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- DAZ 49/2001
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Arzneimittel und Therapie
Onkologie: Fatigue – Müdigkeit und Erschöpfung bei Krebs
Mit dem Begriff Fatigue werden starke Müdigkeit und Erschöpfung beschrieben, die eine Beeinträchtigung des Leistungsvermögens und der Lebensqualität nach sich ziehen. Diese starke Müdigkeit resultiert nicht aus einem Schlafmangel und kann auch nicht mit zusätzlichem Schlaf oder Regenerations- und Erholungsmaßnahmen behoben werden.
Das Fatiguesyndrom ist nicht einer einzelnen Krankheit zuzuordnen, und man unterscheidet das chronische Fatiguesyndrom und eine Fatigue bei Krebs bzw. Depressionen. Eine Fatigue bei onkologischen Patienten kann einmal von der Tumorerkrankung selbst, von der Therapie, immunologischen Prozessen und einer Anämie verursacht werden.
Fatigue - das verkannte Syndrom
Die Fatigue ist für den Betroffenen sehr belastend; so ist z. B. für Krebspatienten die bleierne Müdigkeit neben dem Erbrechen, den Schmerzen und der Alopezie die unangenehmste Nebenwirkung einer Tumortherapie. Die Inzidenz einer Fatigue ist sehr hoch; einer österreichischen Studie zufolge leiden knapp 90% aller onkologischen Patienten an Müdigkeit und Erschöpfung, bei rund 65% beeinträchtigt das Fatiguesyndrom in erheblichem Ausmaß die Lebensqualität. Allerdings spricht nur rund die Hälfte der betroffenen Patienten mit ihrem Arzt über die quälende Müdigkeit, sodass Onkologen häufig die Belastung durch eine Fatigue unterschätzen.
Häufig gemeinsam: Fatigue und Anämie
Die genauen Ursachen einer Fatigue sind bislang nicht bekannt, man weiß aber, dass sie häufig mit einer Anämie einhergeht. In einer aktuellen Studie der European Cancer Anaemie Survey (ECAS) werden Inzidenz und Prävalenz einer Anämie bei Tumorpatienten, mögliche Ursachen für die Blutarmut und therapeutische Optionen untersucht.
An dieser prospektiven, multizentrischen Studie nehmen mehr als 14000 Patienten mit unterschiedlichen Krebserkrankungen teil. Die endgültigen Ergebnisse werden für das Jahr 2002 erwartet, erste Auswertungen zeigen aber, dass Tumorpatienten sehr häufig an Anämie leiden; bei Brustkrebs scheint in 60% aller Fälle eine Blutarmut vorzuliegen.
Therapie der Anämie mit Erythropoetin
Eine Therapiemöglichkeit bei krebs- oder chemotherapieassoziierter Anämie ist die Bluttransfusion, um die Anzahl der sauerstoffhaltigen Erythrozyten zu erhöhen. Die Gabe von Blutkonzentraten führt zu einer raschen Besserung, die allerdings nur kurzfristig anhält. Darüber hinaus ist jede Transfusion mit einem gewissen Risiko (z. B. Infektionsgefahr) behaftet. Seit einigen Jahren steht mit Erythropoetin eine risikoärmere Alternative zur Verfügung.
Erythropoetin stimuliert die Bildung von Erythrozyten im Knochenmark und erhöht dadurch den Hb-Wert. Durch die Anhebung des Hb-Wertes verbessern sich nicht nur Anämie und Fatigue, sondern auch der therapeutische Erfolg einer Chemo- und Strahlentherapie sowie die Überlebenszeit. Dafür gibt es bislang zwei Erklärungsversuche. Zum einen, dass durch eine Behebung der Anämie die Lebensqualität so verbessert wird, dass der Patient in der Lage ist, alle erforderlichen Chemo- und Strahlentherapien ohne Verzug und Aufschub zu erhalten, und zum andern, dass die durch Erythropoetin herbeigeführte Tumoroxygenierung die Ansprechbarkeit auf eine Radio- und Chemotherapie verbessert. Zurzeit wird eine Gabe von Erythropoetin bei Hb-Werten unter 12 g/dl empfohlen; die einmal wöchentliche Dosierung beträgt 40 000 IE.
Studien mit Erythropoetin
Über die Auswirkungen einer Erythropoetingabe bei anämischen Tumorpatienten liegen mehrere Untersuchungen vor. In einer Studie erhielten 2964 Patienten einmal wöchentlich zwischen 40000 und 60000 IE Erythropoetin. Dies resultierte in einem signifikanten Anstieg der Hb-Werte, einer Verbesserung der Lebensqualität und einem verminderten Bedarf an Bluttransfusionen. Zu einem gleichen Ergebnis führte eine in diesem Jahr publizierte randomisierte, doppelblinde und plazebokontrollierte Studie mit 375 Probanden, in der darüber hinaus noch eine erhöhte Überlebenszeit unter der Erythropoetingabe festgestellt wurde. Da in dieser Studie die Überlebenszeit kein primärer Endpunkt war, muss diese Aussage in weiteren Studien mit anderem Design überprüft werden. Weitere Untersuchungen beschäftigten sich u. a. mit dem Einfluss von Erythropoetin auf das Fatiguesyndrom. Auch hier führte eine Erhöhung des Hb-Wertes zu einer Abnahme des Erschöpfungszustandes und einer Zunahme der Lebensqualität.
Kastentext: Therapieoptimierung bei Brustkrebs - Living stronger, living longer?
Beim 11. europäischen Kongress für klinische Onkologie (ECCO; European Cancer Conference) in Lissabon wurde in einem interdisziplinären Symposium über die Therapieoptimierung bei Brustkrebs diskutiert. Neben führenden Onkologen, Pflegepersonal und Angehörigen von Selbsthilfegruppen kamen auch betroffene Patientinnen zu Wort. Dank frühzeitiger Diagnostik und verbesserter Therapie hat sich das Krankheitsbild von Brustkrebs in vielen Fällen verändert: Krebs ist nicht mehr zwangsweise der fatale Schicksalsschlag mit frühem letalem Ausgang, sondern kann oftmals als chronische Erkrankung betrachtet werden. Von großer Bedeutung für das Verarbeiten der Therapie und der Krankheit ist die Lebensqualität, die durch eine optimale Betreuung und Supportivmaßnahmen gesteigert werden kann. Dazu sind Aufklärung, Information, Enttabuisierung der Krebserkrankung und das Einfordern einer optimalen Therapie erforderlich, was eine verbesserte Kommunikation zwischen Patient, Betreuern, Patientenanwälten und Ärzten erforderlich macht.
Kastentext: Fatiguesyndrom - therapeutische Ansätze
- psychoonkologische Betreuung, Verhaltenstherapie
- Bewegungstherapie
- Gabe von Erythropoetin bei erniedrigten Hb-Werten
Quelle: Nach Vorträgen von Prof. Mario Dicato, Luxemburg, Prof. Pere Gascon, Spanien, Dr. Ursula Matulonis, Boston, und Sergio Pecorelli, Italien, beim Symposium "Optimizing the management of breast cancer patients: Living stronger, living longer?", veranstaltet von Ortho Biotech anlässlich der European Conference on Clinical Oncology ECCO 11, 21. bis 25. Oktober 2001 in Lissabon.
Mit dem Begriff Fatigue werden starke Müdigkeit und Erschöpfung bei Tumorerkrankungen beschrieben, die eine Beeinträchtigung des Leistungsvermögens und der Lebensqualität nach sich ziehen. Das Fatiguesyndrom geht häufig mit einer Anämie einher. Die Gabe von Erythropoetin fördert möglicherweise den Erfolg einer Chemo- und Strahlentherapie, denn es stimuliert die Bildung von Erythrozyten im Knochenmark und erhöht dadurch den Hb-Wert.
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