Feuilleton

Leipziger Zoo: Pongoland – Menschenaffen unter sich

Im Frühjahr 2001 hat der Leipziger Zoo in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie das Pongoland eröffnet. Das 30 000 Quadratmeter große Areal, auf dem einmal 60 Menschenaffen leben sollen, ist deren natürlichen Lebensräumen sorgfältig nachempfunden. Wissenschaftler des Wolfgang-Köhler-Zentrums für Primatenforschung beobachten und filmen die Tiere und werten das Dokumentationsmaterial aus. Darüber hinaus ist das Pongoland längst zu einem Publikumsmagnet avanciert.

In Westafrika wächst eine Pflanze namens Panda oleosa (Pandaceae, Euphorbiales), deren Früchte nahrhaft sind, aber eine sehr harte Schale haben. Diese Pandafrüchte stehen auch bei den Schimpansen auf dem Speisezettel.

Im Alter von sechs Jahren sind Jungtiere in der Lage, die harten Schalen so zu knacken, dass die Kerne nicht zu einem ungenießbaren Brei zermalmt werden, sondern unbeschädigt bleiben. Eigentlich bräuchten sie dafür eiserne Werkzeuge. Die Menschenaffen benutzen jedoch lediglich Steine, berichtet Dr. Jörg Noack, der Forschungskoordinator vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie Leipzig. Dazu ist viel handwerkliches Geschick erforderlich.

Verhaltensforschung in artgerechter Umgebung

Seit diesem Frühjahr ermöglicht es das Pongoland, bei Primaten in menschlicher Obhut deren Lernstrategien und Verhaltensweisen bei Problemlösungen zu untersuchen. Weltweit bisher einmalig sind vergleichende Studien an den vier Menschenaffenarten. Durch die Beobachtung von Schimpansen, Bonobos, Gorillas und Orang Utans soll eruiert werden, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten im Zuge der Evolution hinzugekommen und welche verloren gegangen sind, so Noack.

Wissenschaftler des neugegründeten Wolfgang-Köhler-Zentrums für Primatenforschung verfolgen und filmen also in der Dschungellandschaft des Pongolands von Hochständen aus das Verhalten und die Wahrnehmungsfähigkeit von Menschenaffen und beschäftigen sich mit Fragestellungen zur Entwicklung dieser Fähigkeiten bei Jungtieren und zu ihrem Lernverhalten. Auch Forschern und Studenten deutscher und internationaler Universitäten steht die Anlage offen. Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass die Arbeit der Wissenschaftler für das Publikum transparent gemacht wird.

In anderthalb Jahren entstanden mitten im Leipziger Zoo auf einem Gesamtareal von 30 000 Quadratmetern vier Freigehege sowie eine Tropenhalle mit transparentem Foliendach und Gehegen für Jungschimpansen, erwachsene Schimpansen, Bonobos, Orang Utans und Gorillas, welche den artspezifischen Lebensräumen detailgetreu nachgebildet wurden. Die Besucher gehen einen üppig begrünten Pfad entlang und können dabei die Primaten beobachten. Lediglich Gräben und Glasscheiben trennen sie von den Tieren.

Eine Chance für Waisenkinder

Im Rahmen des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP) sollen aus verschiedenen Zoologischen Gärten Europas insgesamt 60 Tiere für das Pongoland ausgewählt werden. Das Ziel ist ein Bestand von jeweils zehn Orang Utans, Bonobos und Gorillas. Die Schimpansengruppe soll hingegen 30 Tiere umfassen. Hier sei es jetzt schon gelungen, eine sozial gut funktionierende Population zusammenzustellen, so Noack.

Jungschimpansen, die von ihren Müttern oder dem sozialen Verband nicht angenommen worden sind, sollen in einem eigenen Gehege aufgezogen und später in die Gruppe integriert werden. Ihr Gehege ist so mit dem Gehege der anderen Schimpansen verbunden, dass die Tiere zum Beispiel durch einen vergitterten Türrahmen taktile Kontakte aufnehmen können. Die Tür kann nur so weit geöffnet werden, dass die Jungtiere zur Gruppe gelangen, erwachsene Schimpansen jedoch nicht das "Waisengehege" betreten können. Auf diese Weise lernen die jungen Primaten, über den Pfleger als Bezugsperson hinaus auch mit Artgenossen zu interagieren und zu kommunizieren. Heranwachsende Schimpansen, die nicht in Leipzig integriert werden können, sollen an Gruppen in anderen Zoologischen Gärten vermittelt werden.

Lange Lernphase

Junge Schimpansen, die bei ihrer Mutter aufwachsen, werden bis zum fünften Lebensjahr gesäugt, und häufig haben Schimpansentöchter sogar ihr Leben lang ein sehr inniges Verhältnis zu ihrer Mutter. Die Lernphase dauert – abhängig von der zu erlernenden Aufgabe – bis zu einem Alter von etwa zehn Jahren. Erwiesen ist, dass lange Lernphasen die Entwicklung des Denkvermögens fördern. Im "Waisengehege" soll nun beobachtet werden, wie und wann die Jungtiere kognitive Fähigkeiten entwickeln.

Alle Affen sind anders

Die Gorillas sind die größte Primatenart. Sie leben überwiegend am Boden und verbringen einen Großteil des Tages mit der Nahrungssuche. Ein ausgewachsenes "Silberrücken-Männchen" führt eine "Haremsgruppe" mit drei bis dreißig Weibchen, Jungtieren und jüngeren Männchen an. Bei den Bonobos, die jugendlichen Schimpansen sehr ähneln und mit diesen dem Mensch genetisch am nächsten stehen, dominieren hingegen die weiblichen Tiere. Erwachsene Weibchen schließen sich einer neuen Gruppe an. Soziale Spannungen werden bewusst mit sexuellen Aktivitäten gelöst.

Weibliche Orang Utans (d. h. "Waldmenschen") leben mit Jungtieren in Mutterfamilien, während die Männchen Kontakt zu paarungsbereiten Weibchen verschiedener Gruppen suchen. Diese Art hat sich am besten an das Leben auf Bäumen angepasst, die Tiere bewegen sich nur selten auf dem Boden.

Leipziger Zoo, Pfaffendorfer Straße 29, 04105 Leipzig Tel. (03 41) 5 93 35 00, Fax (03 41) 5 93 33 03 www.zoo-leipzig.de www.torstenheppe.de/pongo/p.html Geöffnet: Oktober 9 bis 18 Uhr, November bis März 9 bis 17 Uhr.

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