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Pädiatrie: Kinderschmerzen – Schmerzenskinder

Kinder haben keine Schmerzen, sondern nur Wehwehchen. Und die braucht man nicht ernst zu nehmen. Weil das so nicht stimmt, führte die Ambulanz für Manuelle Medizin der Rheintalklinik im Kurhaus von Bad Krozingen am 9. und 10. Juni das Symposium "Kinderschmerzen Ų Schmerzenskinder" durch. Vertreter der für die Schmerzbehandlung von Kindern wesentlichen Bereiche der Medizin einschließlich Psychotherapie und Psychologie zeigten Probleme aber auch Lösungsansätze verschiedenster Art auf.

Schmerzäußerungen von Kindern ernst nehmen

In einem waren sich alle Teilnehmer absolut einig: Vor jedem Therapieangebot muss eine differenzierte Diagnostik stehen. Schmerzen haben ganz unterschiedliche Ursachen, nach denen es zu fahnden gilt. Das Ernstnehmen der Kinder und eine ausgefeilte Diagnostik vor der Therapie sind neben der Interdisziplinarität die drei wesentlichen Pfeiler einer angemessenen Schmerztherapie. Aus ethischer Sicht hat der Patient Anspruch auf eine angemessene Schmerztherapie, die zu leisten der Arzt verpflichtet ist. Was unmittelbar zu sehen, leicht zu ertasten oder mit den Verfahren der modernen diagnostischen Techniken zu erfassen ist, wird erkannt. Gebrochene Knochen, sichtbare Fleischwunden, Gewächse im Körper oder auf der Haut werden als behandlungsbedürftig und meist auch als Schmerzursache wahr- und ernst genommen und erhalten eine entsprechende Behandlung.

Sehr viel schlechter sind Kinder bei der großen Mehrzahl von Schmerzen dran, deren Ursache nur durch Ernstnehmen der Kinder, sensibles Tasten, genaues Zuhören und Hinsehen erkannt werden können, den so genannten funktionellen Störungen wie Skelett- und Gliederschmerzen, Kopfschmerzen und Bauchschmerzen.

Schmerzeinschätzung muss kindgerecht erfolgen

Das Schmerzmanagement muss bei der Diagnosenstellung beginnen und während des ganzen Krankheitsverlaufs fortgesetzt werden. Die erforderlichen Arzneimittel werden mit geeigneten psychosozialen, physikalischen und unterstützenden Behandlungen kombiniert. Der Erfolg der Schmerztherapie sollte durch eine systematische und dem Alter entsprechende Schmerzerfassung überprüft werden. Bei Kindern unter zweieinhalb Jahren bedarf es dazu der Fremdeinschätzung, bei der die Beobachtung der Reaktion des Kindes Aufschluss über Schmerzintensität gibt. Bereits bei Kleinkindern ab zweieinhalb Jahren ist aber eine Selbsteinschätzung mit kindgerechten Erfassungsskalen wie Smileys, Farbtafeln, Pokerchips möglich. Bei älteren Kindern können zur Beurteilung des Schweregrades numerische Skalen eingesetzt werden.

Adäquate Behandlung je nach Ursache und Schmerzgrad

Zu den Schmerzen mit organischer Ursache gehören orthopädische Probleme. Diese können aber oftmals operativ gelöst werden. Auch im umrissenen Gebiet der rheumatischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter sind die Zusammenhänge relativ klar. Diese Erkrankungen können bereits im frühen Kindesalter auftreten und zu Wachstumsstörungen führen. Schmerz und Schwellung erzeugen Schmerzschonhaltung und damit dauerhafte Fehlbelastung, die zu permanenten Fehlstellungen führen können, die Muskelschwund und sekundäre Gelenkfehlstellungen zur Folge haben können.

Gabe von Schmerzmittel ist bei Kindern nicht unbedenklich

Das üblichste Behandlungsverfahren ist die Gabe von entzündungshemmenden Schmerzmitteln. Die Wirkung der verschiedenen Arzneimittel bei Kindern ist aus ethischen Bedenken gegen klinische Arzneimittelstudien an Kindern aber oftmals nur unzureichend belegt.

Schmerzursachen, Schmerzintensität und Folgen von Schmerzen sind bei Kindern etwa gleich wie bei Erwachsenen. Wesentliche Unterschiede gibt es aber je nach Substanz in der Aufnahme, Verteilung, Umsetzung im Stoffwechsel und Ausscheidung sowie bei den Zielorganen und Rezeptoren. So ändert sich beispielsweise für manche Substanzen der Verteilungsraum in den ersten Lebenswochen und -monaten. Ein weiteres Problem besteht darin, dass bevorzugte Präparate oft unterdosiert werden, dann also wirkungslos sind. Andererseits kann eine Überdosierung zu Schädigungen führen. Die Dosis orientiert sich am Körpergewicht. Sie sollte flexibel sein, was bei der Gabe von Tropfen oder Saft der Fall ist. Grundsätzlich sinnvoll ist die orale Gabe.

Schmerzbekämpfung bei einer Operation beginnt vor dem Eingriff

Für die Schmerzbekämpfung nach Operationen braucht man ein geschultes professionelles Team. Die gute Planung der Schmerztherapie beginnt vor der Operation mit einer Einschätzung der zu erwartenden Art, Stärke und Dauer der Schmerzen, Verfügbarkeit und annehmbare Anwendungsform der Schmerzmittel, Art der Betreuung, Wünschen des kleinen Patienten, Schmerzerfassung, Selbstanwendung der Schmerzmittel sowie Einschätzung der individuell zu erwartenden Risiken des Patienten. Ebenso gehören dazu Zuwendung, Symptomkontrolle, Lagerung und Verbände. Die beste Therapiemöglichkeit liegt oftmals in der Lokalanästhesie. Die Schmerzmittel sind dabei zeitgerecht zu geben. Je länger damit gewartet wird, desto höher ist die nötige Dosierung. Wichtig ist im postoperativen Bereich auch, dass das Pflegepersonal klare Regeln und gute Rahmenbedingungen für die Durchführung der Schmerztherapie vorfindet.

Schreibabys – Schicksal der Eltern?

"Schreibabys" nennt man gesunde Babys, die in den ersten sechs Lebensmonaten anfallartig schreien und sich nicht beruhigen lassen. Die Ursachen hierfür sind vielfältig und teilweise noch ungeklärt. Es können Schmerzen durch Sodbrennen wegen einer Regulationsstörung der Nahrungsaufnahme sein, aber auch Schmerzen aufgrund einer muskulären Tonus-Asymmetrie. Auch eine gestörte Eltern-Kind-Beziehung kann die Ursache des Schreiens sein. Eine gute Diagnostik erfordert daher die interdisziplinäre Zusammenarbeit der verschiedenen medizinischen Fachgebiete. Handelt es sich um eine Tonus-Asymmetrie, so ist eine manualmedizinische Behandlung angebracht. Oft reicht eine – in Einzelfällen mehrere – kurzfristige Behandlung aus, um den Säugling in eine symmetrische Haltung zu bringen, wodurch er schmerzfrei wird. Ist die Ursache des Schreiens eine Störung der Eltern-Kind-Beziehung, bedarf es einer psychotherapeutischen Therapie, welche die Eltern mit einschließt.

Doch wann ist eine nicht ausreichende Eltern-Kind-Kommunikation die Ursache dieser Regulationsstörung und wann führt die anhaltende Störung des normalen Lebensrhythmus zu einer gestörten Eltern-Kind Beziehung? Und wie erkennen besorgte und gestresste Eltern, dass ihr Baby keine Spannungskopfschmerzen, unspezifische Bauchschmerzen, Glieder- und Wirbelsäulenschmerzen hat? Wichtig für die Behandlung ist die Fähigkeit des Arztes, eine präzise neuropädiatrische Untersuchung durchzuführen oder sehr eng mit einem Pädiater zusammenzuarbeiten.

Kopfschmerzen – auch für Kinder schon ein Problem

Schmerzen an Wirbelsäule und Gliedmassen beginnen bereits im Säuglingsalter und ziehen sich durch die ganze Kindheit bis ins Erwachsenenalter. Viele Kinder werden im Alter von sechs bis elf Jahren wegen Spannungskopfschmerzen behandelt. Im Durchschnitt hatten diese Kinder aber bereits seit mehr als zwei Jahren regelmäßig Kopfschmerzen, meist mehrmals pro Woche. Für die Kinder entsteht eine lange Leidenszeit vor Beginn der Behandlung. Etwa ein Drittel der Kinder nimmt regelmäßig oder gelegentlich Medikamente wegen der Kopfschmerzen ein. Ebenfalls ein Drittel stammt aus einer "Kopfschmerzfamilie". Die manualmedizinische Untersuchung zeigt bei vielen dieser Kinder vielfältige Funktionsstörungen im Bewegungssystem, vorwiegend aber auch im Bereich der Kopfgelenke.

Findet man keine organischen Ursachen, so kann die biomechanische Entspannung mit den Verfahren der manuellen Medizin das Kind oft sehr schnell von den Kopfschmerzen befreien. Entspannung gelingt auch mit psychologischen Verfahren, z.B. autogenem Training.

Autogenes Training empfehlenswerter als hochwirksame Medikamente

Die Einnahme von Medikamenten ist auf die Dauer weniger günstig, da sie die Schmerzursachen meist nur verdecken, nicht aber beseitigen. Auch Migränen beginnen bei gut Zweidrittel aller daran Erkrankten bereits im Kindesalter und werden dann häufig mit Medikamenten behandelt, die nicht für Kinder zugelassen sind.

Grundsätzlich sollten Kinder und Jugendliche keine Antiemetika und Mutterkornpräparate erhalten sondern ein wirksames Schmerzmittel. Kopfschmerzen können aber auch "Störungen der seelischen Funktion" sein. Die Behandlung richtet sich nach dem, was das Kind hat, nicht nach dem, was ihm fehlt. Bei Kopfschmerz als Reizverarbeitungsstörung braucht das Kind mit zu vielen Antennen Filter zur Beseitigung der Störung. Bei (Selbst)-Wahrnehmungsstörung ist die Selbstwahrnehmung zu verbessern und nach innen zu wenden. Hemmung von Extraversion und Aggression braucht ein Raus-Lassen der Wut in sozialverträglicher Form.

Häufige Bauchschmerzen nicht unterschätzen

Bauchschmerzen sind ein alltägliches, normales Erlebnis. Meist sind sie harmlos und dauern nur kurz. Sie können aber auch Zeichen einer ernsthaften Erkrankung sein, akut oder chronisch, mit oder ohne Fieber. Eine rasche und sorgfältige Diagnose ist daher immer notwendig. Wenn Bauchschmerzen ohne körperlichen Befund lang anhalten oder immer wiederkehren, kann eine unerkannte seelische oder eine psychosomatische Störungen zugrunde liegen. Wie sie verläuft – rasch abklingend, krisenhaft immer wieder aufflakkernd oder chronisch – hängt mit ab von einem Beziehungsgeflecht aus biologischer Ausstattung, seelischer Konstitution sowie physiologischen und psychosozialen Bedingungen. Körperliche Reaktionen wie Bauchschmerzen treten häufig in Situationen auf, in denen die seelische Verarbeitung versagt und keine Gefühle als Entlastung geäußert werden können. Statt die Konflikte seelisch und in der Beziehung zu den Eltern zu lösen, wird der Körper zum Austragungsort von Wünschen und Ängsten. Schmerz wird zum Kommunikationsmittel in der Familie und dient der Beziehungsregulierung.

Umgang mit Schmerzen in der Familie dient als Vorbild

Schmerzen tun weh, aber das Leiden daran ist unterschiedlich. Ein Schmerz, der als wichtig angesehen wird oder in unbewusster Verbindung zu einer Bedrohung steht, verursacht mehr Leiden als ein Schmerz, der banal und nebensächlich erscheint, auch bei gleicher Schmerzintensität. Wenn ein Kind durch Schmerzäußerung eine negative oder gar keine Reaktion hervorruft, wird es bei gleich starken Schmerzen kaum klagen, da es nichts Gutes damit erreichen kann. Ein Kind aus einer Familie, in der Zuwendung vor allem über körperliche Beschwerden zu erhalten ist, wird den Schmerz in ganz anderer Weise in den Mittelpunkt seines Erlebens rücken. Können in der Familie Befindlichkeiten und Gefühle mitgeteilt und über Beziehungen gesprochen werden, so braucht und missbraucht das Kind den Schmerz nicht zu diesem Zweck. Die soziale Kompetenz des Kindes, bzw. ein verinnerlichtes gutes Beziehungsmuster hat einen protektiven Einfluss gegenüber chronischen Bauchschmerzen. Beziehungsprobleme in der Familie können also einerseits zu funktionellen Bauchschmerzen führen, andererseits können diese Bauchschmerzen aber auch als Problemlösung dienen.

Kinder müssen nicht an Schmerzen leiden, dies hat das Symposium der Ambulanz für Manuelle Medizin gezeigt, wenn für die Behandlung aller kindlichen Schmerzen dieselben Regeln und Randbedingungen der Schmerzbehandlung gelten, wie in der Schmerztherapie von Erwachsenen. In der pädiatrischen Onkologie geschieht das bereits, die Prinzipien "Ernstnehmen der Kinder", "Interdisziplinarität" und "ausführliche Diagnostik vor der Therapie" werden hier berücksichtigt.

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