Feuilleton

Spätmittelalter am Oberrhein

Das Badische Landesmuseum in Karlsruhe zeigt bis zum 3. Februar 2002 eine Große Landesausstellung zum Thema "Spätmittelalter am Oberrhein - Alltag, Handwerk und Handel 1350 - 1525". Da die Geschichte links und rechts des Oberrheins ziemlich einheitlich verlief, sind außer dem deutschen Südwesten auch die nördliche Schweiz und das Elsaß in diese grandiosen Schau von 850 Exponaten eingebunden. Eine Abteilung widmet sich dem Gesundheitswesen.

Aufbruchsstimmung

Der Spruch vom "finsteren Mittelalter" hat zumindest für dessen letzten großen Abschnitt keine Gültigkeit. Nachdem Europa um 1350 die große Pest, der etwa die Hälfte seiner Bevölkerung zum Opfer gefallen war, überstanden hatte, gab es eine neue Aufbruchsstimmung. Überall regte sich Handel und Wandel. Die Landwirtschaft erholte sich und konnte mir ihren Erträgen eine zunehmende Zahl von städtischen Bürgern ernähren. Holz aus dem Schwarzwald oder Wein aus dem Elsaß wurden sogar über weite Entfernungen exportiert.

In den Städten blühte das Handwerk auf und errang in einigen Zweigen ebenfalls überregionale Bedeutung. Das Warenangebot wurde vielfältiger und spezieller, neben den städtischen Märkten etablierten sich die Messen mit einem großen Einzugsbereich. Es gab Erfindungen mit großen Folgen, von denen hier nur die Buchdruckerkunst genannt sei.

Der Erfindungsreichtum zeigt sich auch in der Mode, die im Laufe der Zeit immer raffinierter wurde. Gerade aus heutiger Sicht ist das Schönheitsempfinden des Spätmittelalters von Interesse. Die selbstbewussten Bürger regelten ihre politischen und sozialen Angelegenheiten weitgehend selbstständig und erließen "Ordnungen" für die verschiedenen Lebensbereiche. Dazu gehörte auch das Gesundheitswesen, und hier schien ein gut funktionierendes System besonders wichtig, damit Seuchen wie die Pest in Zukunft möglichst vermieden würden.

Arzt, Apotheker, Barbier ...

Im Zuge der besseren Gesundheitsversorgung entstand auch der Beruf des Apothekers. Man darf ihn als einen Abkömmling der Gewürzhändler betrachten, und so verwundert es nicht, dass er in den größeren Städten zusammen mit ihnen einer gemeinsamen Zunft angehörte. In Basel nannte sich diese Krämerzunft auch "Safranzunft", nach dem kostbaren Gewürz, das damals weder in der feinen Küche noch in der Pharmazie entbehrlich war. Sie zählte übrigens zu den Herrenzünften, in die nur die angesehensten Berufe aufgenommen wurden.

Dokumentiert wird der spätmittelalterliche Entwicklungsstand der Pharmazie vor allem durch Bodenfunde aus Glas und Keramik, die in den letzten Jahren geborgen worden sind, unter anderem in Heidelberg. Auch das Deutsche Apotheken-Museum in Heidelberg ist mit Leihgaben vertreten.

Neben dem Apotheker etablierte sich auch der Arzt als bürgerlicher Beruf - im hohen Mittelalter war die Medizin fast ausschließlich von Klerikern ausgeübt worden. Während der Arzt studierte - auch die ersten Universitäten Mitteleuropas entstanden im Spätmittelalter -, erhielt der Wundarzt eine handwerkliche Ausbildung; das griechische Wort "Chirurg" spielt direkt darauf an. Ansonsten ergänzten Barbiere und Bader das Angebot der gesundheitlichen Dienstleistungen in erheblichem Maße.

Zur Gesundheit trägt nicht zuletzt eine gute Ernährung bei. Das Thema "Küche" ist in Karlsruhe nicht nur zu besichtigen, sondern man kann es auch direkt erleben: In einem Zelt neben dem Schlossturm ist eine mittelalterliche Schänke eingerichtet. Dort kann man während der Öffnungszeiten der Ausstellung Speisen kosten, die in Anlehnung an spätmittelalterliche Rezepte zubereitet wurden. Auch einige Restaurants in Karlsruhe und Umgebung haben ihre Speisenkarten entsprechend erweitert. cae

Kastentext: Ausstellungsdaten

Ort: Badisches Landesmuseum, Schloss, 76131 Karlsruhe, Tel. (07 21) 9 26 65 14. Geöffnet: Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr; 24. und 31. 12 geschlossen, 1. 1. ab 13 Uhr. Katalog: 2 Bände, 374 + 600 S., Broschur (nur im Museum) zusammen DM 98,-; gebunden (im Buchhandel, Jan Thorbecke Verlag, ISBN 3-7995-0202-5) DM 118,-. Parallel dazu läuft in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe die Ausstellung "Maler und Werkstätten 1450 - 1525". Info: www.spaetmittelalter.de

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