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- DAZ 31/2001
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Arzneimittel und Therapie
Psychopharmaka: Fluvoxamin bei kindlichen Angststörungen
Angststörungen wie soziale Phobien, generalisierte Ängste und Trennungsängste gehören zu den häufigsten psychiatrischen Krankheiten im Kindesalter. Man schätzt, dass rund 3% aller neun- bis 17-jährigen an einer Angsterkrankung leiden, die bislang nur in seltenen Fällen therapiert wird.
Weitreichende Folgen befürchtet
In jüngster Zeit mehren sich nun die Hinweise, dass unbehandelte Angsterkrankungen weitreichende Folgen haben können. Diese reichen über eine verminderte Lernfähigkeit und eine beeinträchtigte soziale Entwicklung bis hin zu einem verstärkten Auftreten von Angsterkrankungen und Depressionen im Erwachsenenalter sowie einer höheren Suizidversuchsrate. Daher neigt man heute dazu, kindliche Angsterkrankungen zu behandeln, wobei allerdings bislang über die medikamentöse Therapie kaum Studien vorliegen.
Nachdem in einigen Untersuchungen selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer bei kindlichen Depressionen und Zwangsstörungen im Kindesalter erfolgreich eingesetzt wurden, untersuchte eine pädiatrische Arbeitsgruppe die Wirkung von Fluvoxamin (z. B. Fevarin) bei Kindern mit Angsterkrankungen.
Therapieerfolg mit Fluvoxamin
Für die Studie wurden 128 Kinder im Alter von 6 bis 17 Jahren ausgewählt, die an einer sozialen Phobie, krankhaften Trennungsängsten oder generalisierten Ängsten litten und bei denen eine dreiwöchige psychologische Behandlung keinen Erfolg zeigte. Die Kinder erhielten randomisiert während acht Wochen Fluvoxamin (bis zu maximal 300 mg/Tag) oder ein Plazebo. Zur Beurteilung der Krankheit wurden verschiedene psychiatrische Mess-Skalen wie die Pediatric Anxiety Rating Scale (0 bis 25 Punkte; die hohen Punkte zeigen die starken Ängste an) und die Clinical Global Impressions-Improvement Scale zu Grunde gelegt.
Die zweimonatige Therapie mit Fluvoxamin zeigte einen deutlichen Erfolg: So sank bei den Kindern der Verumgruppe das Ausmaß der Angst um 9,7 Punkte (beurteilt nach der Pediatric Anxiety Rating Scale), bei den Kindern der Vergleichsgruppe um 3,1 Punkte (p kleiner als 0,001). Beurteilte man die Therapie nach der Clinical Global Impressions-Improvement Scale, so sprachen 76% der Verumgruppe auf die Therapie an, in der Vergleichsgruppe waren es hingegen nur 29% (p kleiner als 0,001). Fünf Kinder der Verumgruppe brachen die Studie aufgrund unerwünschter Nebenwirkungen (vor allem gastrointestinale Beschwerden und ein leichter Anstieg der motorischen Aktivität) ab, in der Plazebogruppe war es nur ein Kind.
Kastentext: Psychopharmaka bei Kindern?
In dieser Studie konnte der Nutzen eines Psychopharmakons bei Angsterkrankungen im Kindesalter deutlich gezeigt werden. Da die Prävalenz kindlicher Angsterkrankungen relativ hoch ist, stellt sich die Frage, ob ein nicht geringer Anteil der Kinder und Heranwachsenden einer Psychopharmakatherapie bedarf. Wahrscheinlich nicht, da neben der medikamentösen Therapie weitere Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Es liegen fundierte Untersuchungen vor, in denen gezeigt wurde, dass psychologische Interventionen wie Angstmanagement, Entspannungstraining oder kognitive Verhaltenstherapien auch bei Kindern wirksam sind.
Ob die psychologische Intervention der Pharmakotherapie mit Serotonin-Wiederaufnahmehemmern überlegen ist, wurde bislang für diese Patientengruppe nicht untersucht. Da beide therapeutische Optionen erfolgversprechend sind, erscheint es sinnvoll, mit einer Verhaltenstherapie zu beginnen und erst bei deren Nichtansprechen auf eine Therapie mit Serotonin-Wiederaufnahmehemmern zu wechseln.
Literatur: The research unit on pediatric psychopharmacology anxiety study group: Fluvoxamine for the treatment of anxiety disorders in children and adolescents. N. Engl. J. Med. 344, 1279 - 1285 (2001). Coyle, J.: Drug treatment of anxiety disorders in children. N. Engl. J. Med. 344, 1326 - 1327 (2001).
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