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Wie chloroformiert (Meinung zum ABDA-Umzug nach Berlin)
Doch diese Ausführungen, die Sie untenstehend nachlesen können, halte ich für wenig überzeugend. Klingt der Beschluss, den Dienstsitz der ABDA nach Berlin zu verlegen, noch vernünftig - eine kompetente Berufsvertretung am Ort des politischen Geschehens ist mit Sicherheit sinnvoll - scheinen mir doch die Protagonisten der Berliner ABDA-Villa wie chloroformiert ob des herrschaftlichen Gebäudes. Es kommt mir vor, als schauten die Verantwortlichen nicht nach links und nicht nach rechts, sondern sie haben nur diesen Schmuckbau vor Augen (evtl. eine Art Scharping-Pilati-Effekt?). Mit Vehemenz wird für die Anschaffung dieses Objektes plädiert. Jegliches Gefühl für Kosten und Außenwirkung scheint verloren gegangen zu sein. Hinzu kommt, dass ein Zeitdruck für die Entscheidung über den Kauf aufgebaut wird, der in keiner Weise zu rechtfertigen ist.
Warum stellt man keine anderen Objekte zur Wahl? Die Kammer Hessen beispielsweise schaute sich um und machte ein ebenso gut nutzbares Gebäude in guter Lage aus - für weniger als die Hälfte des Preises. Die ABDA will aber bereits am 30. Oktober 2001 darüber abstimmen lassen. Warum die Eile? Selbst ein Neubau in Berlin wäre denkbar - für 20 Millionen lässt sich da ein repräsentatives Bürogebäude erstellen - zwar nicht beim Gendarmenmarkt um die Ecke, aber doch nicht allzu weit vom politischen Geschehen entfernt.
Ich bleibe dabei: Ich vermisse das Fingerspitzengefühl bei der Auswahl des Objektes. Welche Wirkung entfaltet ein solches herrschaftliches Gebäude auf die Politiker, auf Kassenvertreter und letztendlich auf Patienten? (Wir können sicher sein, dass ein solches Gebäude mit Wonne von Journalisten und Reportern vorgeführt wird, wenn die Apotheker über hohe Kassenrabatte und geringere Spannen stöhnen.)
47 Millionen für etwa 25 Mitarbeiter - so die Relation, die zur Zeit im Gespräch ist. Das Haus in Eschborn soll beibehalten werden, einige Mitarbeiter werden nicht nach Berlin umziehen wollen oder können und die ABDA verlassen.
Und dann die Finanzierung: Einige Verbände und Kammern haben bereits signalisiert, gegen die Anschaffung des Gebäudes zu stimmen und die Finanzierung nicht mittragen zu wollen. Wie bereits angedeutet: die Beitragserhöhungen kommen auf Sie zu, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Wenn es bei den zur Zeit hinter vorgehaltener Hand gemunkelten 4 bis 5 Prozent bleibt, können Sie sich, können wir uns glücklich schätzen.
Alles in allem steht die Frage im Raum: Wird da mit den Mitgliedsbeiträgen verantwortungsvoll umgegangen?
Doch wir wollen Ihnen auch die Argumente der ABDA nicht vorenthalten, die Friese, Metzger und Keller mir übermittelten. Hier ihre Stellungnahme zu meinem Kommentar:
"Sehr geehrter Herr Ditzel, in Ihrem Editorial vom 18. Oktober 2001 berichten Sie sehr kritisch über die Absicht der ABDA, den Dienstsitz nach Berlin zu verlegen. Lassen Sie uns dazu wie folgt Stellung beziehen:
1. Die Absicht der ABDA, ihren Dienstsitz nach Berlin zu verlegen, basiert auf einem mit großer Mehrheit gefassten Beschluss der Hauptversammlung deutscher Apothekerinnen und Apotheker des Apothekertages 1996 in Leipzig. Seitdem wurden mehr als ein Dutzend Objekte auf eine mögliche Eignung geprüft, aber aus den verschiedensten Gründen als ungeeignet erachtet. Dem nun in Rede stehenden Objekt hat der Gesamtvorstand nach Besichtigung mehrheitlich zugestimmt, weil es das gewünschte Anforderungsprofil (Lage, Ausstattung, Büro-, Versammlungs- und "Lobbyräume" etc.) erfüllt.
2. In dem Kaufpreis ist bereits die komplette, neu- und hochwertige Büroausstattung sowie eine exzellente technische Ausrüstung enthalten. Der reine Gebäudepreis entspricht somit standortgemäßen Vergleichsobjekten.
3. Mit der Standortwahl leistet sich die ABDA keinen Luxus, sondern sie begibt sich in die Nachbarschaft anderer Verbände und Institutionen im Gesundheitswesen sowie der Politik, so wie das früher auch beim ABDA-Sitz in Bonn war. Im Gegensatz zu Bonn konzentrieren sich Politik und Verbände in Berlin aber viel stärker in ihrer Präsenz auf den Sitz der Regierung, sprich da, wo die "politische Musik spielt".
4. Das ABDA-Haus in Eschborn wird, nicht wie von Ihnen suggeriert, nicht mehr benötigt, sondern vollbelegt bleiben durch Govi-Verlag, Werbe- und Vertriebsgesellschaft und Marketinggesellschaft Deutscher Apotheker, die heute teilweise außerhalb des Apothekerhauses untergebracht sind.
5. Es ist richtig, dass die ABDA durch einen Umzug nach Berlin Mitarbeiter verlieren wird, wie übrigens viele andere Verbände auch, die bereits den Umzug nach Berlin vollzogen haben. Dieser schmerzhafte Verlust wird aber immer zu beklagen sein, egal ob die ABDA jetzt oder erst in einigen Jahren umzieht. Da inzwischen Gesundheitsreformen nicht alle paar Jahre stattfinden, sondern, wie wir alle leider feststellen müssen, zu einem kontinuierlichen Prozess geworden sind, gibt es auch keinen "günstigen" Zeitraum für einen Umzug. Allerdings wäre ein Umzug nach erfolgter Bundestagswahl und der dann zu erwartenden Gesundheitsreform Anfang 2003 oder später "noch ungünstiger" als im Sommer 2002. Außerdem binden Planung und Durchführung eines Neubaues immer auch Kräfte für mindestens 2 bis 3 Jahre; unsere ganzen Kräfte benötigen wir aber für eine effiziente Interessenvertretung für unseren Berufsstand.
6. Ihr Vorschlag einer erweiterten Kopfstelle in Berlin wurde vorab ausführlich intern geprüft und verworfen, da in einer nur kleinen Mannschaft, wie sie die ABDA-Geschäftsstelle darstellt, nur durch intensiven täglichen Kontakt, Diskussionen und Gedankenaustausch eine effektive Arbeit möglich ist. Eine Kopfstelle in Berlin ohne ausreichende Zuarbeit wäre nur halbherzig. Dies wird auch von anderen Verbänden und den "Rest-Ministerien" in Bonn so gesehen.
7. Die vorgelegte Finanzierungsgrundlage für den Erwerb der Immobilie in Berlin sowie für die Folgekosten ist solide und angemessen: Unter Berücksichtigung aller Umstände und vor allem des "politischen Nutzens" halten wir den Erwerb des in Rede stehenden Gebäudes für geboten.
Über Geschmack lässt sich streiten, sicherlich auch, was den repräsentativen Charakter eines Teils des Gebäudes angeht; von einem Prunk- und Prachtbau nach Gutsherrenart kann keine Rede sein. Das Bekenntnis unseres Berufsstandes zu Historie und Tradition passt gerade auch in unsere Zeit.
Wir sind uns der Probleme, die ein Umzug der ABDA nach Berlin macht, voll bewusst. Berlin ist aber nicht Bonn. Bereits in wenigen Jahren werden auch die Ärzteorganisationen ihren Sitz in Berlin haben. Die restlichen Ministerien und auch die Spitzenverbände der Krankenkassen werden folgen. Da macht es keinen Sinn, wenn die Apotheker vom fernen Eschborn aus zuschauen wollen, wie sich die Politik in der Hauptstadt entwickelt, teilweise dann ohne uns, ist zu befürchten. In Berlin ist derzeit zu hören: "Präsenz bedeutet auch Präferenz".
Sehr geehrter Herr Ditzel, ein Objekt bzw. eine beabsichtigte Kaufentscheidung derart einseitig darzustellen, auf dieser einseitigen Darstellung Meinung einzuholen und diese "Meinungsbildung" zu veröffentlichen, grenzt an Manipulation. Bleiben wir bei den Fakten und bei der Nutzenbildung für unseren Berufstand.
Hans-Günter Friese, Präsident der ABDA, Johannes Metzger, Präsident der Bundesapothekerkammer, Hermann-Stefan Keller, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes".
Soweit die Stellungnahme der ABDA-Spitze. Wer lesen kann, hat verstanden. Die Abstimmung von Kammern und Verbände wird spannend. Wie gesagt, letztendlich geht es auch um Ihre Zwangsbeiträge bei Kammern und Ihre freiwilligen Beiträge zu den Vereinen.
Ein Apothekertagsbeschluss aus dem Jahre 1996 ermächtigt unsere Berufsvertretung, die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände – ABDA, ihren Hauptsitz von derzeit Eschborn nach Berlin zu verlegen. In der letzten Ausgabe unserer AZ übten wir Kritik – nicht an diesem Vorhaben, sondern konkret am Kauf einer 47 Millionen DM teuren Dienstvilla. Während zahlreiche Kammern und Verbände Widerstand signalisiert haben, hält die ABDA am Erwerb der Luxus-Immobilie fest. Lesen Sie die Stellungnahme der ABDA und beachten Sie auch die Leserbriefe in dieser Ausgabe.
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