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Ulla Schmidt über das Gutachten des Sachverständigenrates zur Gesundheitspolit
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt dankte dem Rat für die geleistete Arbeit und erklärte: "Mit diesem Gutachten werden die zentralen Elemente einer modernen Gesundheitsversorgung wie Prävention, Patientenorientierung und Qualitätssicherung fachlich fundiert und mit innovativen Vorschlägen untermauert. Die mir übergebenen zwei Teile des Gutachtens zeigen schon heute, dass mit der Gesundheitsreform 2000 die gesetzliche Weichenstellung in die richtige Richtung erfolgt ist."
Wie Schmidt ergänzte, zeige das Gutachten aber auch Schwachstellen auf. Dazu gehöre die Feststellung, dass Deutschland trotz des im internationalen Vergleich hohen Ausgabenniveaus unter den Industrienationen innerhalb der OECD-Länder hinsichtlich der Lebenserwartung nur eine hintere Position einnimmt. Der Rat sieht darin nicht nur Hinweise auf erhebliche Mängel in der Struktur und der derzeitigen Mittelverwendung, sondern auch Ansatzpunkte für die Nutzung von Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsreserven. Eine abschließende Beurteilung dazu wird aber erst nach Vorlage des Berichtes zu Über-, Unter- und Fehlversorgungen möglich sein.
Im Gutachten wird nach Ansicht der Bundesgesundheitsministerin durch die ausführliche Aufarbeitung der Methoden und Instrumente der Qualitätssicherung die konsequente Durchdringung der medizinischen Versorgung mit Maßnahmen der effektiven Qualitätssicherung unterstrichen. Die rechtlichen Voraussetzungen seien mit dem Gesundheitsreformgesetz 2000 geschaffen worden. Sie werde bei der Selbstverwaltung auf eine konzertierte Umsetzungsstrategie der noch offenen Aufgaben hinwirken.
Mehr Eigenverantwortung, mehr Prävention
Die Forderung des Rates nach mehr Informationen, besserer Aufklärung und vor allem größerer Transparenz für die Patientinnen und Patienten unterstütze sie sehr, so Schmidt, denn dies sei Voraussetzung für eine aktive, eigenverantwortliche Mitgestaltung der Patientinnen und Patienten.
Ebenso wie der Rat teile sie die Auffassung, dass die Prävention auch im Rahmen der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen eine wichtige Rolle spiele. Gerade bei älteren Menschen bestünden noch erhebliche Präventionspotenziale. Angebote für die ältere Generation seien hier gezielt zu entwickeln. Auf die soziale Ungleichheit von Gesundheitschancen, die nach wie vor groß sei, müsse mit abgestimmten Konzepten durch die Krankenkassen zur aktiven Primärprävention reagiert werden. Die Möglichkeiten seien mit der Neufassung des § 20 im SGB V geschaffen worden.
Die Bundesregierung habe mit der Gesundheitsreform 2000 die Einführung der diagnosebezogenen Fallpauschalen als einen wichtigen Beitrag zur Steigerung von Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit beschlossen. Auch der Rat thematisiere die Neuordnung der Krankenhausfinanzierung durch diese Fallpauschalen und gebe wichtige Hinweise zu notwendigen flankierenden Maßnahmen für das neue, ab 2003 einzuführende Entgeltsystem durch eine flächendeckende Qualitätssicherung. Die Bundesgesundheitsministerin wörtlich: "Für mich steht fest, dass das neue Entgeltsystem mit einer verbesserten Qualitätssicherung einhergehen muss. Die Probleme im Gesundheitswesen lassen sich aber nur durch gemeinsame, parteien- und interessengruppenübergreifende Bemühungen lösen. Ich möchte die Schlussfolgerungen des Rates zum Anlass nehmen, an die gemeinsame Verantwortung von allen Beteiligten zu appellieren, um die bereits begonnene sachbezogene Diskussion mit mir im konzentrierten Dialog fortzusetzen."
Reaktionen der Ärzte
Der erste Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Manfred Richter-Reichhelm, wertete das Gutachten des Sachverständigenrates dahin gehend, dass damit die Kritik der KBV an der Budgetierungspolitik bestätigt werde. Mit der Wiedereinführung der sektoralen Budgetierung nach der Bundestagswahl 1998 habe der Gesetzgeber falsche Anreizstrukturen verfestigt und das deutsche Gesundheitswesen in seiner Entwicklung nachhaltig gebremst, so der Vorsitzende. Zur Verbesserung der Versorgungsqualität insbesondere chronisch Kranker und zur Stärkung der Position der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung müssten bedarfsorientierte Vergütungssysteme an die Stelle sektoraler Budgets gesetzt werden.
Einer pauschalen Kritik am deutschen Versorgungssystem trat Richter-Reichhelm jedoch entgegen. Das deutsche Gesundheitswesen weise im internationalen Vergleich eine Qualitätsdimension auf, die es sich zu erhalten lohne. Der OECD-Vergleich eigne sich angesichts seiner methodischen Einschränkung nur begrenzt als Diskussionsgrundlage, da die Gesundheitssysteme in der OECD mit der Landeskultur und den jeweiligen Sozial-, Wirtschafts- und Rechtssystemen verknüpft seien. Eine Vorbildfunktion für Deutschland werde dadurch eingeschränkt.
Thomae: Handlungsbedarf
Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Dr. Dieter Thomae, begrüßte, dass der Sachverständigenrat Vorschläge mache, wie Qualität und Transparenz im deutschen Gesundheitswesen verbessert werden könnten. Dies könne z. B. auch eine notwendige Diskussion beleben. So sei es nach wie vor bedauerlich, so Thomae, dass die Bundesländer nach wie vor eine Novellierung des Medizinstudiums verweigerten, da ihnen die Ausbildung von Medizinern am Krankenbett zu teuer sei. Von Bedeutung für die Qualität der Gesundheitsleistungen sei auch, so der FDP-Politiker, die Forderung nach einer Verbesserung der Weiterbildung der Ärzte. Es sei allerdings fraglich, ob man dies über Zwangsmaßnahmen erreichen könne. Überhaupt hätten sich die Gutachter sehr vom Grundsatz leiten lassen, dass mehr Vorschriften und Kontrollen zu besseren Ergebnissen führten. Nach Auffassung Thomaes komme es dagegen eher darauf an, dass Motivation und Bereitschaft des Einzelnen stimmten.
Forderung nach evidenzbasierter Medizin
Nach Auffassung des Bundesfachverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH) ist - mit Blick auf die Arzneimittelversorgung im ambulanten Bereich - die Forderung nach einer stärker evidenzbasierten Medizin von Bedeutung insofern, als durch entsprechende Leitlinien auch die im Einzelfall erforderliche Arzneimitteltherapie festgeschrieben werden könnte. So sei es zwar keine Frage, dass sich die Arzneimitteltherapie am neuesten Stand der medizinisch-pharmazeutischen Wissenschaften orientiere, es müsse allerdings darüber diskutiert werden, nach welchen objektivierbaren Kriterien, durch welche Gremien und mit welcher Verbindlichkeit die Leitlinien festgelegt würden.
Bemerkenswert sei auch, dass der Vorsitzende des Sachverständigenrats, Professor F. W. Schwartz, kritisiert habe, dass in Deutschland zwar leichte Gesundheitsstörungen mit einem hohem Maß an Komfort durch Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherungen behandelt und erstattet würden, demgegenüber eine zum Teil ungenügende Qualität der Versorgung ernsthaft erkrankter Patienten festzustellen sei. Diese Kritik bestätige die Politik des BAH, die sich für den Erhalt eines bewährten solidarischen Gesundheitssystem einsetze, dabei aber gleichzeitig die Notwendigkeit stärkerer Subsidiarität und Eigenverantwortung einfordere, um die Finanzierbarkeit des Systems zu erhalten.
Der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, der im Rahmen einer umfassenden Analyse zweijährlich Gutachten zur Entwicklung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung erstellt, übergab Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt am 20. März in Berlin zwei Bände seines Gutachtens "Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit". Ein dritter Band zur "Über,- Unter- und Fehlversorgung" folgt im Sommer des Jahres. Ulla Schmidt zum Gutachten: Die Gesundheitsreform stellte die Weichen in die richtige Richtung.
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