Kommentar

Vorschaltgesetz: Apotheken sollen für GKV-Sanierung bluten

Stuttgart (hst). Nachdem bislang nur die Ziele des Vorschaltgesetzes zur Begrenzung der Ausgabenentwicklung in der Arzneimittelversorgung bekannt waren, konkretisieren sich allmählich die vorgesehenen Maßnahmen. Neben Einsparungen bei Arzneimitteln in Höhe von 1,4 Milliarden Euro sollen auch bei Heil- und Hilfsmitteln etwa eine Milliarde Euro und bei den ärztlichen Behandlungskosten und den Krankenhauskosten weitere 1,1 Milliarden Euro eingespart werden. Insgesamt erreicht das Sparpaket damit ein Volumen von rund 3,5 Milliarden Euro.

In einem ersten Gesetzentwurf, der der Deutschen Apotheker Zeitung vorliegt, verweist das Bundesministerium für Gesundheit und Soziales zur Begründung der massiven Einschnitte auf den starken Ausgabenanstieg in der Arzneimittelversorgung von etwa 15 % im Zeitraum 2000 bis 2002. Nach einem Ausgabenanstieg von 2,2 Milliarden Euro in 2001 erwartet das Ministerium in 2002 einen weiteren Zuwachs der Arzneimittelausgaben der Krankenkassen in 2002 in Höhe von einer Milliarde Euro. Diese Entwicklung sei unvereinbar mit dem von den Vertragspartnern der gemeinsamen Selbstverwaltung vereinbarten Ziel, die Arzneimittelausgaben in 2002 um rund eine Milliarde Euro zu senken.

BMG: Kostenexplosion in der Arzneimittelversorgung schuld am Defizit

Die Steigerungsraten der Arzneimittelausgaben überträfen, so das Ministerium weiter, nicht nur die Zunahme der beitragspflichtigen Einnahmen, sondern auch die Ausgabensteigerungen in anderen großen Leistungsbereichen der GKV um ein Vielfaches. Eine kurzfristige Umkehr dieser Entwicklung sei nicht zu erwarten.

Nach Einschätzung des Ministeriums ist angesichts dieser Entwicklung ein beträchtlicher Teil des Defizits der gesetzlichen Krankenkassen in 2001 und des für 2002 zu erwartenden Defizits auf die Kostenexplosion in der Arzneimittelversorgung zurückzuführen. Aufgrund der hohen Umsätze der Hersteller im GKV-Bereich, der erzielten Rationalisierungseffekte im Großhandel und zu hoher Apothekenaufschläge im hochpreisigen Marktsegment seien korrigierende Maßnahmen in Form von Rabattregelungen erforderlich und sachlich gerechtfertigt.

Rabattregelungen stark betroffen

Im noch internen Entwurf des zweiten Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetzes sind neben dem 6 %igen Rabatt der Apotheken an die Krankenkassen auch Rabatte des pharmazeutischen Großhandels und der Arzneimittelhersteller an die Krankenkassen vorgesehen. Außerdem soll der Rabatt der Apotheken bei hochpreisigen Produkten auf bis zu 10 % erhöht werden. Die Apotheken sind dabei in einer misslichen Lage, denn sie müssen die Rabatte der Hersteller und des pharmazeutischen Großhandels einsammeln. Die Summe der Rabatte wird wie die Zuzahlung bei der Abrechnung von den Krankenkassen einbehalten. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Hersteller den Großhandlungen "bei Abgabe von Arzneimitteln zu Lasten der Krankenkassen" einen Rabatt von 6 % auf den Herstellerabgabepreis gewähren. Diesen Herstellerrabatt muss der Großhandel in gleicher Höhe an die Apotheken durchreichen. Um ein Unterlaufen des Rabattes durch Preiserhöhungen der Hersteller zu verhindern, dürfen die Hersteller nur 94 % des am 1. Oktober 2002 geltenden Listenpreises in Rechnung stellen. Der Herstellerrabatt entfällt bei Arzneimitteln, für die ein Festbetrag gilt oder die der Aut-idem-Regelung unterliegen.

Marktbeteiligte: Lösungsansatz hat fatalen Denkfehler

Nach übereinstimmender Einschätzung der Marktbeteiligten ist dieser Ansatz nicht umsetzbar. Der Ansatz habe einen fatalen Denkfehler, heißt es. Dem pharmazeutischen Unternehmer sei bei der Lieferung großer Mengen an den Großhandel nicht bekannt, wie viele Packungen zu Lasten der Krankenkassen abgegeben würden. Dies gelte auch für die Belieferung der Apotheken durch den Großhandel. Der Großhandel soll den Krankenkassen einen Rabatt von 2,8 % auf den Apothekenabgabepreis gewähren. Der Apothekenrabatt wird preisabhängig gestaltet (s. Tabelle). Sowohl der Großhandels- als auch der Apothekenrabatt müssen auf alle zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen abgegebenen Arzneimittel gewährt werden, unabhängig davon ob für ein Produkt ein Rabattausschluss des Großhandels gilt. Während der Herstellerrabatt auf den 31. Dezember 2004 befristet ist, findet sich in der bisherigen Fassung des Gesetzentwurfs keine zeitliche Befristung für den Großhandels- und den erhöhten Apothekenrabatt.

Weiter sieht der Entwurf vor, dass Krankenkassen oder ihre Verbände mit einzelnen Apotheken zusätzliche Rabatte vereinbaren. Die Vereinbarung kann auch Jahresumsatzvolumina und die Abstaffelung von Mehrerlösen vorsehen. Die Krankenkassen können die Zuzahlung für die Versicherten bei Abgabe der Arzneimittel durch diese Vertragsapotheken reduzieren. Beobachter werten diese Option vor allem als Grundlage für die Gestaltung der Abrechnungen zwischen Krankenkassen und Versandapotheken.

Auch pharmazeutische Unternehmer können mit Krankenkassen zusätzliche Rabatte vereinbaren. Bei Kooperation der Krankenkassen mit Vertragsapotheken und einzelnen Herstellern sind nach Einschätzung von Beobachtern auch hier Interessenslagen denkbar, die Hersteller zur Gewährung weiterer Rabatte an die Krankenkassen veranlassen könnten. Mit der Vorstellung des endgültigen Gesetzentwurfes wird am Dienstag dieser Woche gerechnet.

Tabelle: Vorgesehener Apothekenrabatt auf den Apothekenabgabepreis ab 1. Januar 2003

Apothekenabgabepreis / Rabatt - Bis 32,21 Euro: 6,0 % - 32,22 - 46,31 Euro: 8,5 % - 46,32 - 54,20 Euro: 9,0 % - 54,21 - 820,22 Euro: 10,0 % - ab 820,23 Euro: 82,02 Euro + 5 % auf die Differenz zwischen 820,22 und dem Apothekenabgabepreis

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