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Nahrungsergänzung
U. GroeberKreatin, der "Muskelenergator" – Nut
Der muskuläre Energiestoffwechsel
Die wichtigste Energiequelle für die Muskelleistung ist Adenosintriphosphat (ATP). Bei körperlicher Belastung wird die mechanische Energie der Muskelkontraktion direkt durch die hydrolytische Spaltung von ATP in Adenosindiphosphat (ADP) und Phosphorsäure bereitgestellt. 1 Mol ATP liefert etwa 8 kcal (33 kJ): ATP + H2O -> ADP + H3PO4 + Energie
Die in der Muskulatur verfügbare ATP-Menge ist jedoch begrenzt und reicht daher nur für wenige Kontraktionen aus: bei einem 100-m-Sprint z. B. für etwa 2 bis 3 Sekunden. ATP kann aber bereits während des Abbaus neu gebildet werden: Die Muskelzelle spaltet anaerob das schnell verfügbare Kreatinphosphat (KrP) und phosphoryliert ADP zu ATP. Nach 10 bis 20 Sekunden intensiver Belastung sind auch die KrP-Speicher entleert.
Eine andere Energiequelle sind das Muskelglykogen und die aus der Blutbahn aufgenommene Glucose, die bei normaler Belastung durch aerobe Glykolyse in Pyruvat umgewandelt und im Citratzyklus (Atmungskette) unter Energiegewinnung zu CO2 und H2O oxidiert werden. Bei extremen Belastungen wie zum Beispiel beim 400-m-Sprint reicht der für die aerobe Glykolyse notwendige Sauerstoff allerdings nicht aus. Dann wird Glucose durch anaerobe Glykolyse über Glucose-6-phosphat zu Lactat abgebaut. Der mit der Anreicherung von Milchsäure verbundene Abfall des pH-Wertes in der Muskelzelle hemmt allerdings die ATP-Bildung.
Durch Training kann die aerobe Glykolyse gesteigert werden. Dabei hängt die Sauerstoffverwertung auch von der Anzahl der Mitochondrien in der Muskelzelle ab. Spitzensportler besitzen nicht nur eine an das energiegewinnende System optimal angepasste Enzymausstattung, auch ihre muskuläre Mitochondriendichte ist gegenüber Untrainierten deutlich erhöht.
Bei Ausdauerleistungen (z. B. Biathlon, Marathon, Triathlon) oxidiert die Muskelzelle zur Energiegewinnung in zunehmendem Maße freie Fettsäuren (beta-Oxidation). Bemerkenswert ist, dass eine höhere beta-Oxidation die Glykolyse hemmt. Diese Einsparung von Glucose ist günstig, weil die Zellen des Zentralnervensystems, die Erythrozyten und einige Zellen des Nierenmarks ihren Energiebedarf ausschließlich mit Glucose decken und auf eine ausreichende Versorgung mit diesem Substrat angewiesen sind.
Physiologische Bedeutung von Kreatin
Kreatin wurde im Jahre 1835 von dem französischen Chemiker Chevreul als natürlicher Inhaltsstoff des Rindfleisches (griech. kreas = Fleisch) entdeckt [1, 2]. Der Körper eines 70 kg schweren Erwachsenen enthält etwa 120 bis 140 g dieser Verbindung. 95% des Gesamtkörperpools befinden sich in der Skelettmuskulatur - davon etwa ein Drittel in freier Form und zwei Drittel als Kreatinphosphat. Die restlichen 5% verteilen sich auf Gehirn, Herzmuskel und Hoden. Vegetarier weisen in der Regel einen geringeren Kreatin-Gesamtgehalt auf als Menschen, die sich von Mischkost ernähren.
Kreatin spielt eine zentrale Rolle im Energiestoffwechsel von Zellen mit hohem und fluktuierendem Energiebedarf; dazu zählen Zellen der Skelett- und Herzmuskulatur, des Zentralnervensystems und die Spermien. Schlüsselenzym der zellulären Kreatin-Bioenergetik ist die Kreatinkinase. Sie steuert das Kreatinphosphat-ATP-System und ist in ihrer Funktion Magnesium-abhängig.
Die Erregung von Nerven- und Muskelzellen sowie die damit verbundene Regulierung des aktiven Ionentransportes (Mg2+, Ca2+, Na+, K+) sind obligat an die Verfügbarkeit von ATP geknüpft. Der ATP-Gehalt der Muskulatur ist zwar sehr begrenzt, er kann jedoch durch die Spaltung von Kreatinphosphat (KrP) und die Umwandlung von ADP in ATP sehr schnell ergänzt werden (siehe oben). Die Kreatinkinase katalysiert dabei die Übertragung der energiereichen Phosphat-Gruppe von KrP auf ADP. Da diese Form der muskulären Energiebereitstellung keinen Sauerstoff benötigt und ohne die Bildung von Lactat abläuft, wird das KrP-ATP-System auch als anaerob-alactacides System bezeichnet.
Kreatin in Lebensmitteln
Kreatin ist ein natürlicher Nährstoff, der hauptsächlich in tierischen Lebensmitteln, vor allem in Fleisch und Fisch, vorkommt (Tab. 1). Pflanzliche Lebensmittel enthalten nur wenig Kreatin. Um 5 g Kreatin mit der Nahrung aufzunehmen, müsste man etwa 1 kg Rindfleisch verzehren.
Biosynthese von Kreatin
Kreatin ist eine körpereigene Verbindung, die aus den Aminosäuren Arginin, Glycin und Methionin gebildet wird. Die dafür notwendigen Enzyme sind beim Menschen in den proximalen Nierentubuli, in der Leber, im Pankreas, in der Milz und im Gehirn lokalisiert.
In der Niere wird zunächst die Guanidino-Gruppe von Arginin auf Glycin übertragen. Das entstandene Guanidinoacetat (GAA) wird anschließend in der Leber durch das Enzym Guanidinoacetat-Methyltransferase (GAMT) zum Kreatin methyliert und über den Blutkreislauf an die Gewebe verteilt. In die Muskelzelle wird Kreatin mittels eines Natrium-abhängigen Transportproteins aufgenommen. Insulin steigert in hohen Konzentrationen die muskuläre Kreatin-Akkumulation [3]. In der Muskelzelle wird Kreatin durch die Kreatinkinase reversibel zum energiereichen KrP phosphoryliert. Das dazu notwendige ATP stammt aus dem aeroben Abbau von Glucose und Fettsäuren.
Tierversuche haben gezeigt, dass die langfristige exogene Kreatin-Zufuhr in hoher Dosierung die körpereigene Kreatin-Synthese herabsetzt. Auch die Synthese des Kreatin-Transportproteins, das die zelluläre Kreatin-Aufnahme steuert, wird downreguliert [4].
Ausscheidung
Kreatinphosphat wird unter Ringschluss und Abspaltung von Phosphat zu Kreatinin abgebaut. Letzteres wird in den Nieren glomerulär filtriert und mit dem Urin ausgeschieden. Bei normaler Muskelfunktion ist die Kreatinin-Bildung nur von der Muskelmasse abhängig, sodass Kreatinin in weitgehend konstanten Mengen (Mann: 0,8 - 2,4 g/24 h; Frau: 0,6 - 1,8 g/24 h) ausgeschieden wird. Bei erhöhter exogener Zufuhr von Kreatin steigen die Kreatinin-Serumspiegel und damit auch die renale Kreatinin-Clearance.
Bedarf
Der Organismus eines 70 kg schweren Erwachsenen verliert pro Tag etwa 2 g Kreatin in Form von Kreatinin über die Niere. Diese Menge wird zu etwa gleichen Teilen über die Nahrungsaufnahme (ca. 1 g/d) und über die körpereigene Kreatin-Biosynthese (ca. 1 g/d) ersetzt [1].
Resorption
Kreatin wird im Gastrointestinaltrakt wahrscheinlich quantitativ resorbiert [5]. Die Aufnahme in die Skelettmuskulatur kann durch körperliche Aktivität und/oder Einnahme von schnell resorbierbaren Kohlenhydraten mit hohem glykämischem Index (z. B. Maltodextrine) erhöht werden. Bei den Kohlenhydraten dürfte die durch den erhöhten Blutzuckerspiegel stimulierte Insulinsekretion für die gesteigerte muskuläre Kreatin-Aufnahme verantwortlich sein [6].
Kreatin im Sport
Die Nachricht, dass eine Reihe internationaler Topathleten, unter ihnen auch der Sprintolympiasieger von 1992, Linford Christie, regelmäßig Kreatin zur Verbesserung der körperlichen Leistung einnehmen, verursachte Mitte der 90er-Jahre buchstäblich einen "Run" auf Kreatin-haltige Nahrungsergänzungsmittel. Immer wieder imponieren subjektive Berichte über erstaunliche Leistungssteigerungen durch Kreatin, insbesondere im Sprintbereich. Auch im freizeit- und leistungsorientierten Breitensport gehören Kreatin-Päparate mittlerweile zu den am häufigsten eingenommenen Nahrungsergänzungsmitteln.
An die Kreatin-Substitution (s. Kasten) werden hohe Erwartungen geknüpft, die zusätzlich durch das breite Angebot an Kreatin-haltigen Nahrungsergänzungsmitteln geschürt werden. Sportler erhoffen sich durch die Einnahme von Kreatin vor allem eine erhöhte körperliche und mentale Leistungsfähigkeit, verkürzte Regenerationszeiten sowie eine Steigerung der Muskelzellmasse und Muskelkraft.
Sprint-, Kraft- und Ausdauersport
Eine Erhöhung der intramuskulären Kreatinphosphat-Speicher verzögert den ATP-Mangel bei kurzen, sich wiederholenden Belastungen mit maximaler Intensität. Notwendige Erholungsphasen werden durch die gesteigerte Kreatinphosphat- und ATP-Resynthese verkürzt und die individuelle körperliche Leistungsfähigkeit im anaerob-alactaciden Bereich gesteigert [10, 11].
Eine tendenziell verminderte Bildung von Hypoxanthin, Ammoniak und Lactat lässt ebenfalls auf eine erhöhte ATP-Verfügbarkeit und ein erhöhtes anaerobes Leistungspotenzial durch Kreatin schließen. Bei kurz andauernden Belastungen wie zum Beispiel im Sprint kann ab einer bestimmtem Intensität der ATP-Abbau die ATP-Regeneration übersteigen, mit der Folge einer vermehrten Bildung von Hypoxanthin und Harnsäure [12].
Subjektive Leistungssteigerungen durch Kreatin sind vor allem im Schnellkraft- und Kraftausdauerbereich beobachtet worden. Je höher zum Beispiel der Kreatinphosphat-Speicher in der Muskulatur eines Sprinters ist, desto länger ist er in der Lage, seine maximale Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Die gesteigerte muskuläre Belastbarkeit und bessere Regenerationsfähigkeit sollen es dem Athleten in der Phase der Wettkampfvorbereitung zudem ermöglichen, auf einem höheren Leistungsniveau zu trainieren.
Kreatin wird zunehmend auch in Mannschafts- (z. B. im Fußball) und Ausdauersportarten eingesetzt. Im Fußball wäre beispielsweise eine verbesserte Sprintkapazität der Stürmer und Verteidiger denkbar [22]. Auch Ausdauersportler profitieren möglicherweise von einer Kreatin-Substitution durch ein besseres Stehvermögen bei einem End- oder Zwischenspurt [21].
Die Wirksamkeit einer oralen Kreatin-Substitution unterliegt starken interindividuellen Schwankungen: Es gibt Responder und Non-Responder [2]. Eine signifikante Erhöhung der muskulären Kreatinspeicher durch orale Applikation von Kreatin-Monohydrat ist vor allem bei Personen mit niedrigen Ausgangswerten zu erwarten.
Ein Wundermittel ist Kreatin ganz bestimmt nicht! Ohne sportwissenschaftlich fundierte Trainingsmethoden, die optimal durchgeführt werden, wird aus einem Sportler auch durch Kreatin kein Olympiasieger - eher ein Dopingopfer!
Kreatin und Doping
Eine Kreatin-Substitution im Leistungssport sollte immer kontrolliert, sportartspezifisch und zielgerecht erfolgen. Kreatin-haltige Nahrungsergänzungsmittel stehen nicht auf der Liste der verbotenen Substanzen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Seit geraumer Zeit ist Kreatin allerdings ins Gerede gekommen, nachdem bekannt wurde, dass einige Kreatin-Präparate mit anabolen Steroiden verseucht sind und die Einnahme zu unerwarteten Dopingfällen geführt hat.
Jüngstes Opfer ist die Wattenscheider Speerwerferin und deutsche Rekordhalterin in der weiblichen Jugend (U20) Carolin Soboll [23]. In einer von ihr im Rahmen einer Wettkampfkontrolle abgegebenen Probe wurden erhöhte Nandrolon-Werte nachgewiesen. Die Athletin hatte neben anderen Nahrungsergänzungsmitteln auch ein Kreatin-Präparat verwendet. Eine laborchemische Untersuchung des Präparates ergab den Nachweis von insgesamt acht verbotenen Steroidhormonen (v. a. Nandrolon) in unterschiedlichen Konzentrationen. Der Internationale Leichtathletik-Verband sperrte die Athletin daraufhin für zwei Jahre.
Der Fall der 19-jährigen Carolin Soboll verdeutlicht auf tragische Weise, dass insbesondere im Spitzensport eine Kreatin-Einnahme nie ohne kompetente sportärztliche und pharmazeutische Beratung durchgeführt werden sollte. Verantwortungslos und unverständlich ist die dilettantische Verhaltensweise seitens des DLV und der betreuenden Trainer, die gerade über die Dopingproblematik im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel informiert sein sollten. Hier gilt der Spruch aus der Fernsehwerbung: Zu Risiken und Nebenwirkungen ... fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker! (HWG, § 4 [5]).
Einnahme-Hinweis
Bei einer Kreatin-Kur sollte wegen der vermehrten Wassereinlagerung in die Muskelzelle dem Körper ausreichend Flüssigkeit zugeführt werden (2 - 3 l Wasser/d). Es wird empfohlen, die Tagesdosis in zwei Einzelgaben aufzuteilen, wobei die erste ca. 30 bis 45 Minuten vor dem Training und die zweite unmittelbar danach eingenommen wird. Kohlenhydrate mit hohem glykämischen Index sollen die Kreatin-Aufnahme in die Muskelzelle steigern (s. o.). Durch den Zusatz von Magnesium können mögliche muskuläre Störungen reduziert werden. Kreatin sollte nicht zusammen mit Coffein-haltigen Getränken eingenommen werden, da Coffein den ergogenen Effekt des Kreatinphosphats verringern kann [24].
Obwohl auch bei langfristiger Anwendung keine schwerwiegenden Nebenwirkungen beobachtet wurden [25], kann eine dauerhafte hochdosierte Einnahme wegen der ungünstigen Wirkung auf die endogene Kreatin-Synthese nicht empfohlen werden.
Für Sportler wird, abgesehen von einem hochdosierten Kreatin-Loading (z. B. 20 g/d über 5 - 6 Tage), ein Substitution von 2 bis 5 g pro Tag empfohlen. In Abhängigkeit von der Trainingsintensität und Wettkampfvorbereitung sollten regelmäßig Einnahmepausen eingehalten werden.
Nebenwirkungen
Bei kurzzeitiger Anwendung und Einhaltung von Einnahmepausen werden keine Nebenwirkungen beobachtet.
Mögliche Nebenwirkungen einer dauerhaften Kreatin-Applikation sind eine sinkende endogene Kreatin-Synthese, steigendes Körpergewicht (Wassereinlagerung), reduzierte intrazelluläre Verfügbarkeit von Magnesium und muskuläre Hypertonisierungen (erhöhte Krampfanfälligkeit). Bei hoher Dosierung (z. B. 20 g/d) über einen längeren Zeitraum (> 28 Tage) kann aufgrund der gesteigerten Ausscheidung von Kreatinin eine erhöhte Nierenbelastung nicht ausgeschlossen werden.
Mögliche Belastungen der Leber könnten die bei der industriellen Herstellung von Kreatin aus den Ausgangsstoffen Sarkosin und Cyanamid entstehenden Verunreinigungen (z. B. Dicyandiamid, Dihydrotriazin) hervorrufen [13].
Neuromuskuläre und neurodegenerative Erkrankungen
Störungen im zellulären Energiestoffwechsel spielen in der Pathophysiologie neurodegenerativer und neuromuskulärer Erkrankungen eine zentrale Rolle. Die Zellen des zentralen und peripheren Nervensystems zeichnen sich durch einen besonders hohen Energiebedarf und ATP-Umsatz aus. Es verwundert daher nicht, dass Kreatin auch bei der Regulierung der zellulären Bioenergetik des Zentralnervensystems eine wichtige Funktion übernimmt. Die bisher vorliegenden Studienergebnisse deuten darauf hin, dass Kreatin möglicherweise ein wertvolles Therapeutikum in der adjuvanten Therapie folgender neurologischer Erkrankungen darstellt.
GAMT-Mangel
Ein genetischer Defekt der Guanidinoacetat-Methyltransferase (GAMT) ist mit einer zerebralen Kreatin-Depletion und schweren progressiven extrapyramidalen Bewegungsstörungen verbunden. Die hochdosierte perorale Gabe von Kreatin-Monohydrat (4 - 8 g/d) führte bei einem Kind mit einem angeborenen GAMT-Mangel zu einer dramatischen Verbesserung der Bewegungs- und Koordinationsstörungen sowie zur Normalisierung der pathologischen Frequenzänderungen im Elektroenzephalogramm (EEG). Unter der Kreatinsupplementierung (25 Monate) normalisierte sich sowohl der zerebrale als auch der Gesamtkörper-Kreatinpool [26]. Die Störung der endogenen Kreatin-Biosynthese in Form des GAMT-Mangels unterstreicht die Sonderstellung des Kreatins im zerebralen Energiestoffwechsel.
Duchenne'sche Muskeldystrophie
Die Muskeldystrophie vom Duchenne-Typ ist eine X-chromosomal rezessiv vererbte degenerative Erkrankung der Skelettmuskulatur. Sie ist gekennzeichnet durch Muskelschwäche und progressive Muskeldystrophie. Die Krankheit beginnt meist zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr und schreitet unaufhaltsam fort. Ihre Ätiologie ist noch nicht vollständig geklärt. Ein genetisch bedingter Membrandefekt aufgrund des Fehlens des Dystrophinproteins mit Erhöhung der Membranpermeabilität und gestörter intrazellulärer Calciumhomöostase wird diskutiert.
Als Zeichen einer chronischen Skelettmuskelschädigung ist die Aktivität der Kreatinkinase im Serum erhöht. Untersuchungen an Zellkulturen deuten darauf hin, dass Kreatin über Wechselwirkung mit der Ca2+-ATPase des sarkoplasmatischen Retikulums einen übermäßigen Calciuminflux in die Muskelzelle verhindert und die gestörte muskuläre Bioenergetik (ATP-Depletion, Apoptose) normalisiert [27].
Ein Anstieg der Thiobarbitursäure-reaktiven Substanzen (TBARS) und reduzierte Aktivität antioxidativ wirksamer Enzymsysteme (SOD) im Plasma von Patienten mit Duchenne'scher Muskeldystrophie lassen zusätzlich vermuten, dass auch oxidative Prozesse an der Pathogenese neuronaler Membranschäden beteiligt sind [28, 29].
In Pilotstudien des kanadischen Neurologen Tarnopolsky an Patienten mit verschiedenen neuromuskulären Erkrankungen wurde unter der kurzfristigen Substitution von Kreatin-Monohydrat eine deutliche Kraftzunahme, insbesondere an den Händen (Griffstärke) und den Kniegelenken (Kniegelenksextensoren), beobachtet [30, 31]. Erste klinische und plazebokontrollierte Doppelblindstudien an Patienten mit Muskeldystrophien (Duchenne-Typ, Becker-Dystrophie) bestätigen, dass sich durch eine gezielte Substitution mit Kreatin-Monohydrat der gestörte Energiehaushalt der Nerven- und Muskelzellen verbessern und Symptome wie Muskelschwäche und Müdigkeit lindern lassen [32, 33].
Amyotrophe Lateralsklerose
Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) gehört neben der Demenz vom Alzheimer-Typ, dem Morbus Parkinson und der Multiplen Sklerose zu den neurodegenerativen Erkrankungen. Die motorische Systemdegeneration führt über eine Zerstörung von Nervenzellen des Rückenmarks zu einem Verlust an Muskelsubstanz mit der Folge von Muskelschwäche und Muskelatrophie. Störungen im Glutamatstoffwechsel (exzitatorischer Neurotransmitter) und oxidative Schäden (freie Radikale) der mitochondrialen Enyzmkomplexe werden u. a. für die Entstehung der Erkrankung verantwortlich gemacht. Ein Gendefekt der antioxidativ wirksamen Superoxiddismutase (SOD) konnte bei ALS nachgewiesen werden.
Die Ergebnisse einer tierexperimentellen Studie der Harvard Medical School an transgenen ALS-Mäusen mit SOD-Mutation deuten darauf hin, dass Kreatin über die Stabilisierung der mitochondrialen Kreatinkinase und Verminderung der Membranpermeabilität für Ca2+-Ionen in der Lage ist, neuronale Membranschäden durch oxidativen Stress zu verhindern. Die orale Gabe von Kreatin führte bei den transgenen ALS-Mäusen dosisabhängig zu einer signifikanten Verlängerung der Überlebenszeit und Verbesserung der motorischen Funktionen [34]. Möglicherweise eröffnet Kreatin, neben Riluzol und antioxidativ wirksamen Mikronährstoffen wie Vitamin E und Selen, eine neue therapeutische Strategie in der Behandlung der ALS.
Pathophysiologische Analogien in der zellulären Bioenergetik wecken zudem die Hoffnung auf eine potenzielle therapeutische Anwendung des Kreatins bei Morbus Parkinson, Multipler Sklerose, Demenz vom Alzheimer-Typ oder kardiovaskulären Erkrankungen wie der Herzinsuffizienz.
Tabelle 1: Kreatingehalt ausgewählter Lebensmittel (in g/kg)
- Hering: 6 - 10
- Thunfisch: 4 - 6,5
- Schweinefleisch: 5
- Rindfleisch: 4,5 - 5
- Milch: 0,1
Kastentext: Mehr leisten
Die Idee des Menschen, seine körperliche Leistungsfähigkeit durch den Verzehr leistungsfördernder Substanzen zu verbessern, ist so alt wie der Sport selber. Schon in der Antike versuchten die griechischen Athleten, ihre sportliche Leistung durch die Einnahme von bestimmten Kräutern, Pilzen oder tierischen Geschlechtsorganen wie zum Beispiel Stierhoden zu steigern.
Kastentext: Potenziell leistungsfördernde bzw. ergogene Mikronährstoffe
- Kreatin-Monohydrat
- L-Carnitin
- Aminosäuren: L-Arginin, L-Glutamin, L-Ornithin, L-Lysin, BCAA (Leucin, Isoleucin, Valin)
- Coenzym Q10
- Chrom
Kastentext: Energiereserven und Nährstoffquellen zur ATP-Bildung
Anaerob
- Spaltung von Kreatinphosphat (KrP): KrP + ADP -> Kr + ATP
- Abbau von Muskelglykogen, der Speicherform der Glucose: Glykogen -> Glucose-6-phosphat -> Lactat
anaerob
- Glucose -> CO2 + H2O
- Glykogen -> CO2 + H2O
- Fettsäuren -> CO2 + H2O
Für kurze und intensive Schnellkraftleistungen (z. B. 100-m-Sprint, 50-m-Freistil) verwendet die Muskelzelle das sehr schnell verfügbare KrP als Energiequelle. Je länger die Belastungsdauer, desto mehr greift der Körper auf die oxidative Verwertung von Nährstoffen zurück. So werden bei langandauernden Belastungen mit mittlerer Intensität wie beim Marathonlauf überwiegend die nur langsam verfügbaren Fettsäuren verbrannt.
Kastentext: Kreatin-Loading
Die normale muskuläre Kreatinkonzentration liegt zwischen 90 und 125 mmol/kg Trockenmasse und kann, insbesondere bei erniedrigten Ausgangswerten, durch eine hochdosierte orale Kr-Zufuhr (Kreatin-Loading: 20 g/d über 5 - 6 Tage) um bis zu 20% (25 mmol/kg) auf 150 mmol/kg gesteigert werden (obere Sättigungsgrenze: 150 - 160 mmol/kg) [7, 8]. Eine andere, jedoch länger dauernde Möglichkeit, um den Kreatinpool mit dem gleichen Effekt zu erhöhen, besteht in der Einnahme von 3 g/d über einen Zeitraum von 28 Tagen. Bei beiden Methoden ist im Anschluss die Zufuhr von 2 g Kreatin täglich als Erhaltungsdosis ausreichend.
Kastentext: Kreatin-Substitution
Eine Kreatin-Substitution bewirkte folgende potenziell ergogenen Effekte:
- Signifikante Erhöhung der muskulären Kreatin- und KrP-Konzentrationen, insbesondere bei niedrigen Ausgangswerten [8]
- Verbesserte anaerobe ATP-Verfügbarkeit der Muskulatur und Stimulation des KrP-ATP-Systems [13]
- Verlängerung der anaerob-alactaciden Leistungsfähigkeit bei kurzen, sich wiederholenden Belastungen mit maximaler Intensität (z. B. Bankdrücken, Hocksprünge, 100-m-Freistil) [14, 15]
- Steigerung der fettfreien Körperzellmasse (bis zu 2,7 kg) [14, 16]
- Geringere Bildung von Hypoxanthin, Ammoniak und Lactat unter körperlicher Belastung, weil ATP-Resyntheserate und anaerobes Leistungspotenzial steigen [17 - 19]
- Wachstumshormon-Sekretion steigt [20]
- Training und Wettkampfvorbereitung: - Höhere Belastbarkeit und Belastungstoleranz (Intensitätsstufe, Umfang) - Verkürzte Regenerationsphase und verzögerte Muskelermüdung - Höheres Stehvermögen und verbesserte Kurzzeitausdauer
- Bodybuilding: - Kraft- und Muskelzuwachs* - Beschleunigter Muskelaufbau*
- Ausdauer- und Kraftausdauersportarten: Zunahme der Schnellkraftleistung innerhalb und am Ende der Ausdauerbelastung - möglicherweise verbesserte aerobe Kurzzeitausdauer [21]
- Beschleunigter Muskelaufbau bei Rekonvaleszenten*
- Bessere geistige Leistungsfähigkeit, vor allem in Stressperioden*
*Zum Teil auf empirischen und subjektiven Erfahrungen beruhend.
Kastentext: Kreatin im Bodybuilding
Im Bodybuilding wird Kreatin subjektiven Erfahrungen zufolge mit einer Zunahme der Maximalkraft, einem besseren "Muscle-Pump", einer höheren Trainingsintensität sowie einer Gewichtszunahme von bis zu 4 kg in Verbindung gebracht. Dabei dürfte die Gewichtszunahme der fettfreien Körpermasse ("lean body mass") in erster Linie auf die vermehrte Einlagerung von Wasser in die Muskulatur und nicht auf potenziell anabole Effekte des Kreatins, wie z. B. die Stimulation der Muskelproteinsynthese, zurückzuführen sein.
Dosierung
- Ladephase: 5 bis 6 Tage lang relativ hohe Dosen von bis zu 30 g Kreatin/d, aufgeteilt in 4 Einzelgaben.
- Dosisreduktion: 5 Tage lang reduzierte Dosis (etwa 2/3 der Ladephase - z. B. 20 g/d), aufgeteilt in 4 Einzelgaben.
- Training: Dosisreduktion auf etwa 1/3 der Ladedosis (ca. 10g/d), die nur an Trainingstagen zugeführt wird. Die Tagesdosis wird in 2 Einzelgaben aufgeteilt, wobei die erste ca. 45 Minuten vor dem Training und die zweite unmittelbar danach eingenommen wird.
Nach einem Monat wird eine Einnahmepause von 4 Wochen eingelegt (der Beginn des nächsten Zyklus ist auch abhängig von der Wettkampfvorbereitung).
Kastentext: Mögliche Ursachen für einen erhöhten Kreatinbedarf
- Guanidinoacetat-Methyltransferase (GAMT)-Mangel: Kreatin-Depletion des Organismus und des Zentralnervensystems mit schweren, progressiven extrapyramidal-motorischen Störungen [9]
- Neuromuskuläre Erkrankungen: Duchenne'sche Muskeldystrophie, Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), mitochondriale Zytopathien
- Ernährung: Fleisch- und fischarme Ernährung, vegetarische Ernährung
- Schwere körperliche Arbeit, Kraftsport
Kastentext: Mögliche Symptome des Kreatinmangels
- Störungen des mitochondrialen Energiestoffwechsels
- Störungen des kardialen Energiestoffwechsels (Herzinsuffizienz (?))
- Eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit: Müdigkeit, Muskelschwäche und Muskelatrophie
- Erhöhte Stressanfälligkeit
- Verminderte Regenerationsfähigkeit
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Zu den potenziell leistungsfördernden Nährstoffen, die für Sportler interessant sind, gehört das Kreatin. In Form von Kreatinphosphat dient Kreatin dem Muskel bei kurzzeitiger maximaler Belastung, z. B. beim Sprint, als schnell verfügbare Energiequelle. Der normale Bedarf gesunder Personen wird etwa zur einen Hälfte vom eigenen Körper produziert und zur anderen Hälfte mit der Nahrung zugeführt. Wann eine Substitution sinnvoll ist und was bei der Einnahme zu beachten ist, erfahren Sie in diesem Beitrag.
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