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Colchicin in Nahrungsergänzungsmitteln?
In der von der American Chemical Society herausgegebenen Zeitschrift "Chemical Research in Toxicology" wurde von Petty und Mitarb. kürzlich publiziert, dass sie im Blut von schwangeren Frauen bis zu 760 µg/l Colchicin nachweisen konnten (1). Dieses Vorkommen korrelierte angeblich mit der Einnahme von Herbal Dietary Supplements. Daraufhin untersuchten die Autoren willkürlich ausgewählte Ginkgo biloba und Echinacea-Präparate aus der "Detroit area" und fanden in einem Ginkgo-Präparat 26 µg Colchicin pro Tablette, in einem Echinacea-Präparat 2 µg Colchicin pro Tablette. Als Schlussfolgerung sprachen sie eine Warnung vor entsprechenden pflanzlichen Produkten aus.
Was ist von diesem sensationellen Befund zu halten?
Bei Durchsicht des Originalartikels fallen einige experimentelle Ungereimtheiten auf: Zunächst bleibt unklar, ob sich die genannten Konzentrationen auf das Blut, das Serum oder die gemessenen 200-fach konzentrierten Proben beziehen. Es ist nicht recherchiert worden, welche Präparate und in welchen Mengen diese von den fünf betroffenen Frauen eingenommen worden waren. Es ist nicht einmal klar, welche Pflanzen in den Produkten enthalten waren. Die Auswahl der von den Autoren untersuchten Präparate ist entsprechend willkürlich und die analysierten Produkte werden in der Publikation nicht genannt. Die Autoren erwähnen auch nicht, warum sie gerade Ginkgo- und Echinacea-Präparate untersucht haben. Insofern ist der Nachweis von Colchicin in den einzelnen Präparaten ein Zufallsbefund.
Das Vorkommen von Colchicin in Ginkgo biloba und Echinacea-Arten ist bisher in der Literatur nicht belegt und auch nicht zu erwarten: Der Nachweis von Colchicin und biogenetisch verwandten Verbindungen ist bisher nur in Vertretern der Monocotyledonae – vor allem in Vertretern der Familie der Liliaceae s.l. sowie der Araceae (Arisaema curvatum) – beschrieben. Nach Recherchen in NAPRALERT wurde bisher in 91 Arten (28 Gattungen) der Liliaceae s.l. dieses toxische Alkaloid gefunden. Darüber hinaus ist ein nicht bestätigtes Vorkommen in Saussurea sacra (Asteraceae) beschrieben. Aus chemotaxonomischer Sicht wäre das Vorkommen von Colchicin in der taxonomisch zwischen den Nackt- und Bedecktsamern stehenden Ginkgoatae anzuzweifeln und insbesondere in den Asteraceae außergewöhnlich und bedarf einer genauen Überprüfung.
Die nach Veröffentlichung der Publikation durchgeführten spezifischen Untersuchungen von Ginkgo-Pflanzenmaterial, weiteren Ginkgo-Präparaten sowie – Extrakten führten jeweils zu negativen Ergebnissen (2, 3, 4). Damit bleibt ein natürliches Vorkommen von Colchicin in Ginkgo biloba weiter äußerst unwahrscheinlich.
Die gefundenen Colchicinmengen lassen sich daher vermutlich nur durch erfolgte Kontaminationen des Pflanzenmaterials, der Extrakte bzw. der verwendeten Hilfsstoffe erklären. Diese sind bei den ohne staatliche Kontrolle hergestellten und vertriebenen Dietary Supplements nicht auszuschließen; es muss aber angesichts der vielen positiven Befunde in dieser Studie auch in Betracht gezogen werden, dass möglicherweise die Laborausrüstung bzw. Analysengeräte kontaminiert waren. Dafür sprechen die z.T. sehr hohen, an sich toxischen Blutwerte und die Tatsache, dass auch in Blutproben von Frauen, die keinerlei Dietary Supplements genommen hatten, teilweise geringe Mengen an Colchicin nachgewiesen wurden. Eine Literaturrecherche hat ergeben, dass von derselben Arbeitsgruppe in früheren Versuchen Colchicin verwendet wurde (5), so dass eine Kontamination nicht auszuschließen ist.
Eine gewisse Klärung würde die Angabe der einzelnen erzielten Analysenergebnisse und deren statistischer Schwankung bringen, auf die die Autoren in ihrer Publikation jedoch verzichtet haben. Auch eine Leerkontrolle, wie sie bei einem solchen erstaunlichen Befund angezeigt gewesen wäre; wurde von den Autoren genau so wenig unternommen wie Analysen von Ginkgo-Pflanzenmaterial.
Neben weiteren methodischen Mängeln finden sich in dieser Publikation sowohl in der Einleitung als auch im Diskussionsteil vielerlei unkorrekte Aussagen und Schlussfolgerungen, die den Eindruck erwecken, dass es sich hierbei nicht um Resultate einer objektiven Untersuchung von Wissenschaftlern mit dem nötigen Sachverstand auf dem Gebiet der Phytopharmaka handelt.
Die Ergebnisse bedürfen somit insgesamt einer sorgfältigen Überprüfung, und es ist äußerst verwunderlich, dass das Review-Board einer angesehenen wissenschaftlichen Zeitschrift diesen Artikel akzeptiert hat, ohne dass die sich aufdrängenden Fragen gestellt und geklärt wurden.
Aus Sicht der GA bestehen größte Zweifel an der Validität dieser Ergebnisse. Es sollten deshalb keine voreiligen Schlüsse aus dieser Publikation gezogen werden.
Für die Gesellschaft für Arzneipflanzenforschung Prof. Dr. H. Scheffer, Universität Leiden – Präsident Prof. Dr. R. Bauer, Universität Düsseldorf – Vizepräsident Prof. Dr. B. Kopp, Universität Wien – Vizepräsidentin Priv.-Doz. Dr. S. Alban, Universität Regensburg Prof. Dr. A. Nahrstedt, Universität Münster
Literatur [1] Petty, H.R., Fernando, M., Kindzelskii, A.L., Zarewych, B.N., Ksebati, M.B., Hryhorczuk, L.M., Mobashery, S., Identification of Colchicine in Placental Blood from Patients Using Herbal Medicines, Chem. Res. Toxicol., 14 (9), 1254 – 1258, 2001 (September 17, 2001); Web Release Date: August 4, 2001 [2] American Botanical Council News Release, August 30, 2001 [3] American Herbal Products Association Update, Colchicine in Ginkgo Bogus! August 30, 2001 [4] Borman S., Toxin Reported in Supplements. Chemical & Engineering News August 13, 2001;79(33):33 – 34. [5] Kindzelskii, A.L., Xue, W., Todd, R.F., Boxer, L.A., Petty, H.R., Aberrant capping of membrane proteins on neutrophils from patients with leukocyte adhesion deficiency. Blood 1994, 83(6): 1650-5.
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