Kommentar

Novitas BKK begeht Rechtsbruch: Versicherte sollen bei Internetapotheke bestelle

(diz). Die Novitas Vereinigte BKK in Duisburg fordert ihre Versicherten dazu auf, einen „neuen Service“ zu nutzen: die Medikamentenbestellung bei der niederländischen Versandapotheke „Europa Apotheek“ in Venlo. Dabei werden dem Versicherten u. a. finanzielle Vorteile in Aussicht gestellt. Auf eine Rezeptzuzahlung verzichtet die Kasse.

In der Dezember-Ausgabe der BKK-Kundenzeitschrift „Pulsschlag“ wird den Versicherten die Vorgehensweise ausführlich erklärt. Vor der ersten Inanspruchnahme der Internetapotheke schickt der Versicherte einen ausgefüllten Patientenfragebogen an die Europa-Apotheek und beauftragt die Hermes General Service GmbH in Hamburg als Boten mit der Zustellung der Arznei.

Der Patientenfragebogen forscht z. B. nach derzeit eingenommenen Arzneimitteln, er fragt nach chronischen Erkrankungen, Allergien, Schwangerschaft, nach einem Kinderwunsch und nach der Adresse des behandelnden Arztes. Danach kann der Versicherte dann seine Rezepte in einem Freiumschlag an die Internetapotheke schicken. Nach etwa zwei bis drei Tagen erhält er sein Arzneimittel, der Botendienst ist für ihn kostenlos. Das Päckchen wird nach Angabe der Novitas nur persönlich ausgehändigt und nicht an Kinder oder Nachbarn abgegeben. Wie Novitas selbst einräumt, sei der Versandweg für Antibiotika oder andere Akutmedikamente allerdings „nicht unbedingt geeignet“.

Als Gründe für den Versandservice nennt die Novitas die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen in 2001 von rund 42 Mrd. Milliarden Mark und Einsparmöglichkeiten durch den Versandhandel: „Nutzen also viele Versicherte das neue Angebot“, so die BKK-Zeitschrift, „spart Novitas bei den Arzneimittelausgaben“.

Wie es weiter in dem Artikel in „Pulsschlag“ heißt, habe sich der Versand von Arzneimitteln über Versandapotheken in anderen europäischen Ländern bewährt. Die Novitas wörtlich: „Wir sind der Meinung, dass die geforderten hohen Sicherheitsstandards nicht nur von öffentlichen deutschen Apotheken gewährleistet werden können, sondern auch zum Beispiel von den beiden holländischen Apotheken der ≠Europa-Apotheek’ in Venlo und ≠DocMorris’ in Kerkrade.“

Als Vorteile bei der Belieferung durch die niederländische Versandapotheke stellt Novitas heraus: „- Bestellung täglich (auch am Wochenende) rund um die Uhr möglich, - das Medikament wird schnell, sicher und kostenlos nach Hause geliefert, - Betreuung durch approbierte Apotheker und qualifiziertes Apothekenpersonal, - finanzielle Vorteile, - diskrete Beratung“.

Wie in einer Bananenrepublik

Bereits am 14. Dezember 2001 haben mehrere Betriebskrankenkassen erklärt, sich künftig nicht mehr an das Versandverbot für Arzneimittel halten zu wollen und illegal aus dem Ausland beschaffte Arzneimittel zu erstatten. Zusätzlich werde man auf die gesetzlich vorgeschriebene Zuzahlung, die alle Apotheken im Auftrag der Krankenkassen von den Kassenpatienten einbehalten müssen, verzichten, hieß es. Wie der Vorsitzende des Apothekerverbands Schleswig-Holstein, Peter Froese, in einer Pressemitteilung deutlich machte, seien die Gefahren des illegalen Tuns der Kassen bereits aktuell, wie ein Beispiel aus Lübeck zeige. Dort habe eine BKK eine Patientin gezwungen, ihre ärztliche Verordnung für ein teures Dauermedikament über die Kasse bei einer holländischen Apotheke einzureichen. Nach über einer Woche sei das Medikament noch immer nicht angekommen. Die Kasse habe sich nun an eine ortsansässige Apotheke gewandt mit der Bitte, das Arzneimittel schnellstmöglich zu besorgen.

Das Rezeptblatt wolle man nachreichen, weil die Patientin es „verbummelt“ habe. Auf diese Weise, so Froese, habe diese Kasse nicht nur die Gesundheit ihres Mitglieds gefährdet, sondern es auch noch wahrheitswidrig verunglimpft.

Der Skandal des öffentlichen Aufrufs zur Verletzung geltenden deutschen Rechts bestehe allerdings darin, so Froese weiter, dass die zuständigen staatlichen Stellen wie Bundesgesundheitsministerium, Bundesversicherungsamt und Sozialministerien der Länder nicht entschieden gegen die ihrer Rechtsaufsicht unterworfenen Krankenkassen vorgingen.

Der Verbandsvorsitzende wörtlich: „Wenn selbst Körperschaften öffentlichen Rechts geltendes Recht mit den Füßen treten und der Staat nicht reagiert, ist die Bezeichnung Bananenrepublik statthaft.“

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