Arzneimittel und Therapie

Brustkrebs und orale Kontrazeptiva: Erhöhtes Risiko bei familiärer Vorbelast

Bei Frauen, deren Mutter oder Schwester an einem Mammakarzinom erkrankt sind, erhöht die Einnahme oraler Kontrazeptiva das relative Risiko für eine Brustkrebserkrankung. Zu diesem Schluss kommt eine groß angelegte Kohortenstudie, in der das Brustkrebsrisiko bei unterschiedlichem Verwandtschaftsgrad über zwei Generationen hinweg untersucht wird.

Die Einnahme oraler Kontrazeptiva ist ganz allgemein mit einem leicht erhöhten Brustkrebsrisiko assoziiert. Diese Aussage gilt für eine durchschnittliche Studienpopulation ohne Berücksichtigung bestimmter Risikogruppen. Ob auch ein Zusammenhang zwischen einem erhöhten Brustkrebsrisiko, der Einnahme oraler Kontrazeptiva und einer bestimmten familiären Prädisposition besteht, war bislang unklar. Um diese Frage zu klären, wurde an mehreren Zentren der Universität Minnesota, Minneapolis, eine zwei Generationen umfassende Kohortenstudie durchgeführt.

Kohortenstudie bei zwei Generationen

Als Ausgangspunkt für diese Untersuchung dienten 426 Familien in Minnesota, bei deren weiblichen Familienangehörigen zwischen 1944 und 1952 ein Mammatumor diagnostiziert worden war. Der Werdegang und die Krankengeschichten dieser Familien wurden in den Jahren 1991 bis 1996 weiterverfolgt.

Insgesamt konnten 394 Schwestern und Töchter (Verwandtschaft ersten Grades), 3002 Enkelinnen und Nichten (Verwandtschaft zweiten Grades) und 2754 Frauen, die in die jeweiligen Familien einheirateten (Vergleichsgruppe), ermittelt werden. Neben persönlichen und sozioökonomischen Daten dieser Frauen waren medizinische Daten (Krankengeschichte, Einsetzen der Menarche, Risikofaktoren) sowie die Einnahme oraler Kontrazeptiva (Dauer, Erstbeginn, Zusammensetzung) bekannt. Anhand statistischer Analysen wurde das relative Brustkrebsrisiko jeder einzelnen Gruppe im Zusammenhang mit der Einnahme oraler Kontrazeptiva ermittelt.

Erhöhtes Risiko für nahe Verwandte

Für die Schwestern und Töchter der betroffenen Frauen, also für Verwandte ersten Grades, war die Einnahme oraler Kontrazeptiva mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko verbunden; das relative Risiko lag hier bei 3,3 (95% Konfidenzintervall 1,6 bis 6,7). Bei Enkelinnen und Nichten war die Einnahme oraler Kontrazeptiva mit keinem erhöhten Brustkrebsrisiko verbunden; das relative Risiko betrug bei ihnen 1,2 (95% Konfidenzintervall 0,8 bis 2,0).

Dasselbe relative Risiko von 1,2 (95% Konfidenzintervall 0,8 bis 1,9) wurde auch für die eingeheirateten Frauen nach einer Einnahme von Ovulationshemmern errechnet. An diesen Ergebnissen änderte auch eine Berücksichtigung möglicher Risikofaktoren, wie Anzahl der Geburten, Alter der Erstgeburt, Eintritt der Menarche und Menopause, Oophorektomie, Rauchverhalten und Ausbildung, nichts.

Das Risiko für nahe Verwandte stieg mit der Anzahl Erkrankter in der Familie: Hatten drei Familienmitglieder ersten Grades einen Brust- oder Ovarialtumor entwickelt, betrug das relative Risiko für die Töchter bzw. Schwestern 4,6 (95% Konfidenzintervall 2,0 bis 10,7); bei fünf oder mehr Betroffenen stieg das relative Risiko auf 11,4 (95% Konfidenzintervall 2,3 bis 56,4).

Das erhöhte Brustkrebsrisiko für die Verwandten ersten Grades war am offensichtlichsten bei einer Einnahme oraler Kontrazeptiva vor oder bis 1975, als die Ovulationshemmer noch relativ hoch dosiert waren. Ob das Brustkrebsrisiko auch nach der Einnahme niedrig dosierter Ovulationshemmer erhöht ist, müssen weitere Studien zeigen.

Kastentext: Eine Antwort - neue Fragen

In dieser Kohortenstudie konnte gezeigt werden, dass Frauen, bei deren Mutter oder Schwester ein Mammakarzinom diagnostiziert worden war, ihr Brustkrebsrisiko durch die Einnahme oraler Kontrazeptiva erhöhen.

Sollen diese Frauen nun auf die Pille verzichten? Diese Frage ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht eindeutig zu beantworten. Zum einen ist noch nicht bekannt, ob bei ihnen niedrig dosierte Ovulationshemmer ebenfalls das Brustkrebsrisiko erhöhen. Zum anderen ist nicht bekannt, ob das Risiko nur dann erhöht ist, wenn BRCA1- oder BRCA2-Mutationen vorliegen. Ferner darf nicht übersehen werden, dass Ovulationshemmer wiederum das Risiko für einen Ovarialtumor senken. Das bedeutet, dass die Entscheidung - Pille ja oder nein - in diesen Fällen nur sehr individuell und unter Berücksichtigung weiterer Risikofaktoren getroffen werden kann.

Literatur: Grabrick, D., et al.: Risk of breast cancer with oral contraceptives use in women with a family history of breast cancer. J. Am. Med. Assoc. 284, 1791-1798 (2000). Burke, W.: Oral contraceptives and breast cancer. A note of caution for high-risk women. J. Am. Med. Assoc. 284, 1837-1838 (2000).

Für Frauen, deren Mutter oder Schwester an einem Mammakarzinom erkrankt sind, erhöht die Einnahme oraler Kontrazeptiva das relative Risiko für eine Brustkrebserkrankung. Zu diesem Schluss kommt eine groß angelegte Kohortenstudie, die das Brustkrebsrisiko bei unterschiedlichem Verwandtschaftsgrad über zwei Generationen hinweg untersuchte.

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