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Arzneimittel und Therapie
Zytostatika: Pegylierte Liposomen schützen vor unerwünschten Wirkungen
Das neue Präparat Caelyx® ist eine pegylierte liposomale Formulierung. Bei der liposomalen Verkapselung bestimmt die Affinität des Wirkstoffs, an welcher Stelle im Liposom er sich anreichert. Eine lipophile Substanz würde sich in der Phospholipid-Doppelschicht wiederfinden, während das wasserlösliche Doxorubicin im hydrophilen Kern gespeichert wird.
Galenische Tricks beeinflussen die Pharmakokinetik
Das Verhalten arzneistoffhaltiger Liposomen im Körper kann recht zuverlässig über ihre Größe gesteuert werden. Große Teilchen mit einem Durchmesser von über 1 mm werden nach intravenöser Gabe sehr schnell in die Zellen des retikuloendothelialen Systems (RES) der Leber und Milz aufgenommen.
Sehr kleine Liposomen (< 200 nm) hingegen können relativ lange unbeschadet intravasal zirkulieren, ohne in die Zellen des RES aufgenommen zu werden. Die heute gebräuchlichste liposomale Zubereitung ist AmBisone mit dem Wirkstoff Amphotericin B. Das Präparat enthält Liposomen von nur 70 nm Größe.
Eine weitere Verlängerung der Eliminationshalbwertszeit lässt sich durch eine so genannte Pegylierung erreichen. Dabei werden an die hydrophile Hüllschicht des Liposoms mehr oder weniger lange Ketten aus Polyethylenglycol gebunden. Diese Technik der "Stealth liposomes" (listigen Liposome) hat sich schon im Rahmen der Proteintherapie bewährt. Pegylierte Interferone und das PEG-Hirudin haben gegenüber ihren "nackten" Ursprungssubstanzen den Vorteil einer Depotwirkung mit längeren Applikationsintervallen, was zu einer verbesserten Patienten-Compliance führt.
Zytostatika-Liposome für weniger Nebenwirkungen
Lange Zeit war man davon überzeugt, dass schon die die liposomale Wirkstoffeinbettung an sich ein gezieltes Vorgehen gegen den Tumor ohne Streuverluste ermöglichen könnte. Von dieser Idee musste man sich jedoch schon bald verabschieden. Dafür zeigte sich, dass die wirkstoffhaltigen Liposomen sehr wohl zu einer deutlich verbesserten Verträglichkeit der Therapie beitrugen.
Doxorubicin alleine löst in allen Fällen die gefürchtete Alopezie und Emesis aus und ist dazu kardiotoxisch - bei der pegylierten liposomalen Formulierung Caelyx hingegen tritt die Alopezie nur selten auf, Emesis und Kardiotoxizität wurden bis jetzt nicht beobachtet.
"Interne Dauerinfusion" durch Liposome
Die Kardiomyopathie als lebensbedrohende Nebenwirkung der Doxorubicin-Therapie ist weniger von der Dosis als vielmehr von der Darreichungsform abhängig. Den Beobachtungen folgend, kam man von der üblichen Bolusgabe allmählich ab und teilte die hohe monatliche Gesamtdosis auf wöchentliche niedrigere Dosen auf. In einem weiteren Schritt wurde die jeweilige Infusionszeit von 6 Stunden auf 96 Stunden verlängert. Zwar erreichte man dadurch eine wesentliche Erniedrigung der Spitzenplasmakonzentration Cmax und der Kardiotoxizität, aber diese Art der Infusion war praktisch kaum durchführbar.
Tierexperimentelle Daten zeigten, dass sich Liposomen im Tumor umso stärker ansammeln, je länger sie im Blut zirkulieren. Tumore haben ein so genanntes "fenestriertes" Gewebe mit kleinen Lücken, in denen die Liposomen gewissermaßen "hängenbleiben". Einmal im Tumor angelangt, kommt es den Liposomen zugute, dass es dort keine funktionierende Lymphdrainage gibt, wodurch sich gewissermaßen eine "Sackgasse" bildet. Damit die Liposomen aber ihren Wirkstoff erst am Zielort entlassen, darf er möglichst nicht schon auf dem Wege zum Tumor diffundieren. Man erreicht dies durch eine "Überkonzentration", die bei den pegylierten Liposomen von Caelyx zur Gelbildung im Liposom-Innenraum führt.
Messungen der Plasmaspiegel an freiem und liposomgebundenem Doxorubicin nach Caelyx-Gabe zeigten, dass die spezielle Galenik tatsächlich zu extrem langen Eliminationshalbwertszeiten führt. Entgegen den theoretischen Erwartungen wurden jedoch auch relevante Spiegel an freiem Doxorubicin gefunden, die aber im Gegensatz zu konventionellen Präparaten um das 20fache reduziert waren.
Diese Ergebnisse weisen möglicherweise auf zwei Wirkmechanismen der liposomalen Formulierung hin. Neben dem indirekten "Tumor targeting" scheint es den Mechanismus einer Doxorubicin-Dauerinfusion zu geben. Darauf weist auch das Auftreten einer typischen Nebenwirkung von Dauerinfusionen hin, des Palmar-plantar-Syndroms mit Missempfindungen und Brennen der Hand- und Fußflächen.
Geringe Nebenwirkungen bei ambulanter Therapie
Was bringt das neue Caelyx den Patienten? Darüber gab eine Studie an Patientinnen mit Ovarialkarzinom Aufschluss. Goldstandard jeder Therapie des Eierstockkrebses sind Platinpräparate wie Cisplatin oder Carboplatin, meist in Kombination mit Paclitaxel. Mit dieser Primärtherapie wird bei der Mehrzahl der Patientinnen eine klinische Remission erreicht. Dennoch ist die Rezidivrate hoch, und die Mehrzahl der Patientinnen benötigt eine Sekundärtherapie mit Medikamenten, die auch nach einer Platintherapie noch ansprechen.
Trotz größter Anstrengungen wurden dabei in den letzten Jahrzehnten nur geringe Fortschritte erzielt: Bis 1984 betrug die kumulative Remissionsrate 8,4%, und bis heute kann man nur etwa ein Viertel der Patientinnen dauerhaft retten. Vor diesem Hintergrund ist es besonders wichtig, für die Second-line-Therapie Medikamente zur Verfügung zu haben, die nur geringe Nebenwirkungen aufweisen, leicht zu handhaben sind und eine ambulante Therapie erlauben. Nur so erspart man den Patientinnen, welche bestenfalls mit einer Lebensverlängerung, aber nicht mit einer Heilung rechnen können, weitere psychisch und physisch belastende Behandlungszyklen.
481 Patientinnen mit Ovarialkarzinom
In einer großen multizentrischen und randomisierten Phase-III-Studie wurden 481 Patientinnen mit Ovarialkarzinom einbezogen. Man unterschied zwei Untersuchungsarme: den der platinrefraktären Patientinnen (weniger als 6 Monate Zeit bis zum Rezidiv) und den der platinsensiblen (mehr als 6 Monate Zeit bis zum Rezidiv). Beide Gruppen wurden mit dem Zytostatikum Topotecan und Caelyx behandelt. In der ersten Gruppe wurde eine etwas höhere Remissionsrate bei den mit Caelyx Behandelten beobachtet, in der zweiten Gruppe war das Ansprechen unter beiden Medikamenten gleich, dafür aber hatten die Caelyx-Patientinnen eine signifikant verlängerte Überlebenszeit.
Unterschiedliche Nebenwirkungsraten
Als wichtigster Parameter einer Second-line-Therapie war der deutliche Unterschied in der Nebenwirkungsrate zu werten. Während unter Caelyx hauptsächlich das schon beschriebene Hand-Fuß-Syndrom auftrat, rief Topotecan neben den üblichen Effekten wie Emesis und Alopezie vor allem Myelosuppression hervor. Unter Berücksichtigung der Wirkung und der Nebenwirkungen ist Caelyx gut für die Second-line-Behandlung geeignet. Durch seine gute Verträglichkeit bleibt den Patienten eine akzeptable Lebensqualität erhalten.
Quelle: Dr. Hans-Peter Lipp, Tübingen; Dr. Ralf Hilger, Essen; Priv.-Doz. Dr. Andreas du Bois, Wiesbaden; Fachpressegespräch "Listige Liposomen - das trojanische Prinzip der Arzneimitteltechnologie", Frankfurt/M., 27. April 2001, veranstaltet von Essex Pharma, München.
Doxorubicin ist seit langer Zeit ein anerkanntes Zytostatikum und wird bei einer Vielzahl von malignen Erkrankungen eingesetzt. Es gehört zur Gruppe der Anthracycline, die durch Interaktion mit dem Phosphatgerüst von Nukleinsäuren in die DNA-Synthese eingreift. Die gute Wirksamkeit wird allerdings durch eine Reihe schwerwiegender Nebenwirkungen limitiert. Eine neue galenische Formulierung eröffnet nun bessere Möglichkeiten für den Einsatz von Doxorubicin: Das neue Präparat Caelyx® ist eine pegylierte liposomale Formulierung von Doxorubicin mit weniger Nebenwirkungen als herkömmliche Präparate.
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