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Arzneimittel und Therapie
Frischer Herzinfarkt: Fibrinolytikum mit Glykoprotein-IIb/IIIa-Hemmer kombinie
Nach einem Herzinfarkt muss der normale Blutfluss möglichst rasch wiederhergestellt werden. Je schneller der betroffene Herzmuskel-Bereich wieder vollständig durchblutet wird, desto größer ist der Nutzen für den Patienten. Als Reperfusionstherapie kommt eine perkutane transluminale Koronarangioplastie (PTCA) oder eine medikamentöse Fibrinolyse infrage.
Die PTCA als Erstmaßnahme erzielt hohe Erfolgsraten: Etwa drei Viertel der so behandelten Patienten haben 100 Minuten nach der Aufnahme ins Krankenhaus eine praktisch normale Durchblutung. Eine vergleichbare Perfusion erreichen bei einer Fibrinolyse mit dem Gewebe-Plasminogen-Aktivator Alteplase (Actilyse®) nach 90 Minuten nur 50 bis 55% der Patienten. Die medikamentöse Behandlung hat aber den Vorteil, dass sie schon auf dem Weg zum Krankenhaus durchgeführt werden kann.
Medikamentöse Therapie verbessern
Daher wird versucht, die medikamentöse Reperfusionstherapie weiter zu verbessern. Eine Möglichkeit hierfür könnten Glykoprotein-IIb/IIIa-Hemmer sein, die in den letzten Schritt der Plättchenaggregation eingreifen. Hierzu gehören Abciximab (ReoPro®), Eptifibatid (Integrilin®) und Tirofiban (Aggrastat®).
In mehreren Phase-II-Studien wurden bereits niedrig dosierte Plasminogen-Aktivatoren mit Glykoprotein-IIb/IIIa-Hemmern kombiniert. Verschiedene Parameter wiesen darauf hin, dass der Herzmuskel mit der Kombinationstherapie rascher, dauerhafter und vollständiger wieder durchblutet wird. Das entscheidende Kriterium für die Wirksamkeit bleibt jedoch das Überleben der Patienten nach dem Infarkt.
Kombination aus Reteplase und Abciximab
Daher wurde in der großen internationalen Studie GUSTO V eine Kombination aus niedrig dosierter Reteplase und normal dosiertem Abciximab mit einer alleinigen Reteplase-Therapie im Hinblick auf die 30-Tage-Sterblichkeit der Infarktpatienten verglichen. Dabei sollte geklärt werden, ob die Kombinationstherapie gegenüber der Monotherapie überlegen oder zumindest nicht unterlegen ist. Sekundäre Endpunkte waren 16 verschiedene Komplikationen des Herzinfarktes, darunter auch ein erneuter Infarkt.
Offenes Studiendesign
An über 800 Krankenhäusern in 20 Ländern nahmen 16 588 Patienten mit frischem Herzinfarkt teil. Das Studiendesign war offen. Randomisiert bekamen die Patienten innerhalb von sechs Stunden nach Infarktbeginn entweder eine Kombination aus Reteplase in halber Dosis mit dem Glykoprotein-IIb/IIIa-Hemmer Abciximab in voller Dosis (n = 8328) oder nur den Plasminogen-Aktivator Reteplase in normaler Dosis (n = 8260).
Ein Plazebo wurde nicht zusätzlich verwendet, um die aktive Behandlung nicht zu verzögern. Alle Patienten erhielten Acetylsalicylsäure und Heparin. Die behandelnden Ärzte entschieden, welche weiteren Medikamente erforderlich waren und ob Koronarangiographie und PTCA durchgeführt werden mussten. Die Reperfusionsbehandlung begann durchschnittlich 2,7 Stunden nach dem Beginn der Infarktsymptome. Die Begleitmedikamente waren in beiden Gruppen vergleichbar: Etwa 77% nahmen einen Betablocker und rund 56% einen ACE-Hemmer ein.
Kombination verringert Sterblichkeit
In den ersten 30 Tagen nach dem Infarkt verstarben 468 Patienten der Reteplase-Abciximab-Gruppe (5,6%) und 488 der Reteplase-Gruppe (5,9%). Im Vergleich zur Monotherapie war die 30-Tage-Sterblichkeit der Patienten unter der Kombinationstherapie um 5% verringert. Der Unterschied war nicht signifikant. Eine Überlegenheit konnte also nicht nachgewiesen werden. Die Kombinationstherapie erfüllte aber die Kriterien für die Nicht-Unterlegenheit.
Komplikationen waren seltener
Komplikationen des Herzinfarktes traten in den ersten sieben Tagen nach dem Infarkt oder bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus (falls diese eher erfolgte) unter der Kombinationstherapie seltener auf als unter der Monotherapie:
- insgesamt bei 28,6% gegenüber 31,7% der Patienten,
- ein erneuter Infarkt betraf 2,3% gegenüber 3,5% der Patienten,
- Tod oder nicht tödlicher Reinfarkt betraf 7,4% der Patienten mit der Kombination und 8,8% der Patienten mit der Monotherapie.
- Notfallmäßige Revaskularisationsmaßnahmen mussten in der Reteplase-Abciximab-Gruppe seltener durchgeführt werden als in der Reteplase-Gruppe.
- Intrakranielle Blutungen und nicht tödliche Schlaganfälle, die zu Behinderungen führten, traten in beiden Gruppen ähnlich häufig auf. Mittlere oder schwere Blutungen, die nicht den Kopf betrafen, traten unter der Kombination doppelt so oft auf (bei 4,6% gegenüber 2,3%). Während Blutungen bei koronaren Bypassoperationen und Herzkatheterisierungen nicht häufiger waren als unter der Monotherapie, traten spontane Blutungen - vor allem im Magen-Darm-Trakt - vermehrt auf.
Sehr niedrige Sterblichkeit
GUSTO V zeigt mit unter 6% die niedrigste 30-Tage-Sterblichkeit von Herzinfarktpatienten, die je in einer großen Fibrinolyse-Studie gefunden wurde. Die Kombinationstherapie ist der Monotherapie im Hinblick auf die 30-Tage-Sterblichkeit nicht überlegen, wohl aber im Hinblick auf nicht tödliche Komplikationen des Infarktes, darunter auch den Reinfarkt. Diesen Vorteilen der Kombination steht eine erhöhte Blutungsrate gegenüber. Zusätzliche Auswertungen dieser Studie müssen zeigen, welche Patienten von der Kombinationstherapie besonders profitieren und welche einem erhöhten Blutungsrisiko ausgesetzt sind.
In weiteren Studien muss die Rolle der Kombinationstherapie beim frischen Herzinfarkt weiter geklärt werden: zum Beispiel für andere Fibrinolytika und Glykoprotein-IIb/IIIa-Hemmer, aber auch für die Anwendung der Kombination vor der frühen Koronarangioplastie.
Kastentext: Dosierung der Studienmedikamente
Reteplase in normaler Dosis Zwei Boli aus je 10 U im Abstand von 30 Minuten
Reteplase in halber Dosis Zwei Boli aus je 5 U im Abstand von 30 Minuten
Abciximab Bolus aus 0,25 mg/kg Körpergewicht, gefolgt von einer zwölfstündigen Infusion aus 0,125 µg/kg Körpergewicht pro Minute (höchstens 10 µg pro Minute)
Literatur [1] The GUSTO V Investigators: Reperfusion therapy for acute myocardial infarction with fibrinolytic therapy or combination reduced fibrinolytic therapy and platelet glycoprotein IIb/IIIa inhibition: the GUSTO V randomised trial. Lancet 357, 1905 - 1914 (2001). [2] Verheugt, F. W. A.: GUSTO V: the bottom line of fibrinolytic reperfusion therapy. Lancet 357, 1898 - 1899 (2001).
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