Molekularbiologie

B. UrmoneitGentechnik – Methoden und Werkzeuge

Kaum eine Wissenschaft hat die Phantasie der Öffentlichkeit so stimuliert und wird zurzeit so kontrovers diskutiert wie die Gentechnik. Sie weckt auf der einen Seite Hoffnungen, schürt auf der anderen Seite tiefe Ängste. Wie keine zweite Technik greift sie bereits oder wird in absehbarer Zeit in viele wichtige Lebensbereiche des Menschen eingreifen: Medizin, Fortpflanzung, Ernährung, Landwirtschaft, Umweltschutz, Wirtschaft und Politik. Der Fortschritt dieser Technologie ist rasant, einigen zu rasant. Können doch mit diesem Tempo viele potenziell auftretende Gefahren nicht genügend untersucht werden. Wie Gentechnik funktioniert und welche Werkzeuge und Schutzmaßnahmen sie erfordert, will der folgende Beitrag verdeutlichen.

Was ist Gentechnik?

Die Geburt der Gentechnik erfolgte in den späten 60er- und frühen 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Damals begannen Wissenschaftler eine ganz neue Methodik zu entwickeln, die man heute als Gentechnik oder als DNA-Rekombinationstechnik bezeichnet. Diese Technik umfasst die Summe aller Methoden, die sich mit der Isolierung, Charakterisierung, Vermehrung und Neukombination von Desoxyribonucleinsäure (DNA) auch über Artgrenzen hinweg beschäftigt. Insbesondere wird unter Gentechnik die Isolierung eines Gens aus einem Organismus und seine Vermehrung in einem anderen verstanden.

Auch in der Natur werden genetische Informationen zwischen verschiedenen Arten ausgetauscht. Die Gentechnik greift auf natürliche Verfahren des DNA-Transfers unter Mikroorganismen zurück. Es sind vor allem natürlich vorkommende Systeme, die von den Wissenschaftlern entdeckt und später für die Gentechnik modifiziert und eingesetzt werden.

Was ist Gentechnik nicht?

Unter Biotechnik versteht man die Herstellung oder Veränderung von chemischen Verbindungen mit Hilfe lebender Organismen oder Teilen von Organismen im Rahmen industrieller Verfahren und Nutzung. Darunter fallen beispielsweise die Herstellung von Konservierungsstoffen für Nahrungs- und Genussmittel wie Brot, Sauerkraut, Käse und Bier. Aber auch die Herstellung von Arzneimitteln wie Antibiotika, Vitaminen oder chemischen Vor- und Zwischenprodukten. Die Gentechnik kann ein Teilbereich der Biotechnik sein.

Zur Gentechnik zählen nicht die Methoden und Verfahren der klassischen Züchtungsverfahren und der modernen Fortpflanzungs- und Zellbiologie. Zum Beispiel die extrakorporale Befruchtung oder das Übertragen von Embryonen auf Leihmütter.

Auch die Embryoteilung und der Embryotransfer bei Nutztieren zur Erzeugung von identischen Mehrlingen (Klonen) gehört nicht zur Gentechnik. Ebenso zählen zellbiologische Verfahren wie das Herstellen von tierischen Hybriden, zum Beispiel der Schiege, einer Kreuzung zwischen Schaf und Ziege, sowie die Herstellung pflanzlicher Hybriden, zum Beispiel der Nektarine, einer Kreuzung zwischen Mandarine und Pfirsich, dazu. Das Klonen von Organismen, zum Beispiel von Pflanzen durch Ableger und Stecklinge, gehört nicht in den Bereich der Gentechnik.

Ziele der Gentechnik

Der Mensch hat in Form der Tier- und Pflanzenzüchtung bereits schon früher in das Erbgut von Nutzorganismen eingegriffen. Der züchtende Mensch will die seiner Meinung nach günstigsten Erbanlagen verschiedener Rassen oder Arten in seinen Nutztieren oder -pflanzen vereinigen. Ziele der Zucht sind zum Beispiel Qualitätsverbesserung, Ertragssteigerung und Verbesserung der Widerstandsfähigkeit.

Die Gentechnik hat die gleichen Zielsetzungen, sie stellt jedoch auf diesem Gebiet einen Durchbruch dar, der die Effizienz in Zukunft gewaltig steigern soll. Die Gentechnik besitzt dafür Methoden, um diese Ziele effektiver und schneller als mit bisherigen angewandten Methoden zu erreichen.

Anwendungsbereiche der Gentechnik

Die Gentechnik ist am stärksten in der biologischen und medizinischen Grundlagenforschung verankert. Ein wichtiges Ziel ist es unter anderem herauszufinden, welche Aufgaben einzelnen Genen im Organismus zukommen. Wenn die Funktion eines Gens bekannt ist, verspricht man sich Erbkrankheiten oder auch andere Erkrankungen kausal behandeln zu können.

Neben der Grundlagenforschung teilt man die Gentechnik in eine rote, eine grüne und eine graue Gentechnik ein.

  • Rot beinhaltet die Gentherapie am Menschen.
  • Zur grünen Gentechnik zählen gentechnische Veränderungen an Pflanzen; so sollen mit Hilfe der Gentechnik Pflanzen gegenüber tierischen Schädlingen und gegenüber Pilzbefall resistent gemacht werden.
  • Unter grauer Gentechnik versteht man die industrielle Anwendung auf dem Gebiet der Medikamentenentwicklung und -gewinnung mithilfe gentechnisch veränderter Organismen.

Gen-Scheren und -Kleber

Ein Meilenstein in der Entwicklung der Gentechnik war Anfang der 70er-Jahre die Entdeckung, dass manche Bakterien in der Lage sind, DNA-Moleküle zu zerschneiden, daher der Name "molekulare Scheren" oder "Gen-Scheren" (vgl. Tab. 1). Es sind spezialisierte Enzyme (Restriktionsendonucleasen oder kurz Restriktionsenzyme), die eindringende Fremd-DNA an definierten Stellen zerschneiden.

Bei diesem Mechanismus handelt es sich um eine Schutzfunktion, mit der Bakterien zum Beispiel eine Infektion durch Phagen (das sind Viren die Bakterien befallen) verhindern können. Ihre eigene DNA ist durch eine Modifikation vor der Zerstörung durch diese Scheren geschützt. Für die Entdeckung der Restriktionsenzyme und ihre Anwendung in der molekularen Genetik bekamen die Amerikaner Smith, Nathans und Arber 1978 den Medizinnobelpreis.

Die Restriktionsenzyme sind heute ein grundlegendes Werkzeug der Gentechnik. Ihre Namen leitet sich von den Organismus her, aus denen sie isoliert wurden. Das Bekannteste ist EcoRI, das aus dem Bakterium Escherichia coli (E. coli) stammt. RI steht für Restriktionsenzym Nummer eins [1].

Bis heute sind über Hunderte verschiedene Restriktionsenzyme isoliert worden. Dabei werden, wie Dingermann beschreibt, drei Typen von Restriktionsenzymen unterschieden. Für die Gentechnik ist aber nur der Typ II einsetzbar. Diese Enzyme erkennen eine bestimmte Abfolge von Basen innerhalb der doppelsträngigen DNA.

Das Zerschneiden von DNA ist ein wesentlicher Schritt für die spätere Klonierung von Genen oder auch für eine physikalische Kartierung von Plasmiden. Zudem wurde 1981 mit Hilfe von Restriktionsenzymen die Sichelzellenanämie, eine erbliche Deformierung der roten Blutkörperchen, als erste Erbkrankheit auf Gen-Ebene diagnostiziert.

Neben dem Zerschneiden von DNA spielt das Zusammenfügen von DNA eine weitere wesentliche Rolle in der Gentechnik. Das dafür natürlich vorkommende Enzym heißt Ligase und der Vorgang Ligation [2]. Natürlicherweise spielt es bei der DNA-Verdopplung (Replikation) eine Rolle, wird aber im Falle der Gentechnik dazu verwendet, um ein Gen in eine Genfähre einzubauen.

Mit den Gen-Scheren und dem Gen-Kleber ist es Wissenschaftlern möglich, gezielt DNA-Abschnitte, meist Gene, aus einem Genom herauszuschneiden und es mit Hilfe dem Kleber an anderer Stelle einzufügen.

Gene sichtbar gemacht

DNA ist so klein, das man sie nur unter bestimmten Umständen, zum Beispiel bei einer Fällung, und abhängig von der Menge zu sehen bekommt. Die Agarose-Gelelektrophorese ist eine Standardmethode der Gentechnik zur Auftrennung von DNA-Molekülen verschiedener Größe.

Agarose ist ein Polymer, das aus Algen gewonnen wird. Die DNA bewegt sich dabei aufgrund der negativ geladenen Phosphatgruppen in ihrem Gerüst in einem elektrischen Feld zur Anode (positiv geladen) hin. Die Elektrophorese erfolgt in einer speziellen wässrigen Lösung.

Die einzelnen DNA-Banden können durch die Interkalation der Chemikalie Ethidiumbromid in einem kurzen Inkubationsbad und unter ultraviolettem Licht sichtbar gemacht werden (Abb. 1). Bestimmte Fragmente können aus dem Gel herausgeschnitten und eluiert werden. Das ist ein herkömmliches Verfahren, DNA-Abschnitte von der restlichen DNA zu trennen, um sie in ein Plasmid einzubauen.

Gen-Fähren

Ein weiteres wesentliches und unverzichtbares Werkzeug der Gentechnik ist der Vektor, der auch als "Gen-Fähre" oder "Gen-Taxi" bezeichnet wird. Zusammen mit dem DNA-Abschnitt, der vervielfältigt werden soll, bildet er das veränderte DNA-Molekül, das anschließend in einer Wirtszelle vermehrt wird.

Als Vektoren dienen Plasmide. Bakterien besitzen neben ihrem Bakterienchromosom natürlich vorkommende kleine, ringförmige DNA-Moleküle, Plasmide [3]. Diese zusätzliche genetische Information trägt häufig Resistenzgene gegen Antibiotika. Dadurch können Bakterien in einer Antibiotika-Umgebung überleben.

Mit zunehmendem Wissen über die Mechanismen des Gentransfers konnte eine Vielzahl modifizierter Transportvehikel für die Gentechnik entwickelt werden. Zum Beispiel wurden Plasmide so verändert, dass sie sich stärker im Wirtsorganismus vermehren oder dass sie immer größere Fremd-DNA-Abschnitte aufnehmen konnten.

Heutzutage gibt es Hunderte von modifizierten Plasmiden bis hin zu sogenannten YACs (Yeast artificial chromosome), künstlichen Hefechromosomen [4]. Sie sind zur Zeit der Renner unter den Gen-Fähren, da sie ungeheuer lange DNA-Fragmente aufnehmen können.

Antibiotikaresistenz-Gene als Marker

Antibiotika werden von Mikroorganismen, zum Beispiel Schimmelpilzen, hergestellt und können für eine Bakterienpopulation tödlich wirken. Verfügt aber ein Bakterium über ein Gen mit einer Antibiotika-Resistenz, so ist es für die gesamte Population lebenswichtig, in dessen Besitz zu kommen.

Antibiotikaresistenz-Gene werden als molekulare Marker in die Vektoren eingebaut. So kann später leichter festgestellt werden, ob das Bakterium das Plasmid aufgenommen hat. Denn nur so kann es unter Antibiotikazugabe in das Kulturmedium unter diesen Bedingungen überleben.

Gentechnik-Gegner sehen in diesen Antibiotikaresistenz-Genen einen kritischen Punkt der Gentechnik. Gentechnisch veränderte Pflanzen (oder deren Produkte) beherbergen diese Gene, die dann vom Menschen mit dem Verzehr der Pflanze aufgenommen werden. Befürchtet wird, dass die im Darm natürlich vorkommenden Bakterien die Antibiotikaresistenz-Gene in sich aufnehmen und diese später wiederum an Krankheitserreger weitergeben.

Gen-Transfer

In der Natur bestehen verschiedene Möglichkeiten, DNA von einem Organismus auf einen anderen zu übertragen. Schon früher hatte Forscher die Möglichkeit fasziniert, Zellen durch Einschleusen fremder DNA in spezieller Weise zu verändern. Bereits Mitte der 50er-Jahre zeigten John Holland von der Universität von Kalifornien in San Diego und mehrere andere Wissenschaftler, dass Zellen Nucleinsäuren (RNA oder DNA), die man aus Viren isoliert hatte, aufnehmen und die darauf enthaltene genetische Information exprimieren können. Das war die Geburt des künstlichen Gen-Transfers.

Bei einigen Bakterien ist der natürliche Gen-Transfer weit verbreitet, sie können durch ihre Zellwand hindurch freie DNA aufnehmen; man spricht von Transformation [5]. Nach Eintritt in die Zelle kann die transformierte DNA sich entweder mit der DNA des Wirts vereinigen (rekombinieren), oder sie vermehrt sich unabhängig weiter als eigenständiges Plasmid.

Transformation

Im Genlabor ist dieser natürliche Vorgang Vorbild, um isolierte DNA als Plasmid in Bakterien oder auch in höhere Zellen einzuschleusen (Transformation). Ein wichtiger Faktor, der die künstliche Aufnahme von DNA in Zellen erschwert, ist ihre negative elektrische Ladung. Die Membranen von Zellen sind ebenfalls negativ geladen. Die Folge ist, dass die DNA abgestoßen wird.

Aus diesem Grund entwickelten die Wissenschaftler Methoden, dass die DNA durch Zusatz von Chemikalien elektrisch neutralisiert wird, damit sie von den Zellen aufgenommen wird. Als geeignet erwies sich bei Bakterien eine Behandlung mit Calciumchlorid.

Transfektion

In Analogie zur Transformation spricht man von Transfektion, wenn DNA in höhere (eukaryontische), in vitro kultivierte Zellen eingeschleust wird. Mit Hilfe von DEAE-Dextran, einem Kohlenhydratpolymer mit angekoppelten positiv geladenen Diethylaminethyl-Gruppen, ist es möglich, Plasmide in höhere Zellen einzuschleusen. Die DNA bindet an die Polymere, wird neutralisiert und gelangt so in die Zelle.

Aus dem Pflanzenreich ist ein eindrucksvolles Beispiel für natürliche Gentechnologie bekannt. Das Bodenbakterium Agrobacter tumefaciens erzeugt in Pflanzen so genannte Wurzelhalsgallentumoren [6]. Es besitzt zusätzlich zur eigenen Erbinformation ebenfalls ein Plasmid und die Fähigkeit, ein bestimmtes Stück dieser DNA in die Pflanzenzellen einzuschleusen. Die infizierten Pflanzenzellen bilden den Gallentumor und beginnen mit der Synthese von Opinen, die das Bakterium zum Wachstum benötigt, aber nicht selbst herstellen kann.

Agrobacter betreibt also Gentechnik, um sein Überleben zu sichern. Dies hat sich die Gentechnik zu nutzen gemacht, und so können mit Hilfe des Bakteriums heute gezielt DNA-Abschnitte in Pflanzenzellen eingeschleust werden. Allerdings geht das nur bei zweikeimblättrigen Pflanzen. Andere Pflanzen werden mit Goldpartikeln, auf denen DNA-Moleküle sitzen, aus einer Gen-Kanone beschossen, damit die DNA in die Zelle gelangt.

Transgene Tiere

Anders erfolgt das Einschleusen von DNA in Tiere. Hier wird der nackte DNA-Abschnitt ohne Verpackung in ein Plasmid in eine bereits befruchtete Eizelle mit Hilfe der mikromanipulierten Injektion in den größeren Vorkern der Eizelle injiziert (vgl. Abb. 2). Dort wird der DNA-Abschnitt in die chromosomale DNA des Tieres durch Rekombination eingebaut. Die manipulierten Eizellen werden einer Leihmutter eingepflanzt, und die Nachkommen sind dann transgen [7]. Ihr Erbgut wurde gezielt verändert.

Bei einer Methode zur Erzeugung transgener Mäuse werden embryonale Stammzellen transfiziert und diese dann später in eine Leihmutter übertragen. Auch Ratten und landwirtschaftliche Tiere wie Schweine, Schafe, Ziegen und Rinder werden transgen gemacht.

Man unterscheidet Dingermann zwischen konstitutiver, also andauernder Genexpression und regulierter Genexpression. Letztere kann über einen entsprechenden Promotor, der in der Gen-Fähre eingebaut ist, erfolgen. So lässt sich ein Metallothionin-Promotor durch Zugabe von Schwermetallen in- duzieren.

Die transgenen "Knockout"-Mäuse sind für die medizinische Forschung heutzutage von besonders großer Bedeutung [8]. Bei ihnen wird jeweils ein natürlich vorhandenes Gen mit Hilfe einer komplizierten gentechnischen Methode ausgeschaltet. Aus den zu beobachtenden Folgen kann dann auf die Funktion des ausgeschalteten Gens geschlossen werden.

Gentherapie

Bei der Gentherapie am Menschen erfolgt ebenfalls eine Übertragung von Genmaterial, jedoch nur in Gewebszellen und nicht in Zellen der Keimbahn. Deswegen werden diese Veränderungen nicht an nachfolgende Generationen weitergegeben.

Die in den Körper des Patienten eingeschleusten Gene sollen defektes Erbgut ersetzen, abschalten oder ergänzen. Die In-vivo-Transfektion erfolgt hierbei mithilfe eines gentechnisch veränderten unschädlichen Virus, das sein eigenes Genom sowie das gewünschte Gen in die menschlichen Zielzellen bringt.

Eine weitere Möglichkeit besteht in einer In-vitro-Transfektion. Hierzu werden dem Patienten vorher Zellen entnommen, diese dann kultiviert, transfiziert und später wieder dem Patienten implantiert. Bislang lassen sich Krankheiten therapieren, die auf einem einzelnen Gendefekt beruhen, so zum Beispiel SCID, eine schwere kombinierte Immundefizienz, oder die zystische Fibrose, bei der der Zellmembran nur ein Chlorid-Kanal fehlt. Ausführlich wird das Thema Gentherapie im Buch von Dingermann erörtert.

Gen-Klonierung

In den späten 70er-Jahren fiel der Startschuss für die Industrialisierung der modernen Gentechnik. Nachdem die für eine Klonierung wichtigen Werkzeuge, wie Gen-Schere und -Kleber sowie Vektoren, den Gen-Technikern zugänglich waren, begann die eigentliche Klonierung von Genen.

Ziel des genetischen Klonierungsexperiments ist die Isolierung eines Gens aus einem Organismus (Mensch/Tier/Pflanze) und dessen Vermehrung in einem anderen, zum Beispiel in einem Bakterium. Zunächst wird der gewünschte DNA-Abschnitt aus der genomischen DNA des Spenderorganismus mit Hilfe von Restriktionsenzymen herausgeschnitten.

Parallel dazu wird ein passender Vektor ebenfalls mit demselben Restriktionsenzym an einer Stelle geöffnet. In die entstandene Lücke wird der gewünschte DNA-Abschnitt mit Hilfe der Ligase "eingeklebt". Der so entstandene wieder geschlossene Vektor wird danach in Bakterien eingeschleust (Abb. 3).

Da nur ein Bruchteil der Bakterien ein Plasmid aufnimmt, muss eine Selektion erfolgen, um später die Plasmid-tragenden Bakterien weiterzuzüchten. Dazu dient die Antibiotikaresistenz, die auf dem Plasmid lokalisiert ist. Unter dem Einfluss des Antibiotikums im Kulturmedium der Bakterien können sich dann nur noch die erfolgreich transformierten Bakterien vermehren.

Die von dem transformierten Bakterium abstammenden nachkommenden Bakterien sind genetisch identisch und werden als Klone bezeichnet. Besitzt der verwendete Vektor die entsprechenden Regulationssequenzen für die Übersetzung des Gens, stellen die Klone das entsprechende Protein her.

Um das Protein in Mengen zu erhalten, werden die genetisch veränderten Bakterien in Fermentern gezüchtet. Unter optimalen Bedingungen teilt sich eine Bakterienzelle alle 20 Minuten, nach 16 Stunden hat sie 300 Billionen "Nachkommen". Das Bakterium kann quasi als kleine Fabrik betrachtet werden, die z. B. ein Medikament herstellt. Aus der Proteinsuppe in Fermenter muss dann die gewünschte Substanz herausgefischt und gereinigt werden. Nach mehreren Reinigungsschritten kann das Protein als Medikament eingesetzt werden.

Auch zur Analyse der Funktion von Genen ist eine Klonierung notwendig. Deshalb werden weltweit die Gene von höheren Organismen systematisch in Hunderten von Labors in dem Darmbakterium E. coli kloniert und ihre Produkte nachfolgend untersucht.

Die gentechnische Veränderung führt zu einer Umprogrammierung des bakteriellen Stoffwechsels. Dieses Prinzip gilt nicht nur für die Klonierung von DNA in Bakterien, sondern gilt universell für alle Zellen. Unterschiede ergeben sich lediglich durch die Verwendung der Vektoren, die den entsprechenden Eigenschaften der Empfängerzelle angepasst sein müssen.

Das Bakterium ist ein prokaryontischer Organismus. Der Expression von Genen zur Herstellung von Arzneimitteln sind dadurch natürliche biologische Grenzen gesetzt. Deswegen wird seit längerem für biochemische und genetische Studien die Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae genutzt. Sie ist wie Pflanzen, Tiere und Menschen ein eukaryontischer Organismus.

DNA-Polymerase-Techniken

Die DNA-Polymerase ist ein natürlich vorkommendes Enzym, das die Fähigkeit besitzt, aus einzelnen Basen einen zusammenhängenden neuen DNA-Strang zu synthetisieren, allerdings nur nach einer gegenüberliegenden Vorlage. Die Polymerase braucht jedoch einen kurzen DNA-Abschnitt als Startpunkt (Primer). Erst durch die chemische Synthese von kurzen DNA-Stücken (Oligonucleotiden), die als Primer ihren Einsatz finden, sind die beiden nachfolgend beschriebenen Methoden möglich geworden [9].

Gen-Sequenzierung

Voraussetzung für gezieltes Arbeiten in der Gentechnik ist die Kenntnis der Reihenfolge der aufeinanderfolgenden Basen, die Sequenz. Die Sequenzierung kann nach dem Verfahren von Maxam und Gilbert [10] oder dem Verfahren von Sanger durchgeführt werden [11]. Den drei Erfindern wurde 1980 dafür der Chemienobelpreis verliehen.

Im Gegensatz zum Maxam-Gilbert-Verfahren, erlaubt das vom englischen Biochemiker Frederick Sanger entwickelte Kettenabbruch- oder Didesoxynucleotidverfahren, ein DNA-Fragment direkt im biologischen Material (Vektor) zu sequenzieren. Sie findet deswegen heutzutage eine häufigere Anwendung (Abb. 4).

Gen-Vervielfältigung

Eine Grundlage der medizinischen und biologischen genetischen Analytik ist der Nachweis von DNA. Doch oftmals ist die vorhandene DNA-Menge so gering, dass sie mit den bekannten, bislang herkömmlichen molekularbiologischen Analysenmethoden nicht nachzuweisen war. 1985 fand Kary Mullis von der Cetus Corporation in Kalifornien die Lösung für das Problem: die Polymerase chain reaction (Polymerase-Kettenreaktion, kurz PCR) [12]. Mit ihr ist es möglich, kleinste Mengen genetischen Materials so weit zu vervielfältigen, bis es mit den herkömmlichen Methoden nachweisbar ist. 1993 wurde Mullis für die Erfindung der PCR mit dem Medizinnobelpreis ausgezeichnet.

Die zu vervielfältigende Sequenz sollte zumindest zum Teil in ihrer Basenabfolge bekannt sein, da hierfür ebenfalls die Startpunkte durch Primer fixiert werden müssen (Abb. 5). Bei jedem Zyklus kommt es zu einer Verdopplung des genetischen Materials. Rein theoretisch könnten aus einem doppelsträngigen DNA-Molekül in 20 bis 30 Zyklen eine Million doppelsträngige DNA-Moleküle entstehen.

Inzwischen gibt es verschiedene PCR-Typen, zum Beispiel die Reverse-PCR, bei der die PCR von einem RNA-Stück erfolgt. Die Entdeckung des Enzyms Reverse Transkriptase in Viren, die RNA als Erbmaterial besitzen, beflügelte den Fortschritt der Gentechnik.

Anfang der 90er-Jahre gelang es, eine hitzestabile Polymerase aus dem thermophilen Bakterium Thermus aquaticus zu isolieren. Es entfielen die ständigen Zugaben von Enzym zur Reaktion, was einen erheblichen Schritt in Richtung Automation und Vereinfachung bedeutete.

Sicherheit der Gentechnik

Das Gentechnik-Gesetz (GenTG) setzt einen verbindlichen gesetzlichen Rahmen für die Nutzung der Gentechnik und gewährt durch eine umfassende Kontrolle den Schutz von Leben und Gesundheit des Menschen sowie der Umwelt. Es soll durch klare Regelungen und Definitionen eine Rechtssicherheit für den Anwender der Gentechnik und für den Verbraucher schaffen und damit die weitere Nutzung dieser Technik fördern (vgl. Abb. 6). Folgende Bereiche werden vom GenTG geregelt:

  • gentechnische Arbeiten in geschlossenen Räumen,
  • die bewusste Freisetzung in die Umwelt,
  • das Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Organismen.

Es gilt festzuhalten, dass mehr als 90% aller Genlabors in die Sicherheitsstufe 1 eingeordnet werden (vgl. Tab. 2). Die Einordnung in eine höhere Sicherheitsstufe findet dann statt, wenn Spender- oder Empfängerorganismus pathogenes Potential besitzen. Auch ohne Gentechnik müssen Arbeiten mit sehr pathogenen Organismen in Sicherheitslaboren durchgeführt werden.

Im Bereich der Lebensmittel gibt es seit dem 27. Januar 1997 eine Novel-Food-Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates. Sie beinhaltet, dass nur solche Produkte in den Verkehr kommen, die keine Gefahr für den Verbraucher darstellen und sich nicht entscheidend von vergleichbaren Produkten unterscheiden, sodass bei normalem Verzehr kein Ernährungsmangel zu verzeichnen ist. Am 3. September 1998 trat eine zusätzliche EU-Verordnung in Kraft, die eine Kennzeichnung aller gentechnisch veränderten Lebensmittel verlangt. So müssen Lebensmittel aller Art gekennzeichnet werden, bei denen mit anerkannten Methoden Fremd-DNA nachgewiesen werden kann.

Risiken der Gentechnik

Als sich 1975 in Asilomar, Kalifornien, Molekularbiologen zum ersten Mal öffentlichen versammelten, war der Hauptgrund nicht ein Anpreisen neuer gentechnischer Methoden, sondern eine von hoher Verantwortung getragene Warnung vor möglichen Folgen dieser Technik.

Die Diskussion über mögliche Risiken und phantastische Umweltkatastrophen hält bis heute an. Die Gentechnik fordert dazu heraus, über moralische und soziale Konsequenzen naturwissenschaftlicher Forschung und ihrer technischen Anwendung nachzudenken. Es gilt nicht immer, das technisch Mögliche zu tun, sondern verstärkt nach dem Sinn des Tuns zu fragen und auch fragen zu lassen.

In der Öffentlichkeit herrscht Unbehagen gegenüber der Gentechnik. So waren vor rund 15 Jahren in Deutschland Meinungsumfragen zufolge rund 80% der Bürger ganz allgemein gegen eine Anwendung der Gentechnik. Heute dagegen sind 80% der Bürger zumindest auf dem Gebiet der Medizin für eine Anwendung. Im Bereich der grünen Gentechnik ist die Mehrheit weiterhin gegen einen Einsatz gentechnischer Methoden. Ein Fermenter oder ein Treibhaus stellen kontrollierbare Biotope dar. Die Freisetzung genmanipulierter Pflanzen in Freilandversuchen erfolgt in Deutschland nur unter starken Kontrollen und nur örtlich und zeitlich begrenzt. Die Angst besteht, dass die veränderten Organismen gegenüber ihren natürlich vorkommenden Wildformen einen Selektionsvorteil besitzen könnten, sich dadurch ungehemmt ausbreiten und das gesamte Ökosystem aus den Angeln heben oder zumindest irreparable Schäden verursachen.

Das Beispiel von gentechnisch manipuliertem Raps aus Kanada, der in die Hände von ahnungslosen deutschen Bauern kam und auf rund 300 Hektar Agrarland ausgesät wurde, zeigt, dass deutsche Vorsichtsmaßnahmen nichts nutzen, wenn in anderen Länder andere Richtlinien gelten. Ursache für das Versehen war vermutlich, dass "konventioneller" Raps, von dem das kanadische Saatgut stammte, zuvor mit herumfliegendem Pollen von gentechnisch verändertem Raps bestäubt worden war.

Die EU-Länder haben für die Reinheit von Saatgut noch keinen Schwellenwert festgelegt. Nur eine weltweite Einigung über die Anwendung der Gentechnik könnte wahrscheinlich die berechtigte Skepsis der Gesellschaft lindern und sicherlich auch der fortschreitenden Entwicklung mit bislang biologisch, ethisch, ökologisch und sozial ungewissen Folgen Einhalt gebieten.

Literatur [1] Meselson, M., Yuan, R.: DNA restriction enzyme from E. coli. Nature 217 (1968) 1110 – 1114. [2] Olivera, B.M., Lehman, I.R.: Linkage of polynucleotids through phosphodiester bonds by an enzyme from Escherichia coli. Proc. Natl. Acad. Sci. USA 57 (1967) 1426 – 1433. [3] Zinder, N.D.: Transduction in bacteria. Sci. Am. 199 (5) (1958) 38 – 43. [4] Burke, D.T., et al.: Cloning of large segments of exogenous DNA into yeast by means of artificial chromosome vectors. Science 236 (1987) 806 – 812. [5] Hanahan, D.: Studies on transformation of Escherichia coli with plasmids. J. Mol. Biol. 166 (1983) 557 – 580. [6] Klee, H., et al.: Agrobacterium-mediated plant transformation and its further applications to plant biology. Annu. Rev. Physiol. 38 (1987) 467 – 486. [7] Jaenisch, R.: Transgenic animals. Science 240 (1988) 1468 – 1474. [8] Anagnotopoulos, A.V.: It's a knockout! Trends Genet. 8 (1996) 323 – 326 [9] Gait, M.J., Sheppard, R.C.: Rapid synthesis of oligodesoxyribonucleotids: A new solid-phase method. Nucleic Acids Res. 4 (1977) 1135 – 1158. [10] Maxam, A.M., Gilbert, W.: A new method for sequenzing DNA: Proc. Natl. Acad. Sci. USA 74 (1977) 4190 – 4194. [11] Sanger, F., Coulson, A.R.: A rapid method for determining sequences in DNA by primed synthesis with DNA polymerase. J. Mol. Biol. 94 (1975) 444 – 448. [12] Mullis, K., et al.: Specific enzymatic amplification of DNA in vitro: the polymerase chain reaction. Biotechnology 24 (1992) 17 – 27.

Kaum eine Wissenschaft erregt die Gemüter und die Fantasie so sehr wie die Gentechnik. Einerseits weckt sie Hoffnungen, andererseits gibt sie Anlass zu Ängsten. Die Gentechnik greift in zunehmendem Maße in sämtliche Lebensbereiche ein, von der Landwirtschaft und Ernährung über die Arzneimittelherstellung bis hin zur Medizin. Unser Beitrag erläutert, was Gentechnik ist, wie sie funktioniert und welche besonderen Schutzmaßnahmen zur Sicherung von Mensch und Umwelt sie erfordert

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