iodid aus dem Blut bzw. Extrazellularraum in die Zelle (Iodination). In Gegenwart von H2O2 oxidiert eine Peroxidase das Iodid zu elementarem Iod (Iodisation). Unter Bildung von Mono- und Diiodtyrosinresten werden Tyrosinreste des Thyreoglobulins iodiert und durch Transaminasen, Tautomerasen und Peroxidasen unter Freisetzung jeweils eines Alaninrestes zu Triiodthyronin (T3) bzw. Tetraiodthyronin (Thyroxin, T4) oxidativ kondensiert (Kupplung). T3, T4 sowie die Mono- und Diiodtyrosinreste werden am Thyreoglobulin, gebunden im Kolloid der Schilddrüse, gespeichert.

    Das Thyreoglobulin wird durch Endozytose von Kolloidtröpfchenin die Schilddrüsenzelle aufgenommen. Unter normalen Bedingungen werden pro Tag bis zu 8 µg T3 und etwa 90 µg T4 in die Blutkapillaren sezerniert. Die mittlere Serumkonzentration von T4 beträgt 75 bis 105 nmol/l (6 bis 8 µg/100 ml), von T3 1,5 bis 2,3 nmol/l (100 bis 150 ng/100 ml). Der überwiegende Teil des 3- bis 5-mal wirksameren, peripher zirkulierenden Hormons T3 entsteht durch Konversion aus dem schwach wirkenden Prohormon T4. Hohe T3-Blutspiegel hemmen (indirekt) die TSH-Ausschüttung, niedrige wirken stimulierend (negative Rückkopplung) (s. Abb. 7).

    Hyperthyreose

    Bei einer Überfunktion der Schilddrüse sind Produktion und Sekretion der Schilddrüsenhormone gesteigert. Dies führt zu krankhaften Auswirkungen auf den gesamten Organismus. Die Symptome sind mannigfaltig (s. Kasten). Frauen zwischen 35 und 50 Jahren sind prädestiniert. Dennoch ist die Symptomatik nicht immer voll ausgeprägt. Bei den mono- und oligosymptomatischen Formen, die mit zunehmendem Alter vermehrt auftreten, wird die Diagnose oft spät gestellt, gerade bei fehlender Struma [9]. Es sind verschiedene Ursachen bekannt, die nicht unbedingt kausal behandelbar sind.

    Kastentext: Symptome der Hyperthyreose

  • Tachykardie
  • Psychische und motorische Unruhe
  • Schlaflosigkeit
  • Feinschlägiger Tremor
  • Gesteigerte Reflexe
  • Schweißausbrüche
  • Durchfälle
  • Erbrechen
  • Gewichtsabnahme trotz Heißhunger
  • Haarausfall
  • Muskelschwäche
  • Schnelle Ermüdbarkeit
  • Exophthalmus
  • Struma

    Therapeutische Möglichkeiten zur Behandlung der Hyperthyreose

    Je nach Ätiologie bieten sich unterschiedliche Therapiemöglichkeiten an wie z. B. Thyreostatika, Strumektomie oder Radioiodtherapie [9]. Unter den symptomatischen Therapien hat sich Lycopus-Extrakt im Behandlungskonzept etabliert. Es sind verschiedene allopathische und homöopathische Präparate am Markt erhältlich.

    Lycopus-Fertigarzneimittel

    In Deutschland sind derzeit sieben Phytopharmaka mit Wolfstrappkraut im Handel [1] (siehe Tab. 1). Die vorherrschende Verarbeitungsmethode ist der Auszug des Pflanzenmaterials mit Ethanol/Wasser-Mischungen. Zwei Hersteller verpressen das Kraut direkt, und ein Präparat wird durch Extraktion mit Propylenglycol 20% gefertigt. Verwendet werden die Frischpflanze und die Droge, wobei ein Hersteller dazu leider keine Angaben macht. Es gibt zwei L. virginicus-Fertigarzneimittel, alle anderen enthalten L. europaeus. Mit Ausnahme von zwei Medikamenten handelt es sich um Monopräparate. Empfohlen werden fast alle Mittel bei leichter Hyperthyreose bzw. deren Symptomen und z. T. gegen Mastodynie. Lediglich das Vielstoffpräparat DS Hypericum Mykomplex weicht beim Anwendungsgebiet leicht ab.

    Ein Vergleich der Handelspräparate hinsichtlich der Einzel- und Tagesdosierung an Droge bzw. Frischpflanze ist schwierig, da die Deklarationen oft nicht eindeutig sind. Bei Lösungen, beispielsweise, unterscheidet sich die empfohlene maximale Tropfenzahl pro Tag zum Teil um den Faktor 4. Als Ansatz zum Vergleich der jeweiligen Präparate wurde aus den Angaben zur Zusammensetzung und zur maximalen täglichen Einnahme die maximale Tagesdosis in mg Wolfstrappkrautextrakt errechnet. (Das Gewicht eines Tropfens wurde auf 45 mg geschätzt.)

    Bei den homöopathischen Einzelmitteln wird vor allem der Virginische Wolfstrapp verwendet. Er wird neben einzelnen Präparaten der Firmen Hanosan, Heel und Simicur insbesondere von den Firmen Archea, DHU und Weleda in verschiedenen Potenzen als Dilution, Globuli, Tabletten bzw. Ampullen angeboten. L. europaeus ist nur als Urtinktur von den Firmen Archea, Ceres und DHU erhältlich.

    Auch bei den 74 deutschen Komplexmitteln [1], die Wolfstrapp enthalten, dominiert mit 66 Präparaten der L. virginicus. Das Anwendungsspektrum dieser homöopathischen Mittel ist, bedingt durch die mannigfaltigen Kombinationen, naturgemäß breit gefächert. Die angegebenen Indikationen von Lycopus als Einzelmittel entsprechen jedoch im Wesentlichen dem Symptomenkomplex der Hyperthyreose, obgleich dies zusätzlich mit einer Wirkung auf das vegetative Nervensystem und das Herz begründet wird [8].

    Pharmakologische Eigenschaften von Lycopus

    Wolfstrappkraut zeigt ausgeprägte antigonadotrope und antithyreotrope Eigenschaften. Dabei werden verschiedene Wirkmechanismen diskutiert [4, 19, 20, 32]. Experimentell wurde nachgewiesen, dass sowohl L. europaeus als auch L. virginicus hemmend wirken auf

  • die TSH-vermittelte Stimulierung der Schilddrüse,
  • den Schilddrüsen-Iod-Transport (in vivo),
  • auf die Schilddrüsenhormonsekretion (in vivo),
  • die extrathyreoidale T4-5'-Deiodierung (in vivo).

    Die extrathyreoidale, enzymatische T4-5'-Deiodierung wurde in Rattenlebermikrosomen durch einen wässrigen L. virginicus-Extrakt dosisabhängig inhibiert [4]. Mittels Circular-Dichroismus Spektroskopie konnte gezeigt werden, dass Lycopus-Extrakt die Sekundärstruktur des TSH durch Komplexbildung so verändert, dass die Hormonanbindung an seinen Rezeptor in der Schilddrüsenmembran verhindert wird [11].

    Am Modell männlicher Wistar-Ratten konnte der TSH-inhibierende Effekt von L. europaeus-Extrakt experimentell in vivo nachgewiesen werden. Dazu wurde den Ratten 1 h nach Stimulation der Schilddrüse (10 IE/kg bovines TSH, i. p.) Lycopus-Extrakt injiziert. Die stimulierte Endozytose, die mikroskopisch ermittelte Zahl der Kolloidtröpfchen, mit denen die Schilddrüsenhormone zur Peripherie transportiert werden, wurde deutlich reduziert [10].

    Nach einmaliger peroraler Applikation eines alkoholischen Lycopus-Extraktes (1 g/kg KG) wurde an Ratten eine langandauernde Absenkung der T3-Werte gefunden als Folge einer Hemmung der peripheren T4-Deiodierung. Die TSH- und T4-Spiegel waren 24 Stunden nach Sondierung deutlich erniedrigt [33].

    Der antigonadotrope Effekt von L. virginicus wurde an Ratten als Hemmung des Ovarien- und Hodenwachstums nachgewiesen. Ein Prolactin-hemmender Effekt wurde 6 Stunden nach i. v. Applikation von 40 mg Extrakt gefunden [31, 30]. Als wirksamkeitsmitbestimmende Inhaltsstoffe gelten u. a. Lithospermsäure, Chlorogensäure, Rosmarinsäure, Hydroxyzimtsäure-Derivate und Flavonoide [5, 34].

    Der Einfluss von Lycopus-Extrakt auf den Iod-Metabolismus, der durch die thyreotropen Hormone gesteuert wird, wurde in einer Studie an gesunden Frauen und Hyperthyreose-Patienten untersucht [13]. Als Messgröße diente der Iod-Serumspiegel, der kolorimetrisch bestimmt wurde. Während bei den gesunden Freiwilligen kein Einfluss des Iodspiegels unter Lycopus-Gabe zu verzeichnen war, wurde der anfänglich signifikant niedrigere Serumspiegel bei den Hyperthyreose-Patienten erhöht. Bei Patienten mit vegetativer Dystonie normalisierte sich der Wert unter Lycopus-Gabe.

    Im Rahmen einer Lycopus-Therapie von 30 Patienten wurde festgestellt, dass die 24-Stunden-Speicherung in der Schilddrüse im Radioiodtest unter Lycopus-Therapie (3 x 3 bis 5 Tropfen Thyreogutt®) deutlich herabgesetzt war [26]. Therapeutische Erfolge wurden als Verkleinerung der Struma und Besserung der vegetativen Dystonie verzeichnet.

    Unerwünschte Wirkungen, Anwendungsbeschränkungen

    Lycopus-Extrakt und daraus hergestellte Phytopharmaka sind gut verträglich und nebenwirkungsarm. In den publizierten klinischen Studien ist von keinen Nebenwirkungen berichtet worden [6, 7, 17, 22, 24]. Obwohl keine Interaktionen mit anderen Arzneimitteln bekannt geworden sind [21], sind Wechselwirkungen mit anderen therapeutisch eingenommenen Schilddrüsenhormonen nicht auszuschließen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Durchführung einer Schilddrüsendiagnostik mit radioaktiven Isotopen unter Lycopus-Therapie gestört sein kann.

    Bei langer Anwendung hoher Dosen von Lycopus-Extrakt ist in seltenen Fällen eine Vergrößerung der Schilddrüse möglich. In der ersten Behandlungswoche kann es zu einer Erst-Verschlechterung der subjektiven Symptomatik kommen, die sich bei Fortsetzen der Therapie zurückbildet. Bei einer Unterfunktion der Schilddrüse und einer Schilddrüsenvergrößerung ohne Funktionsstörung (euthyreote Struma) sollte Lycopus nicht eingenommen werden [5].

    Klinische Erfahrungen mit Lycopus

    Verschiedene Therapiebeobachtungen und offene Studien haben die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Lycopus-Präparaten bei leichter Hyperthyreose dargelegt. In einer Publikation von 1954 [17] wird über den Erfolg einer Lycopus-Therapie (3 x 5 Tropfen Thyreogutt®) bei über 100 Patienten mit verschiedenen Schilddrüsenerkrankungen berichtet. 7 von 17 Hyperthyreose-Patienten zeigten nach 12 bis 14 Tagen Behandlung eine deutliche Besserung der subjektiven und objektiven Symptomatik. Eine andere Studie zeigte die Besserung der Symptomatik bei 50 Patienten mit Hyperthyreose und vegetativer Dystonie nach 3- bis 4-wöchiger Lycopus-Therapie (3 x 8 Tropfen Thyreogutt®) [22].

    Über einen Beobachtungszeitraum von mehr als 2 Jahren konnte der Effekt von Lycopus-Extrakt (3x4 bis 5 Tropfen Thyreogutt®) bei 86 Patienten mit Hyperthyreose, vegetativer Dystonie und Morbus Basedow dokumentiert werden. In 80% der Fälle stellten sich Erfolge ein, teilweise bereits nach 8 bis 14 Tagen Behandlung. In einem Fall einer schwangeren Patientin verschwand die Hyperthyreose noch während der Schwangerschaft [7]. Für eine Empfehlung der Anwendung in der Schwangerschaft und Stillzeit ist die Datenlage allerdings noch zu dünn, die Rücksprache mit einem Arzt ist auf jeden Fall angebracht. In einer offenen Studie [6] wurde ein Lycopus-Extrakt-haltiges Präparat (2 x 15 bis 20 Tropfen und 1 Tablette Lycoaktin®) bei über 300 Patienten geprüft, von denen 72 an einer Hyperthyreose litten.

    Die Symptome der Hyperthyreose verbesserten bzw. normalisierten sich unter der Lycopus-Therapie:

  • Schweißausbrüche: 23,1% verbessert, 76,9% normalisiert,
  • Durchfall: 20 bzw. 80%,
  • Haarausfall: 13 bzw. 71%,
  • Innere Unruhe: 12 bzw. 88%,
  • Schlafstörungen: 3,6 bzw. 96,4%,
  • Herzbeschwerden: 3,8 bzw. 92,3%.

    Bei Mastodynie und Mastopathie wurde Lycopus ebenfalls mit Erfolg eingesetzt. 214 von 248 Frauen mit prämenstrueller Mastodynie wurden während einer dreimonatigen Behandlungszeit (3 x 5 Tropfen Thyreogutt®) beschwerdefrei [24]. Über einen Beobachtungszeitraum von 7 Jahren wurden 1380 Patientinnen erfolgreich behandelt, wobei eine kontinuierliche Therapie über mehrere Monate erforderlich war. In der Homöopathie werden Frischpflanzenzubereitungen aus L. europaeus und L. virginicus mit Erfolg als antithyreotropes Heilmittel verwendet. Schon 1943 berichtete Mattausch von Erfolgen bei über 200 Patienten mit "Thyreotoxikosen und hyperthyreotisch Stigmatisierten im Sinne der Basedowoiden Konstitution" [12]. Besonders geschätzt wird Lycopus in der Homöopathie aufgrund seiner Wirkungen bei Herzklopfen, Herzschmerzen und Herzangst [12, 23].

    Zusammenfassung

    In den letzten Jahren sind verschiedene interessante Untersuchungen in den Bereichen Analytik, Pharmakologie und Klinik zu den Arzneipflanzen L. europaeus und L. virginicus durchgeführt worden. Es konnten antigonadotrope und antithyreotrope Wirkungen von Wolfstrappkraut nachgewiesen und diese den phenolischen Inhaltsstoffen zugeordnet werden.

    Klinische Beobachtungen an über 500 hyperthyreotischen Patienten zeigten gute Erfolge von Lycopus enthaltenden Zubereitungen in der Therapie leichter Schilddrüsenüberfunktion und der damit verbundenen Symptomatik. Mit modernen Analysenmethoden konnte in eigenen Untersuchungen die Anreicherung von Rosmarinsäure, Lithospermsäure, Luteolin-7-Oglucuronid, Luteolin-7-O-glucosid sowie Apigenin-7-O-glucosid in den Blüten und oberen Sprossabschnitten gezeigt werden.

    Weiterführende Untersuchungen sollten dazu dienen, die Verteilung der Inhaltsstoffe in einzelnen Pflanzenteilen (morphogenetische Variabilität) und im Verlauf einer Vegetationsperiode (ontogenetische Variabilität) aufzuklären, um Erkenntnisse für den Erntezeitpunkt, die Standardisierung und Wertbestimmung zu erhalten.

    Material und Methoden Lycopus europaeus L. wurde im Juli 1999 nördlich von Berlin gesammelt, schonend getrocknet und in die Bestandteile fraktioniert. Je ein Gramm des entsprechenden Pflanzenteils wurde in 10 mL Methanol 80% (V/V) im Ultraschallbad 30 min extrahiert. HPLC-Anlage: P 4000 Pumpe, UV6000LP Detektor, AS3000 Autosampler und SN 4000 Controller. PC mit ChromQuest-Software, System der Firma Thermo Separation Products Massenspektrometrie: LCQ mit ESI-Interface, Split zur Flussratenreduktion auf 0,1 ml / min Temperatur der Heated Capillary: 115 °C Säule: Hypersil Elite C18; 5 µm: 150 x 4,6 mm Injektionsvolumen: 1 µL Messwellenlängen: bei der Quantifizierung der Rosmarinsäure 330 nm, bei der des Luteolin-7-O-β-D-glucuronids 360 nm Die Zuordnung der Substanzen erfolgte durch Literaturdatenvergleich der UV-Spektren und Absicherung durch LC-MS Experimente (Tab. 2 und Tab. 3).

  • Literatur [1] ABDA Datenbank, Stand Dezember 1999. [2] AMIS-Datenbank, Öffentlicher Teil, BfArM, Stand November 1999. [3] Assmann E: Allg. Hom. Ztg.1950, 195: 54. [4] Auf'mkolk M, Köhrle J, Gumbinger H,Winterhoff H, Hesch RD: Antihormonal effects of plant extracts: iodothyronine deiodinase of rat liver is inhibited by extracts and secondary metabolites of plants. Horm. Metabol. Res. 1984, 16: 188 – 192. [5] Blaschek W, Hänsel R, Keller K, Reichling I, Rimpler H, Schneider G (Hrsg.): Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis, Monographie: Lycopus Band. 5, Suppl., 5. Auflage. Springer, Berlin, Heidelberg, New York 1998: 132 – 145. [6] Braun H: Mehrjährige Erfahrungen mit Lycoaktin. Archiv f. Arzneitherapie 1978, 2: 15 – 54. [7] Deckwirth E: Über die Behandlung der Hyperthyreosen mit einem pflanzlichen Thyreosedativum (Thyreogutt). Ther. Gegenw. 1954, 93 (19): 391 – 393. [8] Deutsche Homöopathie Union (Hrsg.): Homöopathisches Repetitorium. Deutsche Homöopathie Union, Karlsruhe. 1998: 190 – 191. [9] Eickenbusch W: Schilddrüsenüber- und Unterfunktion in der Praxis. Z. Allg. Med. 1979, 55: 132 – 143. [10] Frömbling-Borges A: Intrathyreoidale Wirkung von Lycopus europaeus, Pflanzensäuren, Kaliumiodid und Lithiumchlorid. Z. Phytother. 1990, 11: 1 – 6. [11] Gumbinger HG,Winterhoff H,Wylde R, Sosa A: On the influence of the sugar moiety on the antigonadotropic activity of luteoline glycosides. Planta Med. 1992, 58: 49 – 50. [12] Herz W: Lycopus europaeus - ein wenig bekanntes, homöopathische Arzneimittel. Allg. Hom. Ztg. 1990, 235: 233 – 235. [13] Hiller E, Deglmann H: Der Einfluss von Extrakten aus Lycopus europaeus auf die Iodverteilung im menschlichen Serum. Arzneim.-Forsch. 1955, 8: 465 – 470. [14] Hörhammer L,Wagner H, Schilcher H: Zur Kenntnis der Inhaltsstoffe von Lycopus europaeus. Arzneim.-Forsch. 1962, 12: 1 – 6. [15] www.mz-verlag.de/mz-verlag/Lexikon/Wolfstrapp.htm. [16] Hussein AA, Rodriguez B, Martinez-Alcazar M.d.l.P, Cano F H: Diterpenoids from Lycopus europaeus and Nepeta septemcrenata: Revised Structures and New Isopimaran Derivatives. Tetrahedron. 1999, 55: 7375 – 7388. [17] Kämmerling H: Erfahrungen in der Praxis mit pflanzlichen Wirkstoffen bei der Hyperthyreose und der vegetativen Dystonie. Med. Klinik 1954, 49: 818 – 819. [18] Kartnig T: Lycopus europaeus L. – Wolfsfuß oder Wolfstrapp. Z. Phytother. 1989, 10: 31 – 34. [19] Kemper F, Loeser A, Richter A: Antihormonale Wirkung von Lycopus (Wolfsfuß). Arzneim.-Forsch. 1961, 2: 92 – 94. [20] Kemper F: Neue Ergebnisse zur Hemmung des experimentellen Exophthalmus. Arch. Pharmakol. 1968, 260: 151 – 152. [21] Kommission E: Monographie: Lycopi herba. BAnz Nr. 22 vom 01.02.1990. [22] Lobenhofer G: Klinische Erfahrungen mit Thyreogutt. Med. Wschr. 1953, 51: 1375 – 1376. [23] Madaus G: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Bd. 8, Ravensburg, mediamed verlag, Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1938. 1989: 1807– 1809. [24] Mohr H: Behandlung mit einem Thyreoregulans bei Mastodynie und Mastopathie. Ärztliche Praxis 1969, 71: 3613 [25] Rote Liste (Service GmbH (Hrsg.) Rote Liste ECV Editio Cantor, Aulendorf 1999. [26] Samec V: Die Beeinflussung des Schilddrüsenstoffwechsels und vegetativer Störungen durch Lycopusextrakt Wiener Med. Wschr. 1961, 111: 513 – 516. [27] Schilcher: Zur Kenntnis der Inhaltsstoffe von Lycopus europaeus. Dissertation, Ludwig-Maximilians-Universität München, 1959. [28] Schneider W: Pflanzliche Drogen, Teil 2, Frankfurt, Govi-Verlag, 1974: 278 – 279. [29] Schulz V, Hänsel R: Rationale Phytotherapie, 4. Aufl., Springer 1999: 304 – 307. [30] Sourgens H,Winterhoff H, Gumbinger HG, Kemper F: Effects of Lithospermum officinale and related plants on hypophyseal and thyroid hormones in the rat. Int. J. Crude Drug Res. 1986, 24: 53 – 63. [31] Sourgens H,Winterhoff H, Gumbinger HG, Mendes R, Kemper F: Antihormonal effects of plant extracts on hypophyseal hormones in the rat. Acta Endokrinol. 1980, 94: 49. [32] Winterhoff H: Arzneipflanzen mit endokriner Wirksamkeit. Z. Phytother. 1993, 14: 83 – 94. [33] Winterhoff H, Gumbinger HG, Vahlensieck U, Kemper F, Schmitz H, Behnke B: Endocrine effects of Lycopus europaeus L. following oral application. Arzneim.-Forsch./Drug Res. 1994, 44: 41 – 45. [34] Winterhoff H, Gumbinger HG, Sourgens H: On the Antogonadotropic Activity of Lithospermum and Lycopus Species and Some of their Phenolic Constituents. Planta Med. 1988, 55: 101 – 106.

    Der Wolfstrapp (Lycopus) gehört zu den weniger bekannten Arzneipflanzen. Aufgrund von phenolischen Inhaltsstoffen entfaltet das Kraut bzw. der daraus gewonnene Extrakt antigonadotrope und antithyreoide Wirkungen. Lycopus-Zubereitungen eignen sich daher zur Therapie der leichten Schilddrüsenüberfunktion.

    0 Kommentare

    Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.