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Die Seite 3
Armes Viagra. Die goldenen Zeiten als einzig verfügbare Potenzpille weit und breit sind definitiv vorbei. Der blaue Diamant hat Konkurrenz bekommen: Die Apomorphinpräparate Ixense und Uprima wetteifern seit kurzem mit ihm um die Gunst des Mannes (s. DAZ Nr. 23 vom 7. Juni). Und damit nicht genug, stecken zwei weitere Produkte - die Phosphodiesterasehemmer Vardenafil und Tadalafil - in der klinischen Erprobung und hoffen, den Weg zur Zulassung noch im nächsten Jahr vollenden zu können (s. S. 42).
Muss sich Viagra - oder vielmehr Pfizer - also künftig warm anziehen? Seine Preispolitik jedenfalls kann der Arzneimittelhersteller vorerst getrost beibehalten. Die Abgabepreise für Uprima und Ixense (genaugenommen nur zwei Namen für ein und dasselbe Präparat) entsprechen exakt denen von Viagra. Als "Billigvariante" wollen sich die Apomorphinpräparate also nicht verstehen. Auch über das Instrument Werbung scheinen sie Viagra nicht übertrumpfen zu wollen. Fand dessen Markteinführung mit einem großen Donnerschlag statt - ein kostenloses und freiwilliges Geschenk der Medien an Pfizer - haben sich Uprima und Ixense eher still und bescheiden in den Apotheken eingeschlichen.
Kann sich Viagra also wieder entspannt zurücklehnen? Verdrängen können Uprima und Ixense Viagra sicher nicht, insofern lautet die Antwort ja. Seine Stellung als "Alleinherrscher" muss Viagra jedoch räumen. Es gibt jetzt nicht mehr "ein Potenzmittel für alle", sondern verschiedene Präparate für verschiedene Bedürfnisse. So können Uprima und Ixense beispielsweise auch bei gleichzeitiger Nitrateinnahme eingesetzt werden. Zudem tritt die Wirkung bei ihnen schneller ein. Sie eignen sich also für all diejenigen Männer, für die Viagra bisher kontraindiziert war oder denen die Stunde Warten zwischen Viagraeinnahme und Viagrawirkung bisher zu viel war. Vardenafil und Tadalafil, so sie tatsächlich auf den Markt kommen, könnten als "Pille für eine lange Nacht" oder auch "Wochenendpille" eine nette Ergänzung zu Sildenafil darstellen. Während letzteres nämlich nur für etwa vier Stunden wirkt, steigert Vardenafil den Untersuchungen zufolge die Potenz bis zu sechs Stunden lang. Tadalafil hat sogar eine Halbwertszeit von 17,5 Stunden, das heißt die Wirksamkeit beträgt fast zwei Tage. Ein weiterer interessanter Aspekt: Derzeit wird Tardanafil auch für den Einsatz bei Frauen getestet. Wer weiß, vielleicht gelingt dieser Substanz ja, was Viagra bisher nicht vermochte ...
Warten wir es ab. Es wird sich jedenfalls noch einiges tun im Bereich der Potenzpillen. Und es werden sicher nicht nur neue Möglichkeiten entdeckt werden, sondern auch neue Probleme dabei entstehen, sprich neue Nebenwirkungen auftauchen. Künftig wird man, bzw. Sie in Ihrer Apotheke, nicht nur darauf achten müssen, dass die Lust aus der Pille für den Kunden nicht aufgrund von Nitrateinnahme kontraindiziert ist, sondern auch darauf hinweisen müssen, dass es nach der Einnahme zu Übelkeit und Ohnmacht kommen kann (Apomorphin war schließlich mal ein Brechmittel, und auch wenn es in den für die hier beschriebene Indikation verwendeten Dosierungen diese Funktion nicht mehr haben soll, trat Nausea in Studien doch bei immerhin noch knapp sieben Prozent der Probanden auf). Von den möglichen Wechselwirkungen und unvorhergesehenen Zwischenfällen, die bei einer Halbwertszeit von 17,5 Stunden zu erwarten sein dürften, mal ganz zu schweigen.
Erstaunlich eigentlich, dass Arzneimittel mit solchen Gefahrenpotenzialen und in Anbetracht der Indikation, für die sie eingesetzt werden sollen, überhaupt so weit entwickelt werden konnten. Aber wahrscheinlich liegt es gerade an der Indikation. Gefahren, die man z. B. zur Senkung des Cholesterinspiegels als unverantwortlich bezeichnet, sehen eben ganz anders aus, wenn sie der Befriedigung der Lust dienen (oder warum sonst schreit kein Verbraucherschützer danach, dass Viagra vom Markt genommen wird?). Aber das nur am Rande ...
Es bleibt spannend. Und es wird sicher Beratungsbedarf ohne Ende und bestimmt eine neue Herausforderung auf Sie zukommen, zumal Kunden, die mit einem Rezept für ein Potenzmittel in der Apotheke auftauchen, ja von vornherein eine Herausforderung sind bzw. mit Samthandschuhen angefasst werden wollen. Wir wünschen Ihnen dabei viel Erfolg.
Beatrice Rall
Viagra ist nicht mehr alleine
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