Kommentar

DPhG-Leitlinienentwurf für aut idem: So wird qualifiziert ausgetauscht

Frankfurt/M. (diz). Experten der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) haben eine Leitlinie zur Aut-idem-Regelung verfasst (siehe DAZ Nr. 10, S. 129). Den Entwurf dieser Leitlinie "Gute Substitutionspraxis (GSP)" stellte die DPhG am 6. März in Frankfurt auf einer Pressekonferenz vor. Wie DPhG-Präsident Prof. Dr. Theo Dingermann erklärte, kann die Leitlinie dazu beitragen, die durch die Aut-idem-Regelung hervorgerufene Polarisierung zwischen Ärzten, Apothekern und Pharmaindustrie abzubauen. An der Pressekonferenz nahmen auch Vertreter der ärztlichen Fachpresse teil.

Die mit dem Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz in Kraft getretene Aut-idem-Regelung sei so, wie sie jetzt vorliege, nicht im Sinne der Standesvertretung gewesen, merkte Dingermann in seinem Eingangsstatement an. Diese Regelung habe zu einer Polarisierung zwischen den Heilberufen geführt und zu Kontroversen aller Beteiligter. Hauptkritikpunkt, auch von Seiten der DPhG: pharmazeutische und medizinische Erwägungen sollen - und dürfen unter bestimmten Umständen sogar - bei der Auswahl des Ersatzpräparates praktisch keine Rolle mehr spielen. Dabei könnte eine Aut-idem-Regelung, richtig angewandt, Vorteile für den Patienten bieten, da er z. B. auf ein in der Apotheke nicht vorrätiges Präparat nicht warten muss, sondern ihm gleich ein gleichwertiges Präparat ausgehändigt werden kann. Diese Auswahl dürfe allerdings nicht nach monetären Kriterien geschehen. Die DPhG habe daher eine Leitlinie erstellt für eine gute Substitutionspraxis, die als Handlungsanweisung für einen qualifizierten Austausch von Präparaten zu verstehen ist. Sie soll aufzeigen, unter welchen Bedingungen ein Austausch möglich ist, aber auch unter welchen Bedingungen von der gesetzlich vorgeschriebenen Substitution abgesehen werden sollte. Dabei seien, wie Dingermann einräumte, in einzelnen Punkten Konflikte zwischen den niedergelegten Empfehlungen und den neuen Vorgaben für die Aut-idem-Substitution unvermeidbar gewesen.

Auch Prof. Dr. Dr. Ernst Mutschler, der an der Erstellung der Leitlinie mitbeteiligt war, geht davon aus, dass diese Richtlinie zur Versachlichung des Themas beitragen könne. Die Leitlinie sei erstellt worden, vor dem Hintergrund, dass das Wohl des Patienten im Mittelpunkt stehe. Anhand dieser Vorgaben sei eine korrekte Substitution, auch unter pharmazeutisch-medizinischen Erwägungen möglich, wobei der Preis allerdings kein Kriterium sein dürfe. Wenn die Bedingungen dieser Leitlinie in der Praxis erfüllt würden, so Mutschler, könnten die meisten Argumente gegen die Aut-idem-Regelung ausgeräumt werden. Diese Leitlinie könne auch dazu beitragen, den Konflikt zwischen Ärzten und Apothekern, aber auch mit der Industrie erheblich zu reduzieren.

Prof. Dr. Henning Blume, der ebenfalls an der Erstellung dieser Richtlinie mitarbeitete, setzte sich dafür ein, dass die Qualität bei der Auswahl angemessen berücksichtigt werden müsse. Zu fordern sei, dass die Auswahl unter therapeutisch äquivalenten Produkten erfolge. Weniger problematisch sei ein Austausch beim Ersteinsatz eines Präparates für eine Akutbehandlung. Kritisch dagegen sei der Austausch bei Präparaten, die für die Dauermedikation vorgesehen seien. Hier müsse als Voraussetzung die therapeutische Äquivalenz berücksichtigt werden ("generische Substitution"). Blume wies auch darauf hin, dass es eine Vielzahl kritischer Darreichungsformen gebe. Denn nicht selten sei auch die Darreichungsform eines Arzneimittels für therapeutische Effekte verantwortlich. Der Grundsatz für eine Substitution sei: der selbe Wirkstoff in der selben Dosispackung in einer austauschbaren Darreichungsform. Die DPhG-Leitlinie gebe Beispiele dafür, welche Darreichungsformen vergleichbar und damit austauschbar seien, z. B. seien bei flüssigen oralen Darreichungsformen Brausetabletten (in gelöster Form), Granulate (in gelöster Form), Lösungen, Säfte und Tropfen austauschbar, nicht jedoch Suspensionen. Schließlich müssten auch Hilfsstoffe berücksichtigt werden, wenn sie für bestimmte Effekte verantwortlich gemacht werden können (z. B. Alkohol, Zucker, Konservierungsstoffe). In der endgültigen Version der Leitlinie, die zusätzlich mit ausführlichen Tabellen und weiteren Hinweisen angereichert werden wird, werden diese Fragen berücksichtigt werden, ergänzte Blume. Geradezu Haare sträubend seien dagegen die ersten Hinweise des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, die offiziell die austauschbaren Darreichungsformen bestimmen sollten. Hier werden Filmtabletten, Kapseln, Dragees, magensaftresistente Formen und Retardkapseln als austauschbar eingestuft. Demnach wäre beispielsweise ein Valproin-Präparat, das als Antiepileptikum eingesetzt wird, in seiner schnell freisetzenden Form gegen seine Retardform austauschbar - "ein Unding", so Blume. Eine Aut-idem-Regelung ohne Qualitätsaspekte sei für ihn aus pharmazeutischer Sicht nicht akzeptabel.

Die praktische Vorgehensweise im Apothekenbetrieb erläuterte Dr. Klaus G. Brauer, der ebenfalls an der Erstellung der Richtlinie beteiligt war. Mit Hilfe von Fließschemata machte er die Vorgehensweise bei der Entscheidungsfindung deutlich. Brauer räumte allerdings ein, dass für die praktische Umsetzung noch Informationen zu den Präparaten, die beispielsweise das ZL erstellen könnte, fehlen. Insgesamt sei die Aut-idem-Regelung kein Angriff auf die Therapiehoheit des Arztes, der die Arzneimitteltherapie bestimme, der Apotheker entscheide lediglich über die Qualität des Arzneimittels. Für den Patienten könne die Regelung den Vorteil bieten, dass eine Versorgung "cito et iucunde", also schnell und bequem erfolgen könne.

Dingermann gab am Ende der Pressekonferenz seiner Hoffnung Ausdruck, dass diese Leitlinie der DPhG dazu beitragen könne, von der Konfrontation zu einem Miteinander von Arzt und Apotheker zu gelangen. Er forderte dazu auf, dass die Apotheker den Dialog mit dem Arzt suchten, allein dadurch könne das Spektrum der auszutauschenden Substanzen eingeengt werden.

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