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Arzneimittel und Therapie
Chronisches Erschöpfungssyndrom: Fludrocortison bei neural vermittelter Hypoton
Chronische Müdigkeit kennt man seit langem als Symptom einer Fehlfunktion des autonomen Nervensystems. Jüngere Forschungsergebnisse deuten auf einen Zusammenhang zwischen dem chronischen Erschöpfungssyndrom und einer neural vermittelten Hypotonie, einer Blutdruck-Regulationsstörung im Sitzen oder Stehen (also bei aufrechter Körperhaltung = Orthostase). Dies führte zur Hypothese, dass die Orthostase-Unverträglichkeit eine - möglicherweise behandelbare - Ursache des chronischen Erschöpfungssyndroms ist.
Cortisolderivat bei orthostatischer Hypotonie
In einer randomisierten, kontrollierten Studie wurde daher die Wirksamkeit des Mineralocorticoids Fludrocortison bei Patienten mit chronischem Erschöpfungssyndrom und neural vermittelter Hypotonie geprüft. Das Cortisolderivat wird seit mehreren Jahrzehnten bei orthostatischer Hypotonie eingesetzt.
Die Doppelblindstudie fand an zwei US-amerikanischen Zentren statt. Alle Teilnehmer waren zwischen 18 und 50 Jahre alt. Ihr chronisches Erschöpfungssyndrom war mindestens mäßig stark ausgeprägt, was bei der Selbstbeurteilung des Allgemeinbefindens auf einer Skala von 0 bis 100 durch einen Punktwert von höchstens 65 zum Ausdruck kam. Bei einem zweistufigen Kipptisch-Test wurde die neural vermittelte Hypotonie diagnostiziert.
Von 100 aufgenommenen Patienten bekamen 50 Fludrocortisonacetat und 50 Plazebo. Die Fludrocortisonacetat-Tagesdosis wurde von 0,025 mg in der ersten Woche über 0,05 mg in der zweiten Woche auf 0,1 mg ab der dritten Woche erhöht. Die Behandlung dauerte insgesamt neun Wochen, gefolgt von einer zweiwöchigen Nachbeobachtung. In der neunten Woche fand ein zweiter Kipptisch-Test statt. Da Fludrocortison die Ausscheidung von Kaliumionen im Urin erhöht, nahmen alle Patienten täglich 10 mmol Kaliumionen in Form von Kaliumchlorid-Tabletten ein.
Beurteilung des Allgemeinbefindens
Die Patienten beurteilten ihr Allgemeinbefinden täglich auf einer Skala von 0 bis 100. Primäres Zielkriterium war der Anteil der Patienten, deren Allgemeinbefinden sich um mindestens 15 Punkte besserte. Weitere Kriterien waren Veränderungen auf anderen Selbstbeurteilungsskalen (z.B. SF-36, Beck Depression Inventory, Wood Mental Fatigue Inventory, Profile of Mood States Questionnaire).
Die Teilnehmer waren im Mittel 37 Jahre alt. Zwei Drittel waren Frauen. Sie litten seit durchschnittlich sechs Jahren am chronischen Erschöpfungssyndrom. Für 83 Patienten - 38 mit Fludrocortison und 45 mit Plazebo - lagen ausreichende Ergebnisse für eine Beurteilung der Wirksamkeit vor.
Die Intention-to-treat-Analyse ergab:
- Sieben Patienten mit Fludrocortison (14%) und fünf mit Plazebo (10%) erreichten eine Besserung des Allgemeinbefindens um mindestens 15 Punkte. Der Unterschied war nicht signifikant.
- Kein signifikanter Unterschied bestand bei den Veränderungen in den übrigen Selbstbeurteilungstests und im Anteil der Patienten mit normalen Ergebnissen im zweiten Kipptisch-Test.
Nicht wirksamer als Plazebo
Demnach ist täglich 0,1 mg Fludrocortisonacetat als Monotherapie der neural vermittelten Hypotonie bei Erwachsenen mit chronischem Erschöpfungssyndrom nicht wirksamer als Plazebo. Die fehlende Besserung der Symptome mit Fludrocortisonacetat widerlegt jedoch nicht die Hypothese, dass die nerval vermittelte Hypotonie zum chronischen Erschöpfungssyndrom beiträgt. Möglicherweise eignen sich andere Arzneimittel oder Kombinationstherapien zur Behandlung der Orthostase-Unverträglichkeit bei Patienten mit chronischem Erschöpfungssyndrom.
Kastentext: Das chronische Erschöpfungssyndrom
Das chronische Erschöpfungssyndrom (Chronic Fatigue Syndrom, CFS) ist eine relativ häufige Erkrankung. Sie betrifft von 100000 Erwachsenen etwa 400. Nach den Diagnosekriterien der amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) handelt es sich um eine seit mindestens sechs Monaten bestehende, anders nicht erklärbare Ermüdung mit mindestens vier der acht folgenden Symptome:
- Einschränkung von Gedächtnis oder Konzentration
- Halsschmerzen
- Empfindliche Lymphknoten an Hals oder Achseln
- Muskelschmerzen
- Schmerzen an mehreren Gelenken
- Neue Kopfschmerzen
- Keine Erholung durch Schlaf
- Unwohlsein nach Anstrengung
Eine wirksame medikamentöse Therapie ist noch nicht bekannt.
Literatur: Rowe, P. C., et al.: Fludrocortisone acetate to treat neurally mediated hypotension in chronic fatigue syndrome. J. Am. Med. Assoc. 285, 52-59 (2001).
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