Geschichte

K. KrützfeldPfeffer als Gewürz und Arzneimittel &n

Pfeffer gehört zweifellos zu den pflanzlichen Produkten, die die Welt veränderten Ų schließlich war er die wesentliche Ursache für die Entdeckungsfahrten der Spanier und Portugiesen im 15. Jahrhundert. Sie wollten direkte Kontakte mit dem Land, wo der Pfeffer wächst, aufnehmen. Schon seit der Antike war Pfeffer in Europa bekannt. Dabei war er stets mehr als ein pikantes Gewürz: Apotheker und Ärzte schätzten ihn lange als wertvolles und höchst wirksames Medikament, bis sie ihn im 19. Jahrhundert eher kritisch beurteilten und schließlich sogar verurteilten. Nachdem der Pfeffer weitgehend aus der Küche verschwunden war, erlebte er seit den 1950er-Jahren eine Renaissance. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er auch für die Medizin wieder interessant wird.

Von Macht, Gold und einer Handvoll Pfefferkörnern

Pfeffer – eine Handvoll unscheinbarer schwarzer oder weißer Körner. Unvorstellbar, dass sie einst mit Gold aufgewogen wurden. Mehr noch: Die "Körner aus dem Paradies" waren wertvoller als ein Menschenleben. Und sie prägten der Welt ihren Stempel auf.

Reichtum und Macht – all dies versprach der Handel mit Pfeffer. Araber, Portugiesen, Spanier, später auch die Kolonialmächte England und die Niederlande führten blutige Kriege, um den Pfefferhandel an sich zu reißen. Selbst die Expeditionen eines Kolumbus oder Vasco da Gama stachen nur in See, um den Weg ins gelobte Pfefferland Indien zu finden. Zufällig entdeckten sie dabei die Neue Welt: Amerika.

Aus dem Gewürzhandel entwickelten sich die ersten Börsen und das moderne Bankensystem. "Pfeffersäcke" wie die deutschen Gewürzhändler Fugger wurden unermesslich reich, viele der prachtvollen Paläste Venedigs entstanden nur dank der Gewinne aus dem Pfefferhandel.

Doch warum hatten ein paar unscheinbare Körner die Macht, all diese Veränderungen hervorzurufen? Es war (und ist) der einzigartige Geschmack des Pfeffers. Er verfeinerte Speisen, Pfefferkuchen und Desserts, diente zum Konservieren und verlockte als kandierte Nascherei Weintrinker zu ausschweifenden Gelagen. Und noch etwas machte ihn kostbar wie Gold: seine Heilkräfte. Mehr als 3000 Jahre lang schätzten ihn Ärzte und Apotheker als überaus wirksames Medikament. Unscheinbare Körner? Sicher. Aber auch ein Sinnbild dafür, dass der Inhalt wichtiger ist als das Äußere: "Das kleine Pfefferkorn sieh für gering nicht an, Versuch es nur und sieh, wie scharf es beißen kann."

Indische Veden

Die Geschichte des Pfeffers begann irgendwo in den feucht-heißen Monsunwäldern Südasiens, wo sich die immergrünen Kletterpflanzen (Piper nigrum) mit den leuchtend roten beerenartigen Früchten an den Bäumen empor ranken. Vielleicht wurde er an der indischen Malabarküste erstmals in Kultur genommen.

Seit grauer Vorzeit ist Pfeffer nicht mehr aus der Küche Indiens wegzudenken. Schon das indische Heldenepos "Ramayana" beschrieb gepfefferte Speisen. Später berichteten Reisende, dass die Inder ihren Reis mit Butter, eingelegten Pfefferähren, grünem Ingwer und Mangos servierten.

Doch noch auf einem anderen Gebiet machte das Gewürz rasch Karriere: Frühzeitig entdeckten die Inder, dass Pfeffer über pharmakologische Eigenschaften verfügt. In den klassischen Sanskrit-Texten der indischen Materia medica, die von Charaka und Súsruta möglicherweise schon um 1000 vor Christus, vielleicht aber auch sehr viel später verfasst wurden, ist Pfeffer aufgeführt. Ärzte verordneten ihn als kühlendes Mittel bei hitzigen Fiebern.

Dass "Pfeffer" bei uns unter dieser Bezeichnung bekannt wurde, war purer Zufall. Die Inder nannten ihn "upakulja" oder "ushana", was soviel wie "brennend" bedeutet. Ebenfalls weit verbreitet war der Name "krishna" (schwarz), der auf den dunklen Farbton der getrockneten Pfefferkörner anspielt. Als "pippali" bezeichneten sie dagegen den langen Pfeffer (Piper longum).

Persische Kaufleute lernten beide Pfeffersorten in Indien kennen. Sie erkannten ihren Wert, und bald transportierten Karawanen die begehrten Waren bis zur Mittelmeerküste. In Persien entstand die Redensart "Pfeffer nach Hindustan tragen", entsprechend unserem Spruch "Eulen nach Athen tragen". Allerdings mussten die Perser die indische Bezeichnung ihres Lieblingsgewürzes in "pippari" ändern, denn ihnen fehlte das "l" in der Sprache. Aus "pippari" wurde in Griechenland "peperi", im alten Rom "piper" und schließlich "pepper", "poivre" und "Pfeffer".

Der Pfeffer kommt nach Europa

Doch wann kam Pfeffer erstmals nach Europa? Das ist noch nicht ganz klar. Den frühesten Hinweis fanden Archäologen auf Kreta. Auf einer um 1200 vor Christus entstandenen Tafel entschlüsselten sie das Ideogramm eines großen Pfeffertopfes. Allerdings konnte unter den Gewürznamen auf der Tafel zwar der des indischen Sesams, nicht aber der des Pfeffers identifiziert werden. Erst ab dem 6. Jahrhundert vor Christus lässt sich der regelmäßige Verkauf von Pfeffer an die Griechen in Kleinasien nachweisen. Und um 400 vor Christus empfahl Hippokrates ihn als Heilmittel gegen Frauenleiden.

Nachdem Alexander der Große sein Reich bis Indien ausgedehnt hatte (326 v. Chr.), wurde schwarzer Pfeffer in Griechenland noch bekannter. Theophrast von Eresos (370 – 285 v. Chr.) beschrieb ihn in seiner Naturgeschichte. Die beiden in der Mitte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts in Rom lebenden Schriftsteller Plinius und Dioskurides übernahmen seine Angaben fast wörtlich, erweiterten sie aber erheblich. Vor allem Dioskurides' Arzneimittellehre beeinflusste bis weit über die Antike hinaus das Bild, das sich die Menschen vom Pfeffer machten: "Der Pfeffer soll ein kleiner, in Indien wachsender Baum sein ... Sie (die Frucht) öffnet sich um die richtige Zeit und entwickelt Trauben, welche Körner tragen, die wir kennen, teils nämlich herb, wie unreife Weintrauben, diese sind der weiße Pfeffer ... Der schwarze ist süßer und schärfer ... und, da er reif ist, viel gewürziger ... Der weiße und herbe ist schwächer als die vorgenannten."

Alltägliches Küchengewürz

Zur Zeit des Römischen Imperiums nutzten immer mehr Kaufleute die in jahreszeitlichem Wechsel wehenden Monsunwinde, um vom Persischen Golf oder vom Roten Meer mit dem Schiff nach Indien und zurückzufahren. Der Pfefferhandel explodierte förmlich – und die Preise sanken. Pfeffer war nun nicht mehr das unerschwingliche Luxusgewürz früherer Jahre. Zwar wurde der bei den Reichen so beliebte weiße Pfeffer im alten Rom noch mit einer Luxussteuer belegt, nicht jedoch der schwarze. Aus gutem Grund: Schwarzer Pfeffer gehörte bei der breiten Masse des römischen Volkes mittlerweile zum alltäglichen Küchengewürz. Man liebte gepfefferte Erbsen, Wildbret, Trüffeln und allerlei Pfeffer-Saucen, verfeinerte seinen Wein mit den pikanten Körnern und kochte Holunderbeeren mit reichlich Würze und Eiern zu Kompotten ein.

Aber der Pfeffer spielte auch eine wichtige Rolle als Arznei. Er galt in der Viersäftelehre (Humoralpathologie) als warm und trocken. Wenn kalte oder feuchte Lebensmittel "angewärmt" oder "abgetrocknet" werden mussten, griffen die Mediziner auf dieses Gewürz zurück.

Pfeffer in der Medizin und Diätetik der Antike

Doch auch abkühlende Wirkungen wurden dem Pfeffer zugesprochen: Eigenschaften, die ihn besonders für die Verwendung in (hitzigen) Magen- und Darmdiäten auszeichneten. "Da nun die Oberbauchgegend bei allen diesen (Kranken) anschwillt und mit Luft gefüllt ist ... ist es gut, ihnen mit der Nahrung langen Pfeffer zu geben. Denn dieser löst die dicken blähenden Gase und führt zum Unterleib, was im Oberbauch träge festsitzt, und hilft bei der Verdauung der Nahrung, wie das ja alle Pfefferarten tun. Ist dieser nicht vorhanden, so nimmt man weißen, denn von den beiden übrigen Pfefferarten wirkt er auf den Magen mehr tonisierend. Wenn auch dieser nicht vorhanden ist, muss man den besten schwarzen nehmen", so Galen von Pergamon (131 – 201 n. Chr.).

Greisen empfahl er, bei schlechter Verdauung fein gestoßenen und gesiebten weißen Pfeffer zugleich mit den Speisen zu verzehren oder ihn in den Trank gestreut zu sich zu nehmen. Auch einfache Brühen, gut mit Pfeffer abgeschmeckt, sollten bei diesen Zuständen helfen.

Gegen Appetitlosigkeit verschrieben die Ärzte eine Mischung aus etwas weißem Pfeffer, Ingwer, Honig, Quittensaft und Essig. Bei einer schlechten Verdauung oder einer frischen Erkältung empfahlen sie folgende Rezeptur:

  • je 50 Teile langer, weißer und schwarzer Pfeffer,
  • je acht Teile Anis und Thymian und
  • nach Belieben Ingwer.

Ein anderes, Diospolitikon genanntes Heilmittel, das aus Kümmel, Pfeffer, Raute und Natron bestand, galt als Abführmittel. Zudem wurde Pfeffer innerlich und äußerlich bei periodischen Wechselfieberanfällen oder gegen Husten und alle Brustleiden eingesetzt. Schmerzstillende und schlaffördernde Eigenschaften wurden ihm ebenso nachgesagt wie eine empfängnisverhütende oder gar abortive Wirkung.

In der Volksmedizin wurde Pfeffer oft als Liebesdroge eingesetzt. Solche Aphrodisiaka verkauften die "pigmentarii", die Drogen- und Gewürzhändler. Besonders beliebt bei den Kunden war das Fleisch des Apothekerskinks, einer orientalischen Eidechse, das mit viel Pfeffer, Myrrhe und Canthariden vermengt und zu Kügelchen geformt wurde – keine ungefährliche Mischung. Nach einigen schwerwiegenden Zwischenfällen verbot der Senat von Rom schließlich den Handel mit Liebesmitteln.

Pfeffermedikamente im Mittelalter

Der Pfeffer verbreitete sich schnell im ganzen Römischen Reich. Zahlreiche von Archäologen ausgegrabene Pfeffertöpfchen ("piperatoria") aus getriebenem Silber bezeugen z. B. die verfeinerte Würzkultur in Gallien. Auch die "barbarischen" Westgoten unter Alarich waren auf den Geschmack gekommen: Als Lösegeld für das von ihnen im Jahr 410 belagerte Rom verlangten sie neben Gold und Silber auch 3000 Pfund Pfeffer – zuviel für die Römer.

Mit der römischen Kultur verbreitete sich auch der Pfeffer nördlich der Alpen. Als Sidi Ibrahim ben Ahmed at-Tartuschi, der Gesandte des Kalifen al-Hakam II. in Cordoba, im Jahre 973 Mainz und später Schleswig besuchte, staunte er nicht schlecht, als er dort Gewürze vorfand, "die nur im fernsten Morgenlande vorkommen", wie Pfeffer, Ingwer oder Gewürznelken.

Gewürze gelangten in dieser Zeit auch zu neuen Ehren in der Krankenbehandlung. Ein Rezept, das ein Leibarzt Kaiser Karl dem Großen (742 – 814) gegen Bauchschmerzen verschrieb, enthielt nicht weniger als 22 Gewürzzutaten, unter anderem Pfefferkörner, Ingwer, Muskat, Zimt und Safran. Später wurden übrigens noch Rehzungen dazugegeben – vermutlich, weil es besser schmeckte.

Bereits Ende des 9. Jahrhunderts erlangte Pfeffer eine führende Rolle in den deutschen Klosterapotheken. Im "Bamberger Antidotarium" aus dem späten 9. oder frühen 10. Jahrhundert wiesen 35 von 51 erhaltenen Rezepten – darunter eines gegen Hydrothorax – Pfeffer als Ingredienz auf. Eine aus der gleichen Zeit stammende Handschrift von der Insel Reichenau führte ähnlich viele Rezepte mit Pfeffer, vorzugsweise weißem Pfeffer, auf. Nicht selten wurden beide Pfeffersorten für ein Rezept vorgeschrieben.

Gegen Dysurie empfahl man ein Medikament aus Pfeffer, Petersilie, Spargelsamen, Steinbrech, Liebstöckel, Honig und Ziegenmilch. Um die Kraft dieses Mittels zu demonstrieren, sollte man einen Feuerstein (lapis vivus) in eine Glasflasche legen und mit dem Präparat begießen. Am nächsten Morgen sollte der Stein pulverisiert sein! Die Patienten der Hildegard von Bingen bekamen Herzpillen aus gestoßenem weißem Pfeffer, Griechischem Kleesamen und anderen Zutaten verschrieben, die auf Brot eingenommen werden sollten, zuerst auf nüchternen Magen und dann nach dem Essen.

Angesichts dieser Rezepte stellte der Autor des "Macer Floridus" (11. Jh.) fest: "Niemand kann alle Kräfte des Pfeffers beschreiben, denn beinah sämtliche Arzneien verlangen Pfeffer als Ingredienz, und auch vielen kostspieligen Antidoten pflegt Pfeffer beigemischt zu werden."

In der Krankenernährung galt Pfeffer zusätzlich als appetitanregendes Stärkungsmittel für alte Menschen: Pfeffer ist "eine gutte gesunde wurtz / fuernemlich fuer die alten kalten schwachen menschen / den solt man ihr kost staets mit Ingber und Pfeffer wurztz abbereitten", hieß es. Die alten Menschen bekamen gut, jedoch nicht übermäßig stark gewürzte Brühen oder Milchspeisen serviert.

Aber es gab auch warnende Stimmen, dass Gewürze ohne den dämpfenden Einfluss kalter oder feuchter Speisezutaten gesundheitsschädigend wirken könnten: "... yssest du hiczige speyß als pfefferr, czwifelnn vnd knoblauch die verprennen dir dein plut" [1]. Es gab viele abergläubische Vorstellungen vom Pfeffer. So stellte man sich beispielsweise vor, dass jedes beim Mahlen des Pfeffers verloren gegangene Korn einen verlorenen Blutstropfen bedeute.

Vor allem aber galt Pfeffer als wirksames Aphrodisiakum: "Der Pfeffer hilft dem Mann aufs Pferd, der Frau unter die Erd", hieß es im Volksmund. Sogar der auf dem Tanzboden verstreute Pfeffer sollte noch zum Coitus reizen. In diesem Sinne verboten viele Äbte den Genuss von Pfeffer und gepfefferten Honigkuchen in ihren Klöstern. Andererseits wurde Pfeffer auch als abortives oder antikonzeptionelles Mittel verwendet.

Vom Gewürzkrämer zum Apotheker

Drogen aus Asien und Afrika drangen im 11. und 12. Jahrhundert immer weiter in den europäischen Arzneischatz ein. Ursprünglich lag ihr Verkauf in den Händen der Krämer. Sie boten ihre Waren in eigenen Läden und auf den Märkten feil, während fliegende Händler mehr oder weniger regelmäßig das Land versorgten. Im 13. Jahrhundert wurden sesshafte Gewürzkrämer in größeren Städten als Apotheker bezeichnet (von "apotheca" = Warenniederlage). Wo sie auch die damals noch den Ärzten obliegende Aufgabe der Arzneimittelherstellung übernahmen, entwickelten sie sich zu Apothekern im heutigen Sinne.

Die Qualität des angebotenen Pfeffers ließ oft zu wünschen übrig. Häufig kamen hohle, wurmstichige oder verschimmelte Körner auf den Markt, die zusätzlich durch tote Insekten, Nagetierhaare und -exkremente verunreinigt sein konnten. Deshalb wurde Pfeffer vor dem Verkauf ausgelesen und gesiebt. Gut sechs Gewichtprozent des Handelsware wurde als Reinigungsverlust veranschlagt. Auch war der Pfeffer oft absichtlich verfälscht: "Mit Mäusedreck Pfeffer wird versetzt", heißt es im "Narrenschiff" von Sebastian Brant. Unreife Wacholderbeeren, mit Pfeffermehl gekochte schwarze Wicken und Früchte des Roten Hartriegels wurden als Pfeffer angeboten. Erwischte man einen Krämer, der wissentlich gefälschten Pfeffer verkaufte, wurde er mit Ruten geschlagen, des Landes verwiesen oder gar mit dem Tod bestraft.

Die Apotheken wurden amtlich kontrolliert, um die Qualität der Waren zu garantieren. Viele Städte schrieben selbst die Aufbewahrungsdauer und -art der Drogen vor. Im Verlauf des 30-jährigen Krieges brachen die Lebensmittelkontrollen allerdings fast völlig zusammen. Weil die Apotheken so gut überwacht wurden, empfahl man z. B. im späten 18. Jahrhundert, Gewürze ausschließlich dort einzukaufen [2].

Pfeffer gegen Pest und Cholera

Die furchtbarste Krankheit im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit war die Pest, der "Schwarze Tod". Im Jahr 1348 veröffentlichte die Medizinische Fakultät in Paris Verhaltensvorschriften, um sich vor der Pest zu schützen. "Wir empfehlen Brühen mit gestoßenem Pfeffer, Zimmet und Spezereien, besonders solchen Leuten, die gewohnheitsmäßig wenig und nur Ausgesuchtes essen", hieß es unter anderem. Ähnlich lautende Anweisungen gab es auch in späteren Jahren, wie bei der Nürnberger Pest-Anordnung des Jahres 1520.

Leichenfrauen versuchten sich mithilfe von Pfefferkörnern, die sie in den Mund nahmen, vor der ansteckenden Krankheit zu schützen. Selbst Bürgersfrauen machten sich die vermeintliche Kraft des Pfeffers zunutze, wie das Beispiel einer reichen Holländerin zeigt: Sie trug ein Collier aus Pfefferkörnern. Solche Pfeffercolliers tauchten im 19. Jahrhundert als Schutz vor den damals grassierenden Choleraepidemien wieder auf. Auch gegen diese Seuche galt Pfeffer als durchaus brauchbar, wie es Anton Tschechow schilderte: "Prokofi versuchte zur Cholerazeit die Ladenbesitzer mit Pfefferschnaps und Teer zu kurieren ...".

Kritik am fremden Luxusgewürz

Nachdem die Portugiesen um 1500 nahezu ein Pfeffermonopol errichtet hatten, war Pfeffer wieder recht teuer geworden. So kam es zu lautstarken Protesten gegen die "Pfeffersäcke", sogar von einer "Pfeffernot" war im Jahre 1513 die Rede. Fälschungen des Pfeffers nahmen überhand. Zahlreiche Humanisten und Dichter riefen in überaus populären Schriften zum Boykott der Gewürze auf. Sie berichteten darüber hinaus, dass Gewürze gesundheitsschädigend wirken: "Nun, ist es denn nicht lauter läppisches Zeug um euren Pfeffer, Ingwer, Zimt, Safran, Nelken und derlei Wurzeln, Pflanzen, Früchte und Samen, ohne die man gar wohl leben, ja gesünder leben kann? Denn unmöglich können uns, die wir hier geboren sind, Dinge wohlbekommen, die hier nicht wachsen; bekämen sie uns, so würde die Natur schon gesorgt haben, dass sie auch hier wüchsen. Nicht zur Notdurft also, sondern zum Vergnügen verlangt man nach jenen Dingen, und nicht um den Körper zu erhalten, sondern um ihn zu reizen", hieß es in Huttens Stück "Die Räuber".

Am klarsten sagte es der anonyme Autor im "Schauplatz der Natur und Künste" (1774 – 1783): Ausländische Gewürze solle man den Indianern lassen und das eigene Geld behalten. Der häufige Gebrauch dieser Gewürze gehöre zu denjenigen Ursachen, warum das menschliche Leben immer mehr und mehr "abnehme".

Das Erzstift Köln empfahl 1538: "Doch sehen wir für nützer und besser an, dass sich unser Unterthanen mit dense Gewürtz irer Garten zur Speisen begnugen liessen." Hatten diese Aktionen Erfolg? Durchaus, denn unzählige Einblattdrucke und Schriften verteilten die Meinungen unters breite Volk.

Pfeffer und Piperin gegen Fieber

Im Jahr 1819 entdeckte der Däne Hans Christian Oersted im Pfeffer das Piperin, eins der ersten rein dargestellten Alkaloide. Bald darauf empfahlen Ärzte es als Chininersatz bei Wechselfieber. Denn Piperin bewirkt beim Menschen eine Herabsetzung der Körpertemperatur um 0,4 bis 0,6 Grad Celsius. Anstatt der Reinsubstanz bekamen viele Kranken mehrmals täglich fünf bis fünfzehn Pfefferkörner oder fünf bis zehn Gramm gepulverten Pfeffer. Das Pfefferpulver wurde mit Gummi arabicum zu Pillen verarbeitet und mit Kalmus bestreut. Allerdings zeigten sich bei den hohen verabreichten Pfeffermengen nicht selten höchst unangenehme Nebenwirkungen. Außer lokalen Reizwirkungen im Mund und Schlund beobachtete man vereinzelt Brennen beim Harnlassen und auf der Haut, aber auch Fieberschauer, bisweilen mit nachfolgenden Zuckungen und Bewusstlosigkeit. Bei Dosen von mehr als einem Gramm Piperin traten Appetitlosigkeit und Kopfschmerzen auf.

Lange Zeit galt Pfeffer außerdem als wirksam gegen Lähmungen und auszehrende Krankheiten. Zur Linderung von Lähmungen verschrieben Ärzte Salben aus Pfefferpulver und Fett und als eine Art Kaugummi. Lästige Kopfläuse tötete man mit Pfefferpulver ab, das auf der Kopfhaut verteilt wurde. Doch die Anwendung des Pfeffers als Medikament ging schon um 1845 ihrem Ende entgegen. Wenn überhaupt, wurde nur noch schwarzer Pfeffer verwendet.

Vorsicht, Pfeffer!

In den folgenden Jahren wurde selbst das Küchengewürz Pfeffer wegen seiner "Reizwirkung" überaus kritisch betrachtet. Von nun an stufte man Gewürze häufig sogar als potenziell gesundheitsgefährdend ein. In einer Nahrungsmittelkunde von 1860 konnte man lesen [3]: "Der Pfeffer ist eines der schärfsten Gewürze, und übermäßiger Gebrauch desselben hat, ganz vorzüglich wenn der Pfeffer in Pulverform benutzt wurde, sehr bald Reizungs- ja Entzündungszustände des Darmrohres im Gefolge; mir ist ein Fall bekannt, wo nach Genuss stark gepfefferten Fleisches (das Quantum des Pfeffers kann ich leider nicht angeben) ein bedenklicher Irritationszustand des Magens und Dünndarms erfolgte; freilich war das Individuum schwächlich und mehr als gewöhnlich empfindlich für Außeneinwirkungen."

In einem Ratgeber für Gesunde und Kranke fand der interessierte Leser 1930 folgende Warnung vor "brennenden" Gewürzen [4]: Sie "überreizen die Verdauungsorgane. Kindern und jungen Leuten wird stark gewürzte Nahrung auch aus dem Grunde leicht verhängnisvoll, weil sie erhitzend auf den Geschlechtstrieb wirkt. Auf Pfeffer sollte man daher ganz verzichten." Und das Lexikon "Der Große Herder" aus dem Jahr 1934 stellte unter dem Stichwort "Pfeffer" plakativ fest: "Vorsicht beim Würzen! Übermäßiger Genuss verursacht Durst und Magenschmerzen, auch Nieren- u. Blasenleiden sowie Verhärtung der Leber."

Solche Aussagen flossen wenig später in populäre Kochbücher ein. Auch aus der Diätetik verschwanden die Gewürze fast vollständig. Von nun an wurden Brühen für die Krankenernährung nur noch aus Wasser und Fleisch gekocht, ohne jeden Zusatz von Wurzelwerk oder gar Gewürzen [5]: "Von allen gekochten und zubereiteten Nahrungsmitteln sind wieder diejenigen am leichtesten verdaulich, ... welche dabei am wenigsten gesalzen oder gewürzt sind."

Selbst die Qualität des verkauften Pfeffers wirkte wenig vertrauenerweckend. Fälschungen des Gewürzes nahmen im erschreckenden Maße zu. Rübsamen, Weizen- und Roggenmehl, Erbsen-, Bohnen- und Kartoffelmehl, Senf, Hanf, selbst gebranntes Elfenbein mischten Händler unter gemahlenen Pfeffer. In Holland vermehrten Händler das Gewicht ihres weißen Pfeffers durch einen Überzug aus bleiweißhaltigem Gummi. Bei einer Überprüfung der Gesundheitskommission in London stellte sich mehr als die Hälfte aller untersuchten Pfefferproben als gefälscht heraus. Der Handel ging schließlich dazu über, seine Gewürze von Apothekern und Lebensmittelchemikern untersuchen zu lassen.

Pfeffer in der heutigen Medizin und Diätetik

In der Medizin dauerte es lange, ehe Pfeffer wieder beachtet wurde. Zu nachhaltig hatte sich die Propaganda seiner krankmachenden Wirkung in den Köpfen der Menschen festgesetzt. Erst in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts wurden die ersten Stimmen laut, die den Gewürzen wieder positive Wirkungen auf den Körper zubilligten. "Der noch vielverbreiteten Volksmeinung von dem nierenschädlichen Einfluss dieser Gewürze, insbesondere von Pfeffer ... kann auf Grund der klinischen Erfahrungen mit aller Bestimmtheit entgegengetreten werden."

Auch die verdauungsfördernde Wirkung des Pfeffers wurde wieder gewürdigt. Bei Untersuchungen stellte sich heraus, dass Pfeffer-Reiz bei Anazidität stimulierend wirkt, ohne dass es zu einer überschießenden Säureproduktion kommt. Möglicherweise bewirkt er auch eine Erregung von Peristaltik und Tonus der Darmmuskulatur.

Heute ist Pfeffer wieder das Lieblingsgewürz der Deutschen und wird in 95 Prozent aller Küchen verwendet. Die Qualität des Gewürzes wird streng kontrolliert, Fälschungen kommen kaum noch vor. Jüngere pharmakologische Studien zeigen: Pfeffer erhöht die Gerinnungsfähigkeit des Blutes, beschleunigt die Thrombin-Aktivierung und verkürzt die Gerinnungszeit. In großen Mengen genossen, kann Pfeffer durch seine Phytohormone abortiv und emmenagog wirken. Indische Forschungen zufolge wirken Extrakte des schwarzen Pfeffers vermifug. Daneben wurden antiallergische und entzündungshemmende Eigenschaften des Gewürzes gefunden. Doch außer in der Homöopathie und Naturheilkunde wird Pfeffer kaum als Medikament eingesetzt.

In zahlreichen Tierversuchen wird zurzeit die Wirkung des Piperins untersucht, vor allem seine Wirkung auf die Ausschüttung von Hormonen und auf Enzyme. Die Zukunft könnte noch Überraschungen bringen. Schließlich galt der Pfeffer schon immer als Sinnbild dafür, dass nichts nach seinem äußeren Schein beurteilt werden soll: "Klein ist der Pfeffer, und doch macht er sich fühlbar."

Kastentext: Qualitätsprüfung

Fälschungen der Pfefferdroge mit Wacholderbeeren, Grassamen oder anderen obskuren Zutaten waren in der Antike recht häufig. Von Galen stammt eine Anweisung für den "gebildeten Laien", die Qualität des Pfeffers zu prüfen: "Man koste ihn zunächst und achte dabei genau darauf, ob er die Eigenschaften des Pfeffers noch hat; dann werfe man ihn in Wasser. Ist er gefälscht, so löst er sich alsbald auf und zerschmilzt, wenn er einen ganzen Tag gewässert ist."

Kastentext: Keimbelastung

Schwarzer Pfeffer weist fast regelmäßig einen hohen Gehalt an aeroben Keimen auf, wie Bacillus subtilis und Bacterium mesentericum. Die niedrigsten gefundenen Keimzahlen lagen bei 350 000, die höchsten sogar bei über 80 Millionen Keimen pro Gramm Pfeffer.

Kastentext: Chemie des Pfeffers

Pfeffer ist sehr komplex zusammengesetzt. Er enthält ein bis zweieinhalb Prozent ätherisches Öl mit mehr als 130 verschiedenen Komponenten, darunter Pinen, Camphen, Limonen, Citral, Linalool und Carvon. Der Gehalt an Piperin schwankt bei schwarzem Pfeffer zwischen 6,0 und 8,8 Prozent, bei weißem Pfeffer zwischen 6,6 und 7,6 Prozent. Daneben enthalten 100 g getrocknete schwarze Pfefferkörner durchschnittlich 11,5 g Protein, 6,8 g Fett und 49,2 g Kohlenhydrate. Mineralstoffe und Spurenelemente wie Phosphor, Calcium, Natrium, Kalium, Mangan, Eisen, Kupfer und Chlorid runden die chemische Zusammensetzung des Pfeffers ab.

Kastentext: Pfeffer und Mikroben

Der Kaufmann Antony van Leeuwenhoek (1632 – 1723) in Delft konnte besonders gute Gläser für Mikroskope schleifen. Und er war neugierig. Er fragte sich, warum Pfeffer wohl so scharf ist. Also zerstieß er ein Korn, weichte es auf und legte es unter das Mikroskop. Da entdeckte er große Mengen "levende dierkens" bzw. französisch "animalcules". Erstaunt stellte er fest, dass sie so klein sind, dass "ein grobes Sandkorn eine Million davon fasse und dass in einem Tropfen Pfefferwasser wohl mehr als 2 700 000 wohnen können". Er hatte die Protozoen und die größeren Bakterien (Spirillen und Spirochäten) entdeckt.

Kastentext: Allheilmittel

Auch im 18. Jahrhundert galt Pfeffer als (fast) universell einsetzbares Medikament: Er vertrieb Husten, besserte übelriechenden Atem, wurde gegen Fieber, Zahnschmerzen und Halsweh verschrieben. Pfefferlatwergen wurden gegen kalten Magen, Lebersucht, Wassersucht und Quartalsfieber verschrieben. Pfefferkuchen, Pfefferpulver oder drei, vier Tropfen des kostbaren Pfefferöls in Wein sollten den kalten Magen erwärmen.

Kastentext: Luxus

Nicht allen "schmeckte" der häufige Gebrauch des Pfeffers in Küche und Medizin. So kritisierte Plinius die Luxusliebe seiner Zeitgenossen: "Es ist sonderbar, dass sich der Pfeffer ... beliebt gemacht hat. Andere Dinge empfehlen sich durch Süßigkeit, wieder andere durch Schönheit; der Pfeffer aber konnte nur durch seinen scharfen Geschmack und dadurch gefallen, dass er aus Indien kommt. Dort wächst er wild; bei uns wird er für Gold und Silber gekauft." Und resigniert fügte er hinzu: "So teuer bezahlen wir für unseren Luxus und für unsere Frauen!"

Kastentext: Rezept gegen Zahnweh

Man nehme weißen und langen Pfeffer, Cubeben, Läusekraut, Rinden vom Maulbeerbaum, Alraun und Bertramwurzel. Die gut zerstoßenen Drogen werden mit Wein aufgegossen, zum Schluss kommt noch etwas Essig hinein. (17. Jahrhundert)

Kastentext: Überdosierung

"Intern eingeführt, befördert er (der Pfeffer) in kleinen Gaben die Verdauung, während große Mengen mehr oder weniger heftige gasto-enteritische Erscheinungen erzeugen können. Insbesondere infolge der Anwendung des Pfeffers als Wechselfiebermittel sind derartige Vergiftungen vorgekommen ... man will dabei selbst Anfälle von Wuth mit nachfolgendem langen Schlafe, Bewusstlosigkeit ... beobachtet haben." Frühes 19. Jahrhundert

Kastentext: Zitate

Im Norden, wo durch die Kälte der Stoffwechsel ohnehin sattsam beschleunigt wird, ist der Gebrauch der Gewürze unnötig, ja selbst schädlich zu nennen. F. Artmann, 1859 [7]

Vor allen Dingen taugt die Pfefferwürzung den Teufel nichts und ist höchstens für einen überreizten oder einen Matrosenmagen, für Rum- und Portwein-Trinker, und für ein Nebelland, wo man der schweren Verdauung zur Hilfe kommen muss. Eugen von Vaerst, "Gastrosophie", 1854

Vorsichtig aber sei man mit dem Würzen des Pfeffers, der, im Übermaß angewandt, der Gesundheit sehr nachteilig ist. Henriette Davidis, "Praktisches Kochbuch", 1844 Schwarzer Pfeffer löst auf das Mark, Den Schleim zertreibt, die Dauung stärkt. Der weiß Pfeffer dient dem Magen Tut Hust und Schmerzen der Brust verjagen. Regimen Sanitatis Salernitanum, 1547

Es soll auch niemand nach dem Bad Pfeffer, Zwiebel, Knoblauch oder was sehr hitzig macht, essen, das sollt ihr euch merken. "Schaltjahr" [6]

Nieder mit dem Pfeffer, dem Safran und der Seide! Mein höchster Wunsch ist, dass jene nie vom Podagra und von den Franzosen (d. i. Syphilis) geheilt werden, die des Pfeffers nicht entbehren können. Ulrich von Hutten

Jeder Verständige wird mir recht geben, dass der Pfeffer ... für Mönche allzu hitzig sei. Abt Bernerli, 12. Jahrhundert

Quellen [1] Feyl, A.: Das Kochbuch des Eberhard von Landshut (erste Hälfte des 15. Jahrhunderts). Ostbairische Grenzmarken 5 (1961). [2] Frank, J.P.: System der medizinischen Polizey, Bd. VII, S. 424, in: Wassermann, L.: Der Kampf gegen die Lebensmittelfälschung vom Ausgang des Mittelalters bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Mainz 1879. [3] Reich, E.: Die Nahrungs- und Genußmittelkunde historisch, naturwissenschaftlich und hygienisch, Bd. 2. Göttingen 1860. [4] Schönenberger, F.: Der Naturarzt. Berlin 1930. [5] Kuhne, L.: Die neue Heilwissenschaft oder die Lehre von der Einheit der Krankheiten und deren darauf begründete einheitliche, arzneilose und operationslose Heilung. Leipzig 1898. [6] Zitiert nach Thiele, H. (Hrsg.): Leben in der Gotik. München 1946. [7] Artmann, F.: Die Lehre von den Nahrungsmitteln, ihrer Verfälschung und Konservierung. Prag 1859.

Der Pfeffer hat Weltgeschichte gemacht, schließlich war er die wesentliche Ursache für die Entdeckungsreisen der Spanier und Portugiesen im 15. Jahrhundert. Schon im Mittelalter war Pfeffer bei uns ein alltägliches Küchengewürz. Daneben wurde er auch arzneilich verwendet, z. B. als Mittel gegen die Pest. Im 19. Jahrhundert forderten Ärzte mit Erfolg, die Nahrung möglichst nicht mit Pfeffer zu würzen. Erst seit den 1950er-Jahren hat der Pfeffer die deutschen Küchen zurückerobert.

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