Feuilleton

Für Magier und Muggel: Harry Potters Zaubertränke

Der 14. Oktober A. D. 2000, an dem der vierte Band um den 14-jährigen Zaubereraspiranten unter großem Aufwand in die Welt der Muggel kam, ist nunmehr Geschichte. Nachdem sich die Wogen der Erregung geglättet hatten, alte und neue Besen wieder ihren staubigen Dienst verrichten mussten, zog Ruhe ein in die hektische Welt der Muggel. Doch neue Aufregung erfährt die Welt durch cineastische Zauberer aus dem Land der nie untergehenden Sonne, die lebende Bilder Harry Potters und der Seinen mit Macht verbreiten. Lange Winterabende laden dazu ein, sich mit dem gedruckten Wort in das Leben und die Abenteuer der jungen Zauberer am Kamin zu vertiefen und das Interesse auf die besonders pharmazeutische Muggel (Mug. pharm.) interessierenden Zaubertränke zu richten.

Ein Zaubertrank ist per definitionem ein Getränk, das die trinkende Person verzaubert, heilt oder schützt. So kennt man Tränke, die jemandes Willen verändern (Liebestrank), die heilen (Aufpäppel-Trank, Skele-Wachs, Alraune-Wiederbelebungstrank, Trank zur Heilung von Furunkeln), jemanden in einen besonderen Status versetzen (Trank der Lebenden Toten, Schwell- und Abschwell-Trank, Vergesslichkeitstrank) oder die besondere Fähigkeiten verleihen (Vielsaft-Trank).

Liebestrank

Ein Trank, mit dem man den Geliebten oder die Geliebte für kurze oder längere Zeit an sich binden kann, gilt in der Mythologie der Muggel als einer der wichtigsten Tränke. Im Mittelalter bereiteten junge Mädchen einen Liebestrank, indem sie eigenes Blut, meist Menstrualblut, in das Getränk des zu Bezaubernden gaben; männliche Liebende verwandten in Analogie dazu ihr Sperma für den Liebeszauber. Auch Blut und Leib Christi, in der Eucharistie Wein und Hostien, können zu diesen Mitteln gezählt werden. In Hogwarts ist jedoch das Brauen von Liebestränken aus gegebenem Anlass verboten, da in der Zauberschule ausschließlich pubertierende Zauberlehrlinge unterrichtet werden.

Aufpäppel-Trank

Den Aufpäppel-Trank verabreicht Madam Pomfrey, die Leiterin des Krankenflügels in Hogwarts, gegen Erkältungen. Seine Zusammensetzung ist nicht angegeben, jedoch ist anzunehmen, dass dieses anregende Mittel Campher enthalten muss, da denen, die ihn getrunken haben, stundenlang die Ohren rauchen.

Skele-Wachs

Das Skele-Wachs wird benutzt, um gebrochene Knochen zu heilen, was innerhalb einer Sekunde erfolgen soll. Wenn aber mit einem Knochen-Entfern-Zauber, wie bei Harry, die Armknochen entfernt wurden, so dauert es eine ganze Nacht und ist sehr schmerzhaft. Das Skele-Wachs ("Skelett wachse!") enthält Bienenwachs (Cera flava, ein an der Bauchseite des Unterleibes der Biene ausgeschiedenes, zum Wabenbau benutztes Exkret) und Rinderfußöl (Oleum Pedum Tauri – aus den in den Klauen liegenden Fettpolstern und dem Mark der Unterbeinknochen des Rindes durch Auskochen mit Wasser gewonnen). Es muss heiß getrunken werden und schmeckt, wie zu erwarten, scheußlich.

Der Alraune-Wiederbelebungstrank

Mit diesem Zaubertrank können Versteinerte ins Leben zurückgerufen werden, da die Alraune eine mächtige Rückverwandlerin ist. Ihre nicht ungefährliche Aufzucht wird in Hogwarts von der Professorin für Kräuterkunde, Sprout, gelehrt. Der oberirdische Teil der Pflanze ist unscheinbar und zeigt büscheliges, grünes Kraut mit einem Hauch purpurrot; zieht man sie jedoch aus der Erde, so zeigt sie ihr wahres, scheinbar menschliches Wesen, dessen Schrei bei älteren Alraunen absolut tödlich ist.

Harry und seine Klassenkameraden lernten im Kräuterkunde-Unterricht die Alraunen im juvenilen Stadium kennen. Um die volle Zauberkraft zu erhalten, muss man indes warten, bis die Alraunen reif sind: Sie bekommen dann Akne (Acne mandragorae), schmeißen lärmende und ausschweifende Partys und fangen an, sobald sie geschlechtsreif sind, gemeinsam in ihren Töpfen zu hausen.

Geerntet wird die Wurzel (Radix Mandragorae) von Mandragora officinarum, die wie alle Solanaceen stark wirksame bzw. giftige Alkaloide enthält. Die Wurzeln wurden bis ins Mittelalter als Narkosemittel (L-Scopolamin-Wirkung) vor Operationen, aber auch als Glücksbringer in der Schwangerschaft und zum Erzielen von Unverwundbarkeit benutzt.

Der Trank zur Heilung von Furunkeln

Dieser Trank wird aus getrockneten Nesseln (Herba Urticae), zermahlenen Giftzähnen von Schlangen, deren Arten nicht näher spezifiziert sind, geschmorten Wellhornschnecken (Buccinum undatum), die als Fleischfresser im Meer leben, und Stachelschweinpastillen bereitet.

Der Trank der Lebenden Toten

Dies ist ein extrem starker Schlaftrank, der wahrscheinlich mit dem Gift identisch ist, das auf Haiti benutzt wird, um Zombies zu produzieren. Zu seiner Herstellung wird ein Wermut-Aufguss aus Artemisia absinthium (cave: Thujon) und geriebener Affodillwurzel, die von dem lilienartigen, im Mittelmeergebiet beheimateten Asphodelus gewonnen wird, benutzt.

Der Schwelltrank/Abschwelltrank

Dieser (nicht näher zu beschreibende, weil leicht herstellbare) Zaubertrank lässt Dinge größer werden. Ein Spritzer auf sie genügt, um sie zu Melonengröße anwachsen zu lassen. Das Gegenmittel dazu ist der Abschwelltrank.

Der Vergesslichkeitstrank

Diesen Zaubertrank mussten Harry und seine Klassenkameraden zum Ende ihres ersten Schuljahres in Hogwarts als Jahresabschlussprüfung im Fach Zaubertrankkunde bei Professor Snape brauen. Da der Trank in der Welt der Muggel so gut wie wirkungslos ist, denn sie leiden an einer phylogenetisch persistierenden Amnesia partialis, wird auf die Angabe der Zusammensetzung verzichtet. Magier beherrschen ohnehin den wenig komplizierten Vergessenszauber.

Der Vielsaft-Trank

Mit diesem mächtigen Zaubertrank, der dick und klebrig ist, kann man sich in eine andere Person, jedoch nicht in ein Tier verwandeln. Zutaten sind Florfliegen aus der Familie der Chrysopidae, Blutegel (Hirudo medicinalis), Flussgras (?, vielleicht Flusskraut, Herba Polygalae oder Folia Althaeae), Knöterich (Polygonum-Arten, hier der kosmopolitische Vogelknöterich, P. aviculare), das gemahlene Horn eines Zweihorns, die klein geschnittene Haut einer Baumschlange und ein Stück der Person, in die man sich verwandeln will. Harry Potter und sein Freund Ron Weasley verwandelten sich damit in zwei ihrer bestgehassten Feinde: Crabbe und Goyle.

Das in Hogwarts obligatorische Schulfach Zaubertrankkunde wird von Severus Snape in den Kerkern der Schule gelehrt. Die Schüler haben dabei ihren Zaubertrankkasten mit dessen Zutaten für die Zaubertränke mit sich zu führen.

Als weiterführende Literatur für den erfahrenen Interessenten sei zum Schluss auf das Vademecum Moste Potente Poitions (Hoechst potente Zaubertraenke) in der letzten, nunmehr vergriffenen Auflage, Haxbridge 1473, verwiesen. ku

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.