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Arzneimittel und Therapie
Neuer Endothelin-Rezeptorantagonist: Bosentan hilft bei Lungenhochdruck
Der Lungenhochdruck, die pulmonale Hypertonie, ist eine schwere Erkrankung, bei der der Blutdruck in den Lungengefäßen zwischen rechtem und linkem Herzen, dem so genannten kleinen Kreislauf, erhöht ist. Damit durch die verengten Lungengefäße eine ausreichende Blutmenge fließt, muss das Herz deutlich mehr leisten, also mit mehr Druck gegen den erhöhten Widerstand pumpen. Der erhöhte Druck in den Lungengefäßen führt zu irreversiblen Veränderungen der Gefäßwände und zunehmender Belastung des rechten Herzens, dessen Pumpleistung langfristig nachlässt. Als Folge verschlechtert sich die Sauerstoffversorgung des Organismus, und die körperliche Leistungsfähigkeit nimmt deutlich ab. Die Lebenserwartung ist gering: Bei primärer pulmonaler Hypertonie beträgt sie nach Diagnosestellung nur noch drei bis fünf Jahre. Die häufigste Todesursache ist ein Versagen des rechten Herzens.
Primäre und sekundäre Form
Die pulmonale Hypertonie kann erblich bedingt sein (primäre Form). In den betroffenen Familien erkranken die Angehörigen im unterschiedlichsten Lebensalter. Die primäre Form der Erkrankung kommt bei Männern und Frauen gleich häufig vor. Häufiger ist die sekundäre Form, die sich auf dem Boden von verschiedenen Grunderkrankungen ausbildet. Dazu gehören Lungenerkrankungen, am häufigsten die chronisch-obstruktive Bronchitis, Lungenembolien, Herzerkrankungen, Autoimmunerkrankungen wie Sklerodermie und Lupus erythematodes, Virusinfektionen wie HIV und Hepatitis sowie Lebererkrankungen. Auch einige Arzneimittel können bei längerer Einnahme als unerwünschte Wirkung eine pulmonale Hypertonie auslösen, besonders Appetitzügler und Amphetamine. Die sekundäre pulmonale Hypertonie beginnt meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr, und Frauen sind häufiger betroffen als Männer. In Deutschland leiden mindestens 8000 Menschen an sekundärer pulmonaler Hypertonie.
Da die Symptome uncharakteristisch sind und bei vielen Patienten von der Grundkrankheit überlagert werden, wird die pulmonale Hypertonie meist sehr spät erkannt. Um die Diagnose sicher zu stellen, ist heute in den meisten Fällen eine Ultraschalluntersuchung des Herzens ausreichend.
Endothel spielt wichtige Rolle bei der Entstehung
Bei der Entstehung einer pulmonalen Hypertonie ist das Endothel der Blutgefäße entscheidend beteiligt. Eine wichtige Funktion des Endothels ist die Bildung von verschiedenen Botenstoffen, die für die Regulierung der Blutgefäße verantwortlich sind. Dazu gehören Stoffe, die gefäßerweiternd wirken, und andere, die die Gefäße verengen können. Zu den gefäßerweiternden Substanzen gehören zum Beispiel Prostacyclin und NO. Ein sehr stark gefäßverengender Faktor ist Endothelin-1 (ET-1). Beim gesunden Menschen findet ein geregeltes Zusammenspiel zwischen Endothelin auf der einen und gefäßerweiternden Substanzen auf der anderen Seite statt. So wird ein normaler Gefäßtonus aufrecht erhalten.
Bei Patienten mit pulmonaler Hypertonie sind die Endothelin-Konzentrationen erhöht, in den Lungengefäßen wird dagegen zu wenig Prostacyclin gebildet. Die erhöhte Endothelin-Konzentration bewirkt eine starke und lang anhaltende Verengung der Lungengefäße, einen verstärkten krankhaften Gefäßumbau in den Lungengefäßen und eine erhöhte Durchlässigkeit der Gefäßwände mit Entzündungsreaktionen. Möglicherweise werden auch die Herzmuskelzellen geschädigt.
Behandlungsmöglichkeiten bisher unbefriedigend
Bisher gibt es keine befriedigenden Möglichkeiten, bei der pulmonalen Hypertonie den erhöhten Druck zu senken und die Gefäßveränderungen zu verhindern oder aufzuhalten. In Deutschland gibt es keine speziell für diese Erkrankung zugelassenen Arzneimittel. Eine allgemeine Maßnahme ist beispielsweise die Langzeit-Sauerstoffgabe. Als gefäßerweiternde Mittel werden derzeit Calciumantagonisten, Prostacyclin (Epoprostenol) und Prostacyclinderivate sowie Stickstoffmonoxid (NO) eingesetzt. Zusätzlich können Diuretika verwendet werden.
Prostacyclin wird meist in Form einer Dauerinfusion verabreicht. Eine Alternative ist die Inhalationsbehandlung mit dem Prostacyclin-Derivat Iloprost. Ebenso wie Prostacyclin ist Iloprost in Deutschland nicht zur Behandlung der pulmonalen Hypertonie zugelassen, an spezialisierten Zentren kann diese Therapie aber im Rahmen von Heilversuchen durchgeführt werden. Ultima ratio bei der Behandlung der pulmonalen Hypertonie sind die operativen Verfahren Atrioseptostomie, Thrombendarteriektomie und schließlich die Herz-Lungen-Transplantation.
Schlüssel zu neuem Therapieansatz liegt im Endothel
Den Ansatz für ein neues Wirkprinzip lieferten die wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Endothel und seine Funktionen bei der Regulierung des Gefäßtonus. Das Endothel produziert und sezerniert vasodilatatorische Mediatoren und Endothelin-1 (ET-1), eine hochwirksame vasokonstriktorische Substanz. Erhöhte Konzentrationen von Endothelin-1, die man bei Patienten mit pulmonal-arterieller Hypertonie findet, bewirken eine anhaltende Konstriktion der Lungengefäße sowie eine chronische Entzündungsreaktion mit bindegewebigem Umbau der Gefäßwand (Remodelling), die dadurch ihre Elastizität verliert.
Vermittelt werden die Wirkungen des Endothelins über die Endothelin-Rezeptoren ETA und ETB. Genau in diesen Pathomechanismus greift das neue Therapieprinzip ein: Als dualer Endothelin-Rezeptorantagonist blockiert Bosentan (Tracleer®) beide Rezeptoren und hemmt somit die pathophysiologischen Wirkungen von Endothelin an den Blutgefäßen. Wie Studien zeigen, senkt die Therapie mit Bosentan den pulmonal-arteriellen Druck und führt zur Entlastung des rechten Herzens. Somit bessert sich die Belastbarkeit der Patienten deutlich, und der Schweregrad der Erkrankung geht zurück.
Tezosentan (vorgesehener Handelsname Veletri®) ist ein weiterer neuer Vertreter dieser Substanzgruppe, der ebenfalls von der Schweizer Firma Actelion entdeckt wurde und sich derzeit in der klinischen Entwicklung befindet. Beide Substanzen werden in verschiedenen weiteren Indikationen getestet. Dazu gehören die essenzielle Hypertonie und die Herzinsuffizienz.
Oral applizierbar
Ein besonderer Vorteil von Bosentan liegt in der oralen Applikation: Erstmalig ist damit eine effektive Behandlung der pulmonalen arteriellen Hypertonie mit Tabletten möglich. Die übliche Dosierung beträgt 125 mg zweimal täglich. Nach oraler Aufnahme ist Bosentan zu 50% bioverfügbar. Es wird zu 98% an Plasmaproteine gebunden. Die tmax liegt zwischen 3 und 5 Stunden, die Halbwertszeit beträgt 5,4 Stunden. Bosentan wird in der Leber durch das Cytochrom-P450-System über die Enzyme 3A4 und 2C9 hydroxyliert und demethyliert und dann biliär zu 93% in den Fäzes exkretiert.
Drucksenkung und verbesserte Hämodynamik
Bereits die erste plazebokontrollierte Studie mit Bosentan bei Patienten mit mittelschwerer und schwerer pulmonal-arterieller Hypertonie, die vor kurzem publiziert wurde, erbrachte beeindruckende Resultate (siehe nachfolgenden Bericht). In der Studie erhielten 21 Patienten Bosentan in einer Dosierung von anfänglich zweimal täglich 62,5 mg in den ersten 4 Wochen, dann täglich zweimal 125 mg, insgesamt wurde die Behandlung über 12 Wochen fortgeführt. Die zweite Gruppe, insgesamt 11 Patienten, erhielt Plazebo.
Unter der Behandlung mit dem Endothelin-Rezeptorantagonisten Bosentan besserte sich die Hämodynamik deutlich: Der pulmonal-arterielle Druck, der zu Beginn bei allen Patienten deutlich erhöht war, sank durchschnittlich um 1,6 mmHg, während er bei den Patienten, die Plazebo erhielten, um 5,1 mmHg anstieg. Noch deutlicher war der Effekt beim Widerstand in den Lungengefäßen: Dieser nahm unter Bosentan um 24% des Ausgangswertes ab, in der Plazebogruppe dagegen stieg der Widerstand während der Studie um 20% an – eine Differenz von 44%. Diese positiven Effekte auf die Hämodynamik waren statistisch signifikant (p = 0,013 bzw. p < 0,001).
Infolge der Drucksenkung und der höheren Herzleistung verbesserte sich das Krankheitsbild der Patienten wesentlich: Nach 12 Wochen konnten 9 der 21 mit Bosentan behandelten Patienten (43%) um eine funktionelle Klasse besser – von anfänglich schweren zu mäßigen Fällen – eingestuft werden, bei keinem verschlechterte sich der Zustand. Unter den 11 Patienten, die Plazebo erhielten, war nur bei einem (9%) eine höhere Einstufung möglich, bei zwei dagegen trat eine Verschlechterung ein.
Bosentan verbessert körperliche Belastbarkeit
Das wirkungsvolle Therapieprinzip der Endothelin-Blockade durch den dualen Endothelin-Rezeptorantagonisten bestätigt auch eine größere klinische Studie mit Bosentan, die kürzlich abgeschlossen wurde. An der BREATHE-1-Studie (Bosentan Randomized Trial of Endothelin Rezeptor Antagonist THErapy for Pulmonary Hypertension) nahmen insgesamt 213 Patienten teil. Sie wurde an 27 Zentren in elf Nationen durchgeführt. In dieser Multicenterstudie wurden die Wirksamkeit und Verträglichkeit von zwei Bosentan-Dosierungen (zweimal täglich 125 mg und zweimal täglich 250 mg) gegenüber Plazebo untersucht.
Der primäre Endpunkt der Studie war die Verbesserung der körperlichen Belastbarkeit: Im Vergleich zu Plazebo erreichten die mit Bosentan behandelten Patienten nach 16 Wochen – gemessen im 6-Minuten-Gehtest – eine Verbesserung um 44 Meter, das bedeutet eine etwa 20%ige Steigerung. Dieser Behandlungseffekt war für beide Bosentan-Gruppen statistisch signifikant (p = 0,0002). Positive Wirkungen wurden auch in klinisch bedeutsamen sekundären Endpunkten festgestellt: Bosentan konnte den Zeitpunkt bis zur klinischen Verschlechterung der pulmonalen arteriellen Hypertonie signifikant verzögern (p = 0,038), und der Schweregrad der Erkrankung ging deutlich zurück.
Erhöhung der Leberenzymwerte
Als unerwünschte Wirkung hemmt Bosentan das Gallensalz-Transportsystem in der Leber. Das führt zu einer Akkumulation von Gallensalzen in Hepatozyten, die dadurch geschädigt werden können. In klinischen Studien kam es dosisabhängig und reversibel bei rund 11% der Patienten zu einer Erhöhung der Leberenzymwerte. Daher ist eine monatliche Kontrolle der Leberwerte besonders wichtig. Wegen des Risikos von Fehlbildungen dürfen Schwangere oder Frauen, die eine Schwangerschaft planen, Bosentan nicht einnehmen.
Kastentext: Wirkprinzip von Endothelin
Endothelin (ET-1) spielt eine wichtige Rolle bei der Regulierung der Blutgefäße. Ein Sauerstoffmangel im Körper oder eine erhöhte Belastung des Herz-Kreislauf-Systems geben den Anreiz zu einer verstärkten Endothelin-Bildung. Bei pulmonaler Hypertonie finden sich im Blutplasma sowie im Lungengewebe erhöhte Endothelin-Konzentrationen. Die wichtigsten Auswirkungen solcher erhöhten Konzentrationen sind
- eine starke, lang anhaltende Verengung der Arterien im Körper
- ein verstärkter Gefäßumbau in der Lungenarterie, das Remodelling, wodurch der pulmonale Hochdruck fixiert wird
- eine Förderung von Stresshormonen wie dem Angiotensin II, die das Herz weiter unter Druck setzen
- eine verstärkte Neubildung von Bindegewebszellen und Kollagen, was letztlich zu einer Lungenfibrose führen kann
- das Absterben der Herzmuskelzellen durch programmierten Zelltod (Apoptose)
Kastentext: Klassifikation der pulmonalen Hypertonie (WHO, 1998)
Pulmonale arterielle Hypertonie
- primär (sporadisch/familiär)
- sekundär als Folge von Bindegewebserkrankungen (z. B. Lupus erythematodes, Sklerodermie), angeborenen Shunt-Vitien, portaler Hypertonie, HIV, Arzneimittel/Toxinen – Pulmonale venöse Hypertonie – Pulmonale Hypertonie bei Erkrankungen des Respirationstraktes – Pulmonale Hypertonie aufgrund chronischer Thromboembolien – Pulmonale Hypertonie durch Erkrankungen mit Beteiligung der Lungengefäße
Quelle: Dr. med. Martine Clozel, Allschwil/CH; Priv.-Doz. Dr. med. Jürgen Behr, München; Priv.-Doz. Dr. med. Marius Hoeper, Hannover; Priv.-Doz. Dr. med. Ralf Ewert, Greifswald; Presseseminar "Endothelin-Rezeptor-Antagonismus: Eine neue ERA in der Therapie der pulmonalen Hypertonie", Berlin, 30. November 2001, veranstaltet von Actelion, Allschwil/CH.
Demnächst wird ein neues Wirkprinzip zur Behandlung des Lungenhochdrucks (pulmonale Hypertonie) eingeführt: Mit dem nichtpeptidischen Bosentan kommt der erste Endothelin-Rezeptorantagonist auf den Markt. Er hat im November 2001 von der FDA in den USA die Zulassung für die Behandlung der pulmonalen arteriellen Hypertonie erhalten. In Europa soll die Substanz Mitte 2002 ebenfalls unter dem Warenzeichen Tracleer eingeführt werden.
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