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- DAZ 16/2002
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Die Seite 3
Die Sozialdemokraten wollen ein anderes Gesundheitswesen. Noch nie ist dies so deutlich geworden wie in der letzten Woche, als Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt die Leitlinien sozialdemokratischer Gesundheitspolitik auf einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin vorstellte.
Während auf früheren Apothekertagen und Veranstaltungen auch SPD-Politiker immer die Leistungsfähigkeit unseres Gesundheitswesen herausstellten und die Vorzüge im Vergleich zu anderen Ländern lobten, während sie sich auch stets für den Erhalt des Systems der deutschen Apotheke einsetzten, da sich diese Struktur bewährt habe, will Schmidt jetzt knallhart aufräumen.
Ab mit alten Zöpfen, scheint die Devise zu heißen. Ohne konkret zu werden sprach die Ministerin davon, "starre und überholte Strukturen aus dem vorletzten Jahrhundert" in der gesamten Arzneimittelversorgung überwinden zu wollen. Beispielhaft sprach sie in diesem Zusammenhang die Preisbindung für Arzneimittel, die Vertriebswege (Stichwort Versandhandel), Rabattvorteile und die Preisspannenverordnung als wesentliche Punkte an.
Wenn solche Gedanken zu den Leitlinien sozialdemokratischer Gesundheitspolitik gehören, dann kommt noch was auf uns zu – wenn diese Partei nach der Bundestagswahl im Herbst noch an der Regierung sein sollte. Denn das Abschaffen dieser Strukturen bedeutet ganz einfach ein anderes Arzneiversorgungssystem, in dem die Apotheke von heute so keinen Platz mehr hat.
Natürlich kann man darüber nachdenken, ob es für immer und ewig unsere heutige deutsche Apotheke geben muss, ob es nicht noch bessere Strukturen geben könnte, wie die Bevölkerung schnell, sicher und preiswert mit Arzneimitteln versorgt wird. Vielleicht ist ja die eine oder andere Struktur starr und überholt. Aber wo ist der garantierte Fortschritt? Ein neues System sollte mindestens das leisten, was die heutige Apotheke bereits leistet – und dieser Beweis müsste erst einmal angetreten werden. In Planspielen nach dem Motto "was wäre wenn" lassen sich Szenarien durchspielen.
Auch mit einem Blick in andere Länder mit Arzneiversorgungssystemen, die sich in Teilgebieten von den unseren unterscheiden, lassen sich Vergleiche anstellen. Bisher konnte kein Planspiel und kein System eines anderen Landes die entscheidende Verbesserung aufweisen. Es wäre fatal, Bewährtes zu zerschlagen, ohne ein besseres System zu haben.
Während die Ministerin in der Arzneiversorgung für pseudomoderne und vordergründig fortschrittliche Änderungen plädiert, hält sie in der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung verbissen an alten Zöpfen fest, von denen nicht nur Experten wissen, dass die schon längst abgeschnitten werden müssten. Eine Finanzierung der modernen medizinischen Therapien wird in Zukunft nicht mehr möglich, wenn die Versicherten den heutigen Leistungskatalog auch weiterhin bekommen sollen.
Wann wird diese Politik einsehen, dass in Zukunft nur noch eine Grundleistung bezahlbar ist, die die größten Risiken abdeckt, Zusatzleistungen vom Versicherten aber selbst getragen werden müssen, so er sie denn will? Wann wird der Leistungskatalog der GKV von Ballast befreit? Warum soll der GKV-Versicherte nicht zuzahlen dürfen, wenn er mehr als die Grundleistung haben möchte? Das gilt auch für den Arzneibereich: ganz und gar unverständlich ist es, dass es einem Patienten, der ein teureres Arzneimittel als das Billiggenerikum oder als den verschriebenen Import haben möchte, untersagt ist, das Originalpräparat zu bekommen und aus der eigenen Tasche die Differenz zu zahlen.
Starr und überholt erscheint die Haltung des Ministeriums auch bei der Finanzierung der GKV: Festhalten an der paritätischen Finanzierung (je zur Hälfte von Arbeitgeber und Arbeitnehmer), keine Finanzierungsverbesserung durch Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenzen, kein Heranziehen anderer Einkommensarten. Warum glaubt die Ministerin, das Einkommensdefizit der Kassen mit Einschnitten im Arzneimittelbereich beheben zu können? Müsste da nicht als erstes die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel fallen? Angesichts solcher Leitlinien, die besser als "Leidlinien" zu beschreiben sind, lässt sich nur noch auf die nächste Wahl hoffen.
Damit wir nicht selbst am Ende der deutschen Apotheke mitschuldig sind, sind freilich auch von uns noch Verbesserungen zu leisten – vor allem im Berufsalltag. Wieder einmal hat eine Fernsehsendung die Beratungsaktivität der deutschen Apotheke getestet: plusminus schickte Testkäufer los, um ein Nasenspray zu erwerben. Kaum eine der 50 aufgesuchten Apotheken wies auf mögliche Nebenwirkungen hin oder auf eine nur kurzzeitige Anwendung.
"Ein blamables Ergebnis" für die Apotheke – dies vor dem Hintergrund, dass die deutsche Apotheke besser sein will als der Versandhandel, der zur Zeit mit einer Unterschriftenaktion bekämpft wird. Wann merkt es auch unser letzter Kollege, unsere letzte Kollegin, dass der stumme Arzneiverkauf endgültig vorbei ist?
Peter Ditzel
Das Ende der deutschen Apotheke?
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