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- DAZ 24/2001
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Feuilleton
Ausstellung in Innsbruck: Kunst- und Wunderkammer Apotheke
Die Ausstellung gliedert sich thematisch in folgende Schwerpunkte:
- Offizin,
- Materialkammer,
- Laboratorium,
- Apothekentypen,
- Kunstkammer Apotheke,
- Vom kuriosen Blick zum klassifizierenden Blick,
- Abgabegefäße und Signaturen,
- Reiseapotheke,
- Himmlische und magische Heilmittel.
Kuriositäten und Kunst
Schon auf Darstellungen von Apotheken aus dem 16.Jahrhundert sieht man über dem Rezepturtisch fast obligatorisch ein Krokodil an der Decke hängen. Andere kuriose Gegenstände, die die Kunden beeindrucken und ihre Bewunderung erregen sollten, waren z.B. Narwalzähne ("Einhörner") oder Walfischruten. In der Materialkammer bewahrte der Apotheker teils die offizinellen Drogen aus den drei Naturreichen - die Mineralia, Vegetabilia und Animalia - auf, teils sammelte er hier auch Objekte, die sein wissenschaftliches Interesse geweckt hatten. Manche Materialkammer erschien deshalb zugleich als Kuriositäten- oder Wunderkammer. Die Ausstellung zeigt aus diesem Themenbereich insbesondere obsolete mineralische und tierische Drogen wie Terra sigillata, Korallen, Stinz (Skink), Vipernbündel, Bezoar und Menschenhaut. Der hohe Wert der Materialien und Zubereitungen ließ es angebracht erscheinen, sie in repräsentativen Gefäßen zu verwahren. So leistete sich mancher Apotheker des Barock eine Ausstattung, die an Kunstkammern in Fürstenhöfen erinnerte. Allgemein bekannt sind die reich verzierten Töpfe und Kannen aus Fayence für pharmazeutische Zubereitungen. Überaus wertvoll waren auch schon zurzeit ihrer Herstellung die bronzenen Prunkmörser. Besonderheiten von Apotheken des Alpenraums, die in Innsbruck ausgestellt sind, waren Arzneibecher aus Serpentin oder Arzneilöffel aus Steinbockhorn.
Chemie und Botanik
Laboratorien sind bereits im 15.Jahrhundert in Apotheken belegt. Unter dem Einfluss des Paracelsus und der Iatrochemie gewannen "chymische" Präparate neben den traditionellen Galenika an Bedeutung in der Pharmazie. Die Ausstellung zeigt vornehmlich Destilliergeräte des 18.Jahrhunderts, macht aber auch einen Exkurs ins 20.Jahrhundert, indem sie die Pionierarbeit würdigt, die die an der Universität Innsbruck tätige Chemikerin Erika Cremer (1900-1996) für die Entwicklung der Gaschromatographie geleistet hat. Neben den Arzneibüchern nahmen in der Bibliothek eines Apothekers auch die Kräuterbücher einen bevorzugten Platz ein. Bei den Kräuterbüchern ist zwischen Druckwerken ("Herbarium") und selbst angelegten Herbarien ("Herbarium vivum") zu unterscheiden. An die Stelle der therapeutischen Systematik der Pflanzen traten im 18. Jahrhundert die botanischen Systeme. Zur Identifizierung pflanzlicher Drogen kam damals auch die Benutzung von Mikroskopen in Gebrauch, wie die Ausstellung exemplarisch zeigt.
Religion und Aberglaube
Auf die Wirkung der Arznei ist und war nicht immer Verlass. Trost und Hoffnung in erfolglosen Fällen boten die Religion und verschiedene magische Praktiken, wie z.B. das Tragen von Amuletten. Berührungsreliquien wie die Loreto-Mäntelchen wurden auf kranke Körperteile gelegt. Breverl (gefaltete Gebetsbriefe) wurden zusammen mit Amuletten in Stoff- oder Lederbehältnissen am Körper getragen und sollten vor gesundheitsschädlichen Einflüssen schützen. Aus Wachs modellierte Kröten, die bei Unterleibsleiden und gegen Unfruchtbarkeit helfen sollten, wurden als Bitt- oder Dankesgaben zu Gnadenorten gebracht. Die seit dem heidnischen Altertum bekannt-berüchtigte Alraune spielte auch noch im Liebesauber der Neuzeit eine Rolle. Auch zwei Andachtsbilder vom Typ Christus als Apotheker sind in der Innsbrucker Ausstellung zu sehen. Christus steht dort frei in der Offizin oder hinter dem Rezepturtisch und offeriert den Gläubigen Seelenarzneien, die aufgrund der Etiketten sogar zu identifizieren sind. Die Seelenapotheke ist mehr als eine Allegorie, sie erscheint wie die Fortsetzung der pharmazeutischen Tätigkeit auf höherer Ebene und entspringt der Überzeugung, dass Heilung an Leib und Seele zusammen gehören.
Apothekergarten
Im Innenhof des Museums, dem Kreuzgang des ehemaligen Franziskanerklosters, hat das Institut für Botanik der Universität Innsbruck einen Heilpflanzengarten anlegen lassen. Die vier Viertel des Hofs mit je zirka fünfzig Quadratmeter Fläche wurden verschiedenen therapeutischen Indikationen zugeordnet und Mit jeweils neun Heilpflanzen bepflanzt. Es sind:
- Nervöse Beschwerden (z.B. Hypericum, Melissa),
- Atemwegserkrankungen (z.B. Althaea, Thymus),
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schwindel, Frauenkrankheiten und Hautkrankheiten (z.B. Digitalis, Matricaria),
- Magen- und Darmstörungen und Stoffwechselerkrankungen (z.B. Achillea, Artemisia).
Die Flächen, in deren Mitte jeweils eine kegelförmig geschnittene Eibe steht, sind mit niedrigen Buchshecken eingefriedet. Die streng symmetrische Anlage spiegelt so die strenge Gliederung wider, die in alten Klostergärten herrschte. cae
Kastentext
Ort: Tiroler Volkskunstmuseum, Universitätsstraße 2 (neben der Hofkirche), A-6020 Innsbruck, Tel. ++512584302, Fax ++51258430270. Geöffnet: Bis 28. Oktober montags bis samstags 9 bis 17h, sonn- und feiertags 9 bis 12h. Katalog mit Aufsätzen von A. Winkler, M. Kaufmann-Winkler u.a., 146 S., farbig illustriert, 198 ATS; bei Versand nach Deutschland 258 ATS.
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