Fortbildung

T. Müller-BohnEinfache Erkältung oder ernste Infek

Die Beratung bei Erkrankungen der oberen Luftwege bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen der vergleichsweise mild verlaufenden banalen Erkältung und schwerwiegenden Krankheiten wie der Virusgrippe. Orientierung für diese Beratungsfälle zu bieten, war das zentrale Anliegen des diesjährigen Herbstkongresses der Apothekerkammer Schleswig-Holstein am 17. und 18. November im Ostseebad Damp.

Dr. Walter Raasch, Lübeck, der die Veranstaltung organisiert hatte und moderierte, wies auf die große Bedeutung dieses Themas für den pharmazeutischen Beratungsalltag hin. Einerseits erfordere eine komplikationslose Erkältung keinen Arztbesuch, andererseits müsse die Virusgrippe als potenziell lebensbedrohliche Erkrankung sehr ernst genommen werden.

Wie groß die praktische Bedeutung der Infektionen der oberen Luftwege ist, zeigen auch die ökonomischen Daten. So weist das statistische Jahrbuch 1990 für Deutschland 127 Mio. Arbeitsfehltage und 240 Mio. Arztbesuche aufgrund dieser Indikationen aus.

Husten: Vom banalen Virus ...

Als einen wichtigen Aspekt dieser Krankheitsbilder stellte Prof. Dr. Klaus Dalhoff, Lübeck, den Husten vor. Husten ist einerseits ein wichtiger physiologischer Reiz, ohne den sich das Sekret anstauen würde, andererseits aber ein Symptom vieler respiratorischer Erkrankungen. Meist entsteht Husten durch einen respiratorischen Virusinfekt, doch gilt es, die ernsteren Ursachen rechtzeitig zu erkennen. So sollte nach Auffassung von Dalhoff spätestens vier bis acht Wochen nach Beginn des Hustens intensiver nach den Ursachen geforscht werden.

Virusinfekte müssen von Infektionen durch Bakterien oder atypische Erreger unterschieden werden. Daneben gibt es viele mögliche nicht-infektiöse Ursachen, wie Asthma und Linksherzinsuffizienz. Relativ oft würden Mikroaspirationen von Pharynxinhalt übersehen. Außerdem müsse an ein Bronchialkarzinom, inzwischen auch bei Frauen das häufigste Karzinom, gedacht werden. Weitere mögliche Ursachen lägen außerhalb des Respirationstraktes, wie beispielsweise Refluxösophagitis oder psychiatrische Ursachen.

... durch alle Etagen ...

Bei den infektiösen Erkrankungen weist jede "Etage" des Respirationstraktes ein typisches Erregerspektrum auf. So wird die akute Pharyngitis zu etwa 70% durch respiratorische Viren verursacht. Die restlichen 30% verteilen sich etwa zu gleichen Teilen auf das Epstein-Barr-Virus, atypische Erreger und A-Streptokokken.

Antibiotika seien bei der akuten Pharyngitis aber nur in Ausnahmefällen angebracht. Sie können sogar selbst zu neuen Problemen führen, denn beim Epstein-Barr-Virus könne Ampicillin typischerweise ein Arzneimittel-Exanthem auslösen. Allerdings müsse auch an die Diphtherie als einzige unmittelbar lebensbedrohliche Form der Pharyngitis gedacht werden. Bei der akuten Sinusitis seien Antibiotika nur bei persistierenden Formen angebracht. Sogar wenn diese durch Bakterien verursacht wird, sei die Überlegenheit einer Antibiotikatherapie nicht gesichert.

Die akute Tracheobronchitis wird zu etwa 75% durch respiratorische Viren, zu 10% durch pyogene Bakterien und zu 15% durch atypische Pathogene verursacht. Dazu gehören Mykoplasmen, Chlamydien und - auch bei Erwachsenen - Bordetella pertussis. Doch sollten auch bei der akuten Tracheobronchitis nicht sofort Antibiotika eingesetzt werden. Denn gerade der frühzeitige Antibiotikaeinsatz bei Erkrankungen der oberen Luftwege führe zu immer mehr Antibiotikaresistenzen. Allerdings sei es klinisch oft nicht einfach oder sogar unmöglich, dieses Krankheitsbild von einer Bronchitis oder gar einer gefährlichen Pneumonie zu unterscheiden. Daher müssten diese Erkrankungen röntgenologisch differenziert werden.

Auch die chronische Bronchitis (COPD, chronic obstructive pulmonary disease) beginnt zumeist mit einer Virusinfektion. Doch erkranken die Patienten mehrfach pro Jahr, weil ihr lokales Abwehrsystem in den Atemwegen geschädigt und das Bronchialsystem instabil geworden ist. Die Luftröhre ist weniger elastisch, was zu schweren Obstruktionen mit Luftnot führt. Die chronische Bronchitis wird antibiotisch behandelt, doch muss zugleich das Grundproblem Luftnot angegangen werden. Hierzu dienen Betamimetika und Corticoide, insbesondere bei akuten Exazerbationen. Nach etwa zehn Tagen könnten die Corticoide aber wieder abgesetzt werden.

Ursache der chronischen Bronchitis ist zumeist das Rauchen. Die wichtigste Therapie ist daher, das Rauchen aufzugeben. Dies biete in jedem Alter auch nach einer langen Raucherkarriere immer noch einen Vorteil.

... bis zur Pneumonie

Bei der Pneumonie hingegen stehen die Antibiotika im Vordergrund der Therapie. Die ambulant erworbene Pneumonie ist zumeist bakteriell bedingt und muss antibiotisch behandelt werden. Die Bandbreite der Erkrankung reicht von einer relativ unproblematischen Mykoplasmeninfektion bis zur akuten Lebensgefahr.

Ein wichtiger Risikofaktor ist das Alter über 60 Jahre, weshalb für diese Personengruppe eine Pneumokokkenimpfung empfohlen wird. Weitere internistische Begleiterkrankungen, Unterernährung und Aspiration von Keimen sind zusätzliche Risikofaktoren. Doch können auch junge Leute ohne Grunderkrankungen an einer Pneumonie versterben. Klinisch bedeutsame Symptome sind Tachypnö, Hypotension, hoher Puls und Bewusstseinsstörungen.

In Deutschland sind Pneumokokken zumeist noch gegen Penicillin empfindlich. Doch bei Patienten, die sich in den Mittelmeerländern oder Osteuropa infiziert haben könnten, muss mit penicillinresistenten Stämmen gerechnet werden. Dies gilt besonders für Reisende aus Frankreich und Spanien.

Doxycyclin sollte wegen der ungeklärten Resistenzlage nicht zur Behandlung von Pneumonien eingesetzt werden, es sei aber geeignet für eine einfache Bronchitis, die über längere Zeit nicht abheile. Zudem könnten damit viele der atypischen Erreger von Erkrankungen der oberen Luftwege gut bekämpft werden.

Zum Arzt oder nicht?

Nach Einschätzung von Dr. Carsten Slotty, Lübeck, sollte ein unverändert andauernder Husten schon nach einer Woche genauer hinterfragt werden, nicht erst nach vier Wochen, wie Dalhoff dies empfohlen hatte. Patienten die bei Husten auch eine Körpertemperatur von über 38 Grad Celsius, eitriges Sputum, Schmerzen beim Atmen oder Luftnot klagen, sollten zum Arzt verwiesen werden.

Wenn hingegen akuter Husten erst zwei bis vier Tage andauert, mit typischen Erkältungserscheinungen verbunden ist und Hinweise auf eine mögliche Ansteckung bestehen, ist dies ein typischer Fall für die Beratung in der Apotheke. Patienten mit trockenem Husten sollten dann möglichst ein Antitussivum und Patienten mit produktivem Husten ein Expektorans erhalten.

Antitussiva

Die wirksamsten Antitussiva sind Codein und Dihydrocodein, die aber oft schon nach wenigen Tagen als Nebenwirkung zur Obstipation führen. Dextromethorphan sei ähnlich stark wirksam, wirke aber auch atemdepressiv und sedierend und sollte daher nicht mit Sedativa oder Alkohol kombiniert werden. In der Apotheke sei ein Hinweis auf die verminderte Fahrtüchtigkeit angebracht.

Pentoxyverin wirke ähnlich gut antitussiv, doch seien hier gastrointestinale Nebenwirkungen und bei Kindern Krampfanfälle und Atemlähmungen als mögliche unerwünschte Wirkungen zu bedenken. Dropropizin könne den Blutdruck senken und zu Kreislaufzusammenbrüchen führen. Es sei daher nach Einschätzung des Referenten für die Selbstmedikation wenig zu empfehlen. Das beste Nutzen-Risiko-Verhältnis unter den rezeptfreien Antitussiva biete Clobutinol, das nicht atemdepressiv wirke und auch für Kinder gut geeignet sei.

Insbesondere für Kinder seien auch Zubereitungen aus Sonnentau und Efeu empfehlenswert, die sowohl zentral als auch peripher wirken. Einen rein peripheren Wirkungsansatz haben die Schleimdrogen, beispielsweise aus Isländisch Moos, Eibisch oder Malve, die einen schützenden Film über die Schleimhäute legen sollen. Um an diesen Wirkort zu gelangen, sollten sie vorzugsweise inhaliert und weniger als Tee getrunken werden.

Expektoranzien

Die Konsistenz des Bronchialschleimes hängt vom Verhältnis der serösen und viskösen Anteile ab. Wird der Schleim zu dickflüssig, bleibt er auf den Schleimhäuten liegen. Dies kann Husten auslösen und erhöht zudem die Infektionsgefahr. Um dies zu verhindern, werden Expektoranzien mit drei Wirkungsmechanismen eingesetzt:

  • Sekretolytika regen die serösen Drüsen an, um das gewünschte Verhältnis zwischen serösem und viskösem Schleim auf höherem Niveau, d. h. bei größerer Schleimmenge, wiederherzustellen.
  • Sekretomotorika sollen für einen besseren Abfluss des Schleimes sorgen.
  • Mukolytika reduzieren die Viskosität des bereits vorhandenen Schleimes.

Als Sekretolytika und Sekretomotorika dienen ätherische Öle, beispielsweise aus Thymian, Fenchel, Anis, Pfefferminze und Eukalyptus. Hier müsse besonders auf hohe Dosierungen geachtet werden. Allerdings könnten als Nebenwirkungen Magen-Darm-Reizungen und Übelkeit auftreten. Bei den Saponinen sei die Übelkeit sogar das Wirkprinzip, da sie die serösen Drüsen anregen.

Unter den Mukolytika verflüssigen Ambroxol und Bromhexin den Schleim durch Aktivierung lysosomer Enzyme. Als Nebenwirkungen seien Übelkeit und Allergien möglich. Acetylcystein zerschneidet die Disulfid-Brücken des Schleimes. Da Acetylcystein die Lebermetabolisierung mancher Antibiotika, z. B. Tetracycline, beeinflusst, sollten diese Arzneimittel im Abstand von mindestens zwei Stunden voneinander eingenommen werden. Die Studienlage zu den Mukolytika sei unübersichtlich, doch sollten die Patienten individuell ausprobieren, welche Wirkstoffe bei ihnen einen Vorteil bieten.

Auf jeden Fall sollten die Patienten reichlich trinken, da Wasser expektorierend wirkt. Abends sollten keine Expektoranzien genommen werden, zumal dünnflüssiger Schleim, der nicht abgehustet wird, noch tiefer eindringen kann. Daher könnten durchaus tagsüber expektorierende und nachts antitussive Arzneimittel eingesetzt werden, nur nicht beide gleichzeitig. Slotty wandte sich auch gegen fixe Kombinationen von pflanzlichen und synthetischen Arzneimitteln. Vielmehr sollte jeder Wirkstoff in der optimalen Darreichungsform eingesetzt werden, so z. B. pflanzliche Mucilaginosa als Inhalation.

Antibiotika: Möglichkeiten...

Welche Möglichkeiten Antibiotika bei der Therapie von Atemwegsinfektionen bieten, erläuterte Prof. Dr. Peter Heisig, Hamburg. Bei den vielen viral bedingten Erkrankungen sind sie naturgemäß nicht wirksam. Dagegen könnten einfachere Infektionen der oberen Luftwege bei Hinweisen auf bakterielle Erreger mit einer kalkulierten Antibiotikatherapie ohne spezifischen Erregernachweis behandelt werden. Denn das Erregerspektrum ist bei diesen Erkrankungen zumeist recht eng. So ließen sich typische Streptokokken-Infektionen mit Penicillin behandeln, bei Penicillin-Resistenz böten sich Cephalosporine der zweiten Generation oder Makrolide an.

Als Therapie gegen die bakterielle Tonsillitis durch Streptococcus pyogenes empfiehlt die zuständige Expertengruppe der Paul-Ehrlich-Gesellschaft Penicillin V für zehn Tage. Frühzeitiges Absetzen und Fehlcompliance dürften häufige Gründe für das Versagen der Therapie sein.

Bei der Pharyngitis durch A-Streptokokken sei Penicillin weiterhin das Mittel der Wahl. Um Spätkomplikationen, wie z. B. rheumatisches Fieber, zu vermeiden, sei die Eradikation dringend zu empfehlen. Resistenzen seien auch nach Jahrzehnten nicht beobachtet worden. Dagegen sollten Makrolide hier nur bei Penicillin-Allergie eingesetzt werden, da Streptokokken gegen diese Substanzen resistent sein können.

Die Otitis media ist der häufigste Grund für eine Antibiotikatherapie bei Kindern, doch wird gerade diese Vorgehensweise kontrovers diskutiert. Eine symptomatische Therapie mit Analgetika und schleimhautabschwellenden Mitteln zeigt zumindest bei größeren Kindern klinisch vergleichbare Erfolge. Anderseits könne die virale Infektion den Weg für ernstere bakterielle Erkrankungen bahnen.

... und Grenzen

Die Möglichkeiten der Antibiotikatherapie werden insbesondere durch Resistenzen der Erreger begrenzt. So können Wirkstoffe inaktiviert werden, der Zugang zur Zielstruktur kann verhindert werden oder die Zielstruktur selbst kann sich verändern.

Die Resistenz gegen Beta-Lactam-Antibiotika kann sogar von apathogenen Streptokokken aus der Mundhöhle durch Gentransfer auf Streptococcus pneumoniae übertragen werden. Allerdings bleiben Cephalosporine der dritten Generation auch gegenüber diesen Erregern wirksam.

Auch neue Antibiotikaklassen schützen nicht dauerhaft vor Resistenzen, denn nach einiger Zeit entwickeln sich neue Resistenzmechanismen. Dies zeigt das Beispiel der Fluorchinolone. Die Bakterien können die Zielstruktur verändern oder mit Effluxpumpen die Antibiotika aus der Zelle ausschleusen. Daraufhin seien mittlerweile schon 15% der Staphylococcus-aureus-Keime gegen Ciprofloxacin resistent.

Die Resistenzsituation kann sich geographisch stark unterscheiden, was vermutlich durch den unterschiedlichen Umgang mit Antibiotika zu erklären ist. So ist die Resistenz gegen Erythromycin in Frankreich und Spanien weit verbreitet, weniger dagegen in Deutschland.

Letztlich müssen immer wieder neue Antibiotika entwickelt werden, um der Resistenzentwicklung zuvorzukommen. Als Beispiele für hoffnungsvolle neue Konzepte stellte Heisig oral verfügbare Beta-Lactam-Antibiotika mit breiterer Wirksamkeit und Fluorchinolone der vierten Generation vor, z. B. Moxifloxacin. Dies wirke gegen Staphylokokken und Pneumokokken deutlich stärker als Ciprofloxacin. Heisig sieht in dieser Substanzklasse zudem noch Möglichkeiten für weitere Verbesserungen.

Gute Aussichten versprechen demnach auch die Ketolide, wie das bereits zugelassene Telithromycin. Dies bindet besser an Ribosomen und ist säurestabiler als ältere Substanzen. So wirken die neueren Substanzen bei geringeren Hemmkonzentrationen. Allerdings sollten hochwirksame neue Antibiotika möglichst in Reserve gehalten werden, damit nicht zu schnell wieder neue Resistenzen entstehen.

Ist Fieber sinnvoll?

Zu den wichtigsten Symptomen von Infektionskrankheiten gehört das Fieber, weshalb Priv.-Doz. Dr. Dörthe Katschinski, Lübeck, die Temperaturregulation des menschlichen Körpers näher erläuterte. Durch die ATP-Bildung wird im Körper auch in Ruhe ständig Wärme frei. Zusätzliche Wärme wird nach dem Essen, bei körperlicher Betätigung oder durch Kältezittern erzeugt. Da Wärme durch den Blutstrom nach außen transportiert wird, strahlt der Körper ständig Wärme als Infrarotstrahlung ab. Außerdem gehen durch Verdunstung und Konvektion Wärme verloren.

Die Körperkerntemperatur von 37 Grad Celsius hat sich in der Evolution als optimaler Wert für den Menschen entwickelt und bietet noch einigen Spielraum für zeitweilige Temperaturerhöhungen bei großen körperlichen Anstrengungen. Als Schutzmechanismus gegen Überhitzungen verfügen alle Zellen über Hitze-Schock-Proteine, die hitzedenaturierte Proteine abfangen. Doch bei etwa 42 bis 43 Grad Celsius sterben die Zellen.

Schon in den Siebzigerjahren haben Experimente an poikilothermen (wechselwarmen) Tieren gezeigt, dass diese sich nach einer Infektion mit Bakterien vorzugsweise in einer wärmeren Umgebung aufhalten, womit sie ihre eigene Körpertemperatur erhöhen. Dort überleben sie die Infektion besser als Tiere in kühlerer Umgebung. Demnach scheint Fieber einen Vorteil für das Überstehen einer Infektion zu bieten. Möglicherweise werden durch die höhere Temperatur die Erreger abgetötet oder die körpereigene Abwehr wird verbessert. So könnten neutrophile Granulozyten aktiviert werden und T-Zellen besser proliferieren.

Andererseits drohen bei hoher Temperatur Muskelkrämpfe durch den Elektrolytverlust und Hypotonie durch Wasserverlust. Bei anhaltenden Temperaturen über 40,5 Grad Celsius muss ein Hirnödem befürchtet werden. Außerdem steigt der Sauerstoffverbrauch mit jedem zusätzlichen Grad Körpertemperatur um 13%, was bei Vorerkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems zum Sauerstoffmangel führen kann.

Demnach wäre mildes Fieber bei Patienten ohne Vorerkrankungen vorteilhaft. Nur bei Vorerkrankungen oder wenn ein besonderer Leidensdruck besteht, sollte dies gesenkt werden. Hohes Fieber schwächt dagegen den Wirt und hilft damit dem Erreger, sich weiter auszubreiten. Daher sollte hohes Fieber therapiert werden.

Fünf Pfeiler der Sinusitistherapie

Nach diesen Grundsatzvorträgen ging Priv.-Doz. Dr. Wolfgang Kehrl, Hamburg, wieder auf einen abgegrenzten klinischen Aspekt ein, die Sinusitis. Eine Sinusitis liegt vor, wenn beim Abklingen eines Schnupfens noch Druck auf den Nebenhöhlen verbleibt und die Erkältungssymptome nach einer Woche eher zu- als abnehmen. Dann können sich die Nebenhöhlen bakteriell superinfizieren. Ursachen hierfür können anatomische Eigenheiten des Patienten oder eine besondere Virulenz der Erreger sein.

Die Therapie der Sinusitis kann sich nach Auffassung von Kehrl auf fünf Pfeiler stützen:

  • abschwellende Maßnahmen,
  • Sekretolyse,
  • Analgesie,
  • physikalische Maßnahmen und
  • Antibiose.

Sehr wichtig sei, die Schleimhäute abschwellen zu lassen. Dafür seien Dampfbäder mit Salbei oder Kamille hilfreich. Lokale Alphamimetika als Nasensprays oder -tropfen sollten mindestens alle drei bis vier Stunden angewendet werden, da sie schnell wieder abfließen. Doch sollten sie höchstens für 14 Tage zum Einsatz kommen, damit sie die Schleimhaut nicht schädigen und der gefürchtete Reboundeffekt verhindert wird. Außerdem sollte die Nase mit Hilfe einer Nasendusche mit Kochsalz gespült werden, vorzugsweise nach Anwendung lokaler Alphamimetika.

Sekretolytika seien grundsätzlich als hilfreich anzusehen, doch fehle es an klinischen Studien, aus denen Vorteile einzelner Substanzen abzuleiten wären. Gemäß einer eigenen, jüngst durchgeführten Untersuchung an Cineol verbessere dies die Symptome vom vierten bis zum siebten Behandlungstag im Vergleich zur alleinigen abschwellenden Therapie deutlich.

Als Analgetikum sei vorzugsweise Paracetamol zu empfehlen, in Extremfällen vor einer Operation auch Opiate. ASS würde dagegen bei einigen Sinusitis-Patienten zu Allergie-Symptomen führen.

Eine Überwärmung der Nebenhöhlen sei vorteilhaft, dafür reiche die haushaltsübliche Rotlichtbestrahlung aber nicht aus. Kurz- oder Mittelwellenbestrahlung sei günstig, aber nicht so bedeutsam wie die ersten drei Pfeiler der Therapie, die bei 70% der Patienten ausreichen, um eine Spontanheilung zu unterstützen.

Bei einer Rhinitis sollten keine Antibiotika eingesetzt werden, sie würden nicht einmal einen eitrigen Schnupfen abkürzen. Nur wenn die Sekretion über mehr als sieben Tage eitrig ist, Schmerzen oder andere Komplikationen auftreten, seien Antibiotika angebracht. Hierfür biete sich in erster Linie Amoxicillin an, bei einer Allergie ersatzweise Cephalosporine.

Über die vielen unproblematischen Fälle dürfen aber auch nicht die möglichen Komplikationen vergessen werden. So kann die Entzündung auf die Augen oder auf Knochen übergreifen, zu einer Meningitis führen oder in eine chronische Sinusitis münden.

Virusgrippe: Diagnose...

In jedem Fall schwerwiegend ist die Virusgrippe, auf die Prof. Dr. Heiko Iven, näher einging. Da die Erkrankung potenziell lebensbedrohlich ist, muss sie von der einfachen Erkältung unterschieden werden. Die Influenza beginnt typischerweise sehr plötzlich. Die Patienten haben hohes Fieber über 39 Grad Celsius, Kopf- und Gliederschmerzen, Schnupfen, trockenen Husten, Heiserkeit und zeigen ein insgesamt schweres Krankheitsbild. Bei kleinen Kindern können Bauchschmerzen und Übelkeit auftreten, bei alten Patienten kann das Fieber geringer sein.

Nach der Krankheit dauert die Rekonvaleszenz über Wochen oder Monate mit Kreislaufschwäche an. In der Folge einer Grippe können Otitis, Pneumonie oder bakterielle Superinfektionen entstehen. Denn die Neuraminidase der Influenza-Viren begünstigt das Wachstum der Bakterien, da sie die Oberflächenstruktur der Epithelzellen verändert.

... Prophylaxe ...

Die beste Maßnahme gegen die Influenza ist die vorbeugende Impfung. Daher sollten alle Personen, die besonders anfällig für Komplikationen sind, im Oktober oder November geimpft werden. Dazu gehören auch HIV-Infizierte, die erfolgreich therapiert werden und über genügend Lymphozyten verfügen, und alle Personen, die im Laufe des Jahres hospitalisiert waren. In den USA, Schweden und der Schweiz werden routinemäßig alle Bewohner von Alten- und Pflegeheimen geimpft. Besonders wichtig ist die Impfung für das medizinische und pflegende Personal, das die Krankheit auf Risikopatienten übertragen kann.

In Deutschland gilt Schwangerschaft als Kontraindikation für die Impfung, in den USA und der Schweiz ist die Impfung nach dem ersten Trimenon (ab der 14. Woche) zulässig. Für Schwangere mit häufigem Kontakt zu Kindern, z. B. Lehrerinnen, sei dies sogar empfehlenswert, weil Kinder die Hauptvektoren der Grippe sind.

Der Nutzen der Impfung ist eindeutig nachgewiesen. Sie bietet keinen 100%igen Schutz, aber sie reduziert die Komplikationen entscheidend. Wegen der hohen Kosten der Grippe für die Gesamtwirtschaft ist die Impfung auch ökonomisch sehr sinnvoll.

... und Therapie

Bei der Therapie der Grippe kommen u. a. Analgetika zum Einsatz, doch sollte bei Kindern kein ASS gegeben werden. Denn bei Influenza B kann ASS in seltenen Fäll das Reye-Syndrom auslösen, das mit Übelkeit und Erbrechen beginnt und tödlich endet.

Gegen das Grippevirus selbst richtet sich die Behandlung mit dem altbekannten Virustatikum Amantadin, das nur gegen Influenza A wirkt. Die Behandlung muss innerhalb von 48 Stunden nach Beginn der Erkrankung einsetzen. Für Patienten zwischen 10 und 65 Jahren beträgt die Dosis 2-mal täglich 100 mg über drei bis fünf Tage. Amantadin vermindert die Schwere der Erkrankung und verkürzt ihre Dauer um ein bis zwei Tage. Allerdings sind als Nebenwirkungen Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Depressionen und anticholinerge Effekte zu erwarten. Kontraindikationen sind Engwinkelglaukom, Myasthenia gravis und Epilepsie.

Als Alternative stehen inzwischen die Neuraminidase-Inhibitoren zur Verfügung, die gegen Influenza A und B wirken. Auch sie müssen innerhalb von ein bis zwei Tagen nach Krankheitsbeginn eingesetzt werden. Zur Therapie werden 2-mal täglich 10 mg Zanamivir über einen patentierten Diskhaler inhaliert. Zur Prophylaxe ist der Wirkstoff in Deutschland nicht zugelassen, aber prinzipiell einsetzbar. Die Krankheit wird um etwa 2,5 Tage verkürzt, die Komplikationsrate um 70% und der Antibiotikaverbrauch um 65% gesenkt. Die Virusausscheidung sinkt schon am ersten Behandlungstag auf 60%, was die Ansteckungsgefahr vermindert. In Einzelfällen wurde durch die Inhalation ein tödlicher Asthma-Anfall ausgelöst. Daher sollten Asthmatiker vor der Inhalation ein schnell wirksames Betamimetikum anwenden.

Der oral wirksame Neuraminidase-Inhibitor Oseltamivir ist bisher in Deutschland noch nicht im Handel. Seine therapeutische Dosis beträgt zweimal täglich 75 mg für fünf Tage, die Krankheitsdauer wird um etwa zwei Tage verkürzt. Als Nebenwirkungen sind bisher leichte Übelkeit und selten Erbrechen bekannt geworden.

Iven warnte eindringlich vor der Vermarktungspraxis britischer Internet-Apotheken, die aggressiv für die Neuraminidase-Inhibitoren werben. So entstünde bei Laien der Eindruck, diese Substanzen sollten bei jedem Schnupfen eingesetzt werden. Wenn die Neuraminidase-Inhibitoren aber unkontrolliert angewendet würden, könnten bald Resistenzen entstehen. Dann könnten diese potenten und wichtigen Arzneimittel unbrauchbar werden.

Entscheidend sei die Differenzierung zwischen einer Erkältung und der Virusgrippe. Dabei kann nicht auf langwierige Analysen gewartet werden. Doch wird derzeit in Arztpraxen ein Test erprobt, bei dem Virus-Antigen aus dem Rachenabstrich nachgewiesen wird. Vorläufig muss sich die Diagnose aber an den Symptomen und etwaigen Erkrankungen von Kontaktpersonen orientieren.

Arzneimittelempfehlungen für die Apotheke

Über Arzneimittelempfehlungen zur Behandlung von Erkrankungen der oberen Luftwege sprach Dr. Walter Häuser, Lübeck. Bei Schnupfen stehen lokal wirkende Alphamimetika im Vordergrund der Therapie, insbesondere Oxymetazolin und Xylometazolin. Obwohl diese über mehr als acht Stunden wirken, müssten sie öfter angewendet werden, da sie durch den Schnupfen ausgewaschen werden. Gegenüber den oralen Schnupfenmitteln wirken die Nasensprays und -tropfen schneller und stärker. Außerdem sind weniger systemische Nebenwirkungen zu erwarten. Allerdings wirken sie nur im Bereich der Nasenmuschel und könnten leicht überdosiert werden.

Dagegen können die oralen Alphamimetika den Blutdruck und die Herzfrequenz erhöhen, den Appetit vermindern und den Schlaf stören. Dafür sind sie auch über die Nase hinaus wirksam und lassen keinen Reboundeffekt erwarten. Häuser bedauerte, dass diese Substanzen in Deutschland nicht als Monopräparate im Handel sind.

Stattdessen werden sie stets mit Antihistaminika kombiniert. Doch sei der therapeutische Wert der H1-Antihistaminika bei Erkältungskrankheiten fraglich. Möglicherweise solle der anticholinerge Effekt der H1-Antihistaminika der ersten Generation das "Laufen" der Nase verringern. Die meisten Lehrbücher äußern sich hierzu nicht. Die wenigen vorliegenden Publikationen zu dieser Thematik lassen keine Vorteile erkennen. Es müsse sogar befürchtet werden, dass das Sekret eingedickt wird und Borken entstehen, was negativ zu bewerten wäre.

Bei allergischer Rhinitis sind H1-Antihistaminika dagegen Mittel der Wahl. Dann sollten aber die modernen Substanzen der zweiten Generation bevorzugt werden, die keine anticholinergen Nebenwirkungen aufweisen.

Die typischen oralen "Grippemittel" enthalten neben Sympathomimetika und Antihistaminika oft COX-Inhibitoren, Antitussiva und evtl. Coffein. Damit sollten die verschiedenen Erkältungssymptome gleichzeitig bekämpft werden. Nach Einschätzung von Häuser seien hingegen Monopräparate vorzuziehen. Da die Symptome selten gleichzeitig in voller Intensität zusammentreffen, seien gezieltere Maßnahmen sinnvoller.

Gemäß einer Studie mit Naproxen dürften COX-Hemmer praktisch keinen Einfluss auf den Niesreiz und die verstopfte Nase haben. Sie senken aber das Fieber und eignen sich für Patienten, die starken Leidensdruck und Abgeschlagenheit empfinden.

Das Wichtigste in Kürze

  • Husten, der über mehr als eine Woche unvermindert andauert, sollte ärztlich abgeklärt werden. Vereinzelt werden vier Wochen oder mehr als Grenzwert akzeptiert. Auch Patienten mit Fieber, eitrigem Sputum, Luftnot oder Schmerzen sollten einen Arzt aufsuchen.
  • Eine einfache Pharyngitis oder Sinusitis ohne Komplikationen sollte nicht antibiotisch behandelt werden.
  • Tracheobronchitis, chronische Bronchitis und Pneumonie sind klinisch oft nicht unterscheidbar.
  • Eine Pneumonie muss antibiotisch behandelt werden. Sie ist auch für junge Patienten potenziell lebensbedrohlich.
  • Schleimbildner sollten inhaliert oder gelutscht, aber vorzugsweise nicht getrunken werden.
  • Die Wirksamkeit von Expektoranzien sollte individuell erprobt werden.
  • Neuentwickelte Antibiotika sind wichtige Waffen gegen die Antibiotikaresistenz der Bakterien und sollten daher zunächst als Reservemittel genutzt werden.
  • Mildes Fieber ist bei Patienten ohne Vorerkrankungen vorteilhaft, um eine Infektion besser zu überstehen.
  • Eine Sinusitis sollte vorrangig mit abschwellenden Arzneimitteln, Sekretolytika und Analgetika behandelt werden. Antibiotika sind nur bei Komplikationen oder eitrigem Schleim über mehr als sieben Tage angezeigt.
  • Eine Virusgrippe zeichnet sich durch plötzlichen Beginn mit hohem Fieber, Kopfschmerzen, Schnupfen und trockenen Husten aus. Zur frühzeitigen Therapie stehen die neuen Neuraminidase-Inhibitoren zur Verfügung. Bei Amantadin sind dagegen vielfältige Nebenwirkungen und Kontraindikationen zu beachten.
  • Lokale Alphamimetika sind zur Schleimhautabschwellung empfehlenswert, sollten aber höchstens zwei Wochen lang eingesetzt werden.

Die Beratung von Patienten mit Erkältungen ist ein alltägliches Geschäft in Apotheken. Aber nicht jede Erkrankung der oberen Luftwege ist ein banaler Infekt, es kommt häufig vor, dass Patienten mit schwerwiegenden Krankheiten wie einer Virusgrippe zuerst in die Apotheke kommen, bevor sie einen Arzt aufsuchen. Orientierung für solche Beratungsfälle zu bieten, war das zentrale Anliegen des diesjährigen Herbstkongresses der Apothekerkammer Schleswig-Holstein am 17. und 18. November im Ostseebad Damp.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.