"Urlaubs-Apotheke" in der Türkei: Der Eczaci braucht kein Rezept!

Millionen Deutsche besuchen jetzt die Strände am Mittelmeer, in den Gassen von Antalya wird mehr Deutsch als Türkisch parliert und die D-Mark hat längst die schwächelnde Türkische Lira als Zahlungsmittel abgelöst. Doch die Deutschen suchen in der Türkei nicht nur Sonne, Strand und freundliche Menschen, sondern auch – Arzneimittel!

Ein lauer Sommerabend in Side, dem Touristen-Mekka an der türkischen Südküste. Die Schaufenster der "Nar"-Apotheke in der Menekse-Gasse Nr. 1/A sind hell erleuchtet. "Hallo Mädels!" lockt ein Plakat, "möchtet ihr Geld sparen?" Wollen sie natürlich: "Anti-Baby- Pillen sind in der Türkei viel günstiger als in Deutschland!" Darunter hängt eine lange Liste von Präparaten: "Marvelon, Lovelle, Triquilar etc..." Apotheker Mustafa Yilmaz sagt stolz: "Die Pille kriegst du bei mir für die Hälfte!" Und 20 Aspirin kosten 1,90 DM Für Antirheumatika brauchst du kein Rezept. Viagra gibt's so. Pharmazie in der Türkei. Mustafa lacht und antwortet in einwandfreiem Deutsch: " Das ist so. Die Deutschen kommen und kaufen wie wild!" Der absolute Hit ist die Pille – die geht an manchen Tagen weg wie knuspriges Kebab.

"Wir sind gut sortiert", stellt der "Eczaci" (Apotheker) Mustafa fest. Nummer zwei auf der Bestenliste sind Schmerzmittel, dann folgen Rheumapräparate und Anabolika. Jawohl: "Deutsche Bodybuilder decken sich hierzulande mit entsprechenden Mitteln ein – kriegst du ohne Rezept bei uns. Ein Paradies für Muskelmänner."

Die Apotheke "Nar" scheint zu florieren. Mustafa , der sechs Jahre in Ankara studiert hat, beschäftigt ein paar Mitarbeiter keinen "Approbierten"), einer davon ist Hilme: "Ich bin so eine Art Apothekenhelfer, ich muss das auch lernen." Die Regale sind voll gestopft mit Medikamentenschachteln, gerade bedient Mustafa einen deutschen Touristen: er will sein bestelltes Arzneimittel abholen. Vieles geht ohne Rezept über den Ladentisch, nur diverse Antibiotika und Herzmittel muss der "Hekim" (Arzt) verschreiben.

Beliebtes Urlaubssouvenir deutscher Türkei-Urlauber ist Viagra, bald wird wohl auch das Konkurrenz-Mittel Ixtense locker in den türkischen "Reise-Apotheken" gehandelt werden. Allerdings: die blauen Rhomben für mehr deutsche Standfestigkeit haben in der Türkei einen ähnlich hohen Preis wie in Deutschland. Das schreckt aber offensichtlich niemanden vom Kauf ab! Mustafa zuckt mit den Schultern: ihm ist das Kaufverhalten der Deutschen gerade recht – die wirtschaftliche Lage der Türken ist mehr als bescheiden, die Lira verliert minütlich an Wert.

Auffällig an den türkischen "eczanesi"(Apotheken) sind eine Art Pillen-Wühltisch am Eingang oder manchmal auch vor der Apotheke: dort werden alle Schachteln ausgestellt, die bei den Deutschen besonders beliebt sind – ohne Inhalt. So können die Touristen in aller Ruhe das jeweilige Angebot studieren und diskutieren. Wie etwa jenes Rentnerpaar, das im Einkaufs- und Vergnügungszetrum "Klein-Side" von Manavgat minutenlang vor mehreren Packungen Voltaren diskutiert: "Mensch, schau mal. Voltaren 50 gibt's hier. Oder soll ich doch gleich die Hunderter nehmen? Iss ja so billig hier. Und ohne Rezept " Ja, weiß Gott nicht einfach, der Medikamentenkauf in der Türkei ...

Und falls das Geschäft mit den Deutschen und ihrer Sehnsucht nach ewiger Gesundheit nicht mehr laufen sollte, so hat "eczaci" Mustafa vorgesorgt: einmal betätigt er sich als Türkei- Vertreter eines deutschen Pharmaherstellers. Und zum anderen gehört ihm noch eine Art Drogerie mit Gewürzecke gleich vis-a-vis seiner Apotheke sowie 20 Meter weiter ein Textilshop für Urlauber: "Valantino butik" heißt der Laden, vor dem ein junger Mitarbeiter Mustafas steht und Kundschaft lockt: "Bei mir nur doppelte Preise!" ruft der Junge lachend, "keine halben Sachen!" Mustafa grinst: "Und immer allerbeste Ware!"