Klinik

Stammzelltransplantation

Die Transplantation von Stammzellen ist zunehmend ein wichtiger Bestandteil einer erfolgversprechenden Therapie von Patienten mit Leukämie. Wenn keine Stammzellen des Patienten selbst zur Verfügung stehen, ist dieser auf Spender angewiesen, deren Leukozyten möglichst die gleichen immunologischen Eigenschaften aufweisen. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist bei Geschwistern am größten. Wenn diese nicht vorhanden sind, müssen geeignete Spender in Spenderregistern ausfindig gemacht werden. Neuerdings können auch periphere Blutstammzellen, die nur zur Hälfte mit den entsprechenden Zellen des Patienten übereinstimmen, transplantiert werden. Bei Kindern verläuft eine solche haploidentische Transplantation oft sogar nebenwirkungsärmer als eine "normale" Transplantation.

Warum führt man eine Stammzelltransplantation durch?

Die Idee der Stammzelltransplantation ist abhängig von der Grundkrankheit. Bei malignen Erkrankungen steht das Abtöten der pathologischen Zellen durch eine hochdosierte Radio-/Chemotherapie mit Stammzell-"Rescue" im Vordergrund. Hierbei müssen bei einer knochenmarkzerstörenden Therapie (z. B. bei Leukämien) die abgetöteten Stammzellen ersetzt werden, während bei einer Hochdosistherapie (z. B. bei soliden Tumoren) mit Gabe von Stammzellen eine Verkürzung der Zeit erfolgt, in der keine Blutzellen gebildet werden.

Bei leerem Knochenmark (z. B. bei schwerer aplastischer Anämie) wird die fehlende Blutbildung durch gesunde Stammzellen wieder in Gang gesetzt. Bei Erkrankungen mit nicht funktionierenden Blutzellen (z. B. Stoffwechseldefekte) können diese durch funktionierende Blutzellen ersetzt werden.

Wer wird transplantiert?

Ob und wann eine Stammzelltransplantation durchgeführt wird, muss immer individuell entschieden werden. Grundsätzlich gilt, dass nur die Patienten transplantiert werden, die mit herkömmlicher Therapie keine oder eine deutlich geringere Chance auf Heilung haben. Indikationen sind bösartige Erkrankungen, wie Leukämien oder im Einzelfall solide Tumoren oder nicht-bösartige, angeborene oder erworbene Erkrankungen, wie Immundefekte, Blutbildungsstörungen oder sehr schwer verlaufende Autoimmunerkrankungen (s. Kasten "Indikationen").

Wie sind die Aussichten?

Die Prognose ist abhängig von der Grundkrankheit, dem Stadium der Erkrankung und der Länge und Intensität der Vortherapie. Generell sollte eine Stammzelltransplantation nur dann durchgeführt werden, wenn das Ergebnis oder auch die spätere Lebensqualität mit Transplantation statistisch gesehen besser ausfallen wird als mit konventioneller Therapie.

Zudem müssen Patient und Familie von dem Nutzen der Transplantation überzeugt sein und diese, in voller Kenntnis der möglichen schwerwiegenden Probleme, Komplikationen und Konsequenzen, auch wollen. Die Phase von Beginn der Konditionierung, d. h. von Beginn der intensiven Therapie, bis zur Entlassung aus dem Transplantationsraum ist im Allgemeinen für Patient und Familie sehr belastend. Auch nach der Transplantation sind noch deutliche Einschränkungen der Lebensführung notwendig.

Auf der anderen Seite aber muss auch gesagt werden, dass sich in den letzten zehn Jahren durch strengere Indikationsstellung, bessere Auswahl der Stammzellspender und bessere Supportivmaßnahmen die Überlebensrate deutlich verbessert hat. So liegt das rezidivfreie Überleben z. B. bei den akuten Leukämien grob zwischen 40% und 70%, bei chronisch myeloischer Leukämie und schwerer aplastischer Anämie zwischen 80% und 90%. Das Hauptproblem ist das mögliche Wiederauftreten der Krebserkrankung (Rezidiv). Dies liegt daran, dass die malignen Zellen resistent gegen eine Vielzahl von Zytostatika sind.

Was geschieht bei einer Transplantation?

Nach ausführlicher Aufklärung des Patienten bzw. der Eltern und auch des Kindes in der Kinderheilkunde und intensiven Voruntersuchungen wird dem Patienten ein doppellumiger zentralvenöser Dauerverweilkatheter (z. B. Hickmankatheter in der Pädiatrie) oder ein mehrlumiger gestochener temporärer Katheter gelegt. Danach wird mit der Vorbehandlung, der so genannten Konditionierung, bestehend aus Chemotherapie mit oder ohne Ganzkörperbestrahlung, begonnen (Tab. 1). Ab diesem Zeitpunkt bis nach dem Wiedererscheinen der Leukozyten ("Take") im peripheren Blut wird in den meisten Zentren die Pflege in einer sterilen Reinraumeinheit ("Zelt" mit steril filtrierter Luft; Abb. 1) durchgeführt. Dies soll dem Schutz vor Krankheitskeimen in dieser durch Infektanfälligkeit geprägten Phase dienen.

Die Konditionierung ist von der Grundkrankheit abhängig und beträgt etwa fünf bis zehn Tage. Sie ist in der Regel myeloablativ, d. h., die Knochenmarkfunktion wird dadurch ausgelöscht. Die Wahl der Konditionierung richtet sich v. a. nach der Grundkrankheit. Zur Auswahl stehen als Arzneimittel Etoposid (VP16), Cyclophosphamid, Melphalan, Thiotepa, Anti-T-Lymphozyten-Globulin (ATG), Busulfan bzw. alternativ die Ganzkörperbestrahlung (GKB). Bei soliden Tumoren findet auch Carboplatin Anwendung.

Beispielsweise sind bei akuten Leukämien die folgenden Kombinationen gebräuchlich:

  • GKB (3 x 4 Gy) + Cyclophosphamid (2 x 60 mg/kg oder 4 x 50 mg/kg KG),
  • Busulfan (4 x 16 mg/kg KG) + Cyclophosphamid (2 x 60 mg/kg) oder
  • GKB (3 x 4 Gy) + VP-16 (1 x 40 mg/kg) + Cyclophosphamid (2 x 60 mg/kg).

Im Rahmen der hämatologisch-onkologischen Studien in Deutschland wird zunehmend eine Vereinheitlichung der Vielzahl bisher verwendeter Konditionierungen angestrebt.

Bei der allogenen Stammzelltransplantation werden die Knochenmarkzellen oder peripheren Blutstammzellen eines Spenders mit identischem Antigensystem (HLA) transplantiert. Die Zellen werden am Tag 0 gewonnen, evtl. behandelt (z. B. bei Blutgruppenunterschieden) und innerhalb weniger Stunden über den Dauerverweilkatheter in die Vene transfundiert. Die Stammzellen finden von selbst den Weg in das Knochenmark des Patienten. Man vermutet, dass dieses "Homing" über Adhäsionsmoleküle vermittelt wird. Der Spender kann aus der Familie kommen, oder es kann ein Fremder sein, der dann aber anonym bleibt. Danach beginnt die für den Patienten belastendste Zeit, da sich nun die akuten Schäden durch die Konditionierung manifestieren. Hier sind v. a. Schmerzen durch Mundulzera und Diarrhö sowie Fieber durch Infektionen zu nennen. Da in dieser Zeit auch die Hämatopoese zum Stillstand gekommen ist, d. h. die Thrombozyten, Leukozyten und Erythrozyten nicht mehr nachgebildet werden, resultieren eine Thrombopenie, Leukopenie und Anämie.

Entsprechend wird therapiert:

  • Die Analgesie erfolgt meist über eine Dauerinfusion eines Opiates, meist Morphin, bei Kontraindikationen z. B. mittels Piritramid (Dipidolor). Wegen der kontinuierlichen Gabe ist nicht mit der Entwicklung einer Abhängigkeit zu rechnen.
  • Infektionen werden mit einem empirischen Antibiotikaregime, in den meisten Häusern mit einer Kombination aus einem Cephalosporin und einem Aminoglykosid, therapiert.
  • Blutprodukte müssen massiv substituiert werden.

Nach dem Erscheinen von Leukozyten im peripheren Blut, dem "Take", etwa am Tag 11 bis 18 nach der Transplantation von peripheren Blutstammzellen oder etwa ein bis zwei Wochen später bei der Knochenmarktransplantation, beginnt die langsame Erholung. Jetzt ist bei allogener Stammzelltransplantation die Graft-versus-Host(GvH)-Reaktion, also die Reaktion der Spenderzellen gegen den Organismus des Empfängers, das Hauptproblem (siehe unten bei "Komplikationen"). Auch die Immunsuppressiva, die dem Patienten gegeben werden, um die immunologische Auseinandersetzung zu dämpfen, können zu Komplikationen führen.

Die Standardkombination besteht aus niedrigdosiertem Methotrexat an den Tagen 1, 3 und 6 nach der Transplantation und Ciclosporin A vom Tag vor der Transplantation (Tag –1) bis einige Monate danach. Nebenwirkungen von Ciclosporin sind Nephrotoxizität, arterielle Hypertonie, zerebrale Krampfanfälle, renaler Magnesiumverlust und Hypertrichose.

Nach Stabilisierung und wenn der Patient in der Lage ist, sich selbst zu versorgen und oral Nahrung und Medikamente zu sich nehmen kann, ist an eine Entlassung in die ambulante Behandlung zu denken. Betont werden muss allerdings, dass der Patient damit noch nicht gesund oder gar geheilt ist! Da noch schwerwiegende Probleme (z. B. durch die Immuninsuffizienz) bestehen, ist eine intensive und zeitaufwendige Nachsorge absolut notwendig. Wenn dadurch Probleme gar nicht erst auftreten, so ist dies nicht als Beweis für überflüssige Arbeit, sondern im Gegenteil als Beweis für deren Effizienz zu werten.

Wie gewinnt man Stammzellen?

Ob Stammzellen aus dem Knochenmark oder peripheren Blut verwendet werden, hängt von der Situation ab. Zur Entnahme von Knochenmark ist eine Operation mit entsprechendem Narkoserisiko nötig. Bei peripheren Blutstammzellen ist die Stimulation mit einem Wachstumsfaktor (meist granuloctye colony stimulating factor, G-CSF, Filgrastim oder Lenograstim) s.c. oder i.v. nötig. Durch die hohe Stammzellzahl mit zusätzlichen reifen Blutzellen im Präparat besteht hier im Vergleich zur Knochenmarktransplantation eine relativ kurze Zeit ohne eigene Blutbildung (Knochenmarkaplasie), weshalb Morbidität und Mortalität geringer sind und weniger Erythrozyten und Thrombozyten sub-stituiert werden müssen.

Knochenmark wird durch vielfache Punktionen mit einer etwas dickeren Nadel aus dem Beckenkamm, v. a. dem hinteren Beckenkamm, als Knochenmarkblut gewonnen, wobei sich die Menge nach dem Empfängergewicht richtet. Es sind hierbei sterile Bedingungen, ein Operationssaal und eine Vollnarkose notwendig.

Periphere Blutstammzellen werden nach Ausschwemmung (Mobilisierung) meist durch G-CSF aus dem Knochenmark mit Hilfe einer Leukapheresemaschine gewonnen. Hier ist keine Operation und Narkose nötig. Normalerweise sind im peripheren Blut nur wenige Stammzellen zu finden. Durch verschiedene Wachstumsfaktoren und Zytostatika können Stammzellen im Blut angereichert werden.

Nabelschnurvenenblut (Plazentarestblut, Cord blood) enthält bis wenige Stunden nach der Geburt einen hohen Anteil an Stammzellen. In diesem Zeitraum kann es gewonnen, eingefroren und später nach verschiedenen Tests, z. B. auf infektiöse Erreger, genetische Merkmale, HLA-Konstellation und Blutgruppe, zur Transplantation freigegeben werden. Durch geringere immunologische Aktivität der Nabelschnurstammzellen können wahrscheinlich auch HLA-nicht-identische Zellen transplantiert werden.

Werdenden Eltern wird von bestimmten Firmen angeboten, Plazentarestblut einzufrieren und einige Jahre zu lagern und im Falle einer Leukämie als Transplantat zur Verfügung zu stellen. Von diesem Verfahren raten wir ab, nicht nur, weil es viel Geld kostet, sondern auch weil das Auftreten einer Krebserkrankung doch sehr unwahrscheinlich ist. Es erkranken 0,2% aller Kinder vor dem 15. Lebensjahr an irgendeiner Art von Krebs. Selbst wenn dieser Fall eintritt, so muss man skeptisch sein, ob das eigene Nabelschnurblut, das ja auch schon erste kranke Zellen enthalten könnte, zumindest aber die Anlage der Erkrankung zeigt, das geeignete Transplantat ist. Deshalb raten wir werdenden Müttern, das Plazentarestblut einer Plazentarestblutbank zu spenden, die es anderen Patienten zur Verfügung stellt. Die Gewinnung von Plazentarestblut gefährdet weder Mutter noch Kind und kann das Leben eines anderen Menschen retten.

Was passiert dem Stammzellspender?

Vor einer Stammzellspende wird der Spender zu seinem eigenen Schutz (Vermeidung von Zwischenfällen bei der Spende) und zum Schutz des Empfängers (v. a. vor Übertragung von Infektionen) untersucht: Blutentnahme, EKG, evtl. Röntgen der Lunge, evtl. Anlegen einer Eigenblutkonserve.

Bei einer Knochenmarktransplantation ist eine Vollnarkose notwendig mit Entnahme von ca. 10 bis 20 ml/kg KG des Empfängers durch Punktionen des Beckenkamms. Meist erfolgen nur etwa 10 bis 15 Einstiche in der Haut, aber (je nach Entnahmevolumen) bis zu 500 Einstiche in den Knochen, da nur die ersten Milliliter Knochenmark viele Stammzellen enthalten, der Rest aber mehr peripheres Blut ist.

Die Narkose birgt das größte Risiko für den Spender und macht einen stationären Aufenthalt notwendig. Nur in 6 von 1200 Fällen wurden schwerere Komplikationen wie Blutung, Infektion, Herzinfarkt, Nerven-und Gelenkläsionen beobachtet. Schmerzen an den Punktionsstellen bestehen etwa für eine Woche. Der Verlust an blutbildendem Gewebe ist minimal und nach ca. 3 Wochen ersetzt. Die Entlassung des Spenders erfolgt meist am nachfolgenden Tag.

Bei der Transplantation von peripheren Blutstammzellen ist weder eine Operation noch eine Narkose notwendig. Jedoch muss der Spender für 5 Tage ein G-CSF (Filgrastim oder Lenograstim) s.c. erhalten. Nebenwirkungen sind v. a. Kopf-, Knochen- und Gliederschmerzen, manchmal auch grippeartige Beschwerden. Am 5. Tag erfolgt die Leukapherese mit Hilfe eines Zellseparators in einem spezialisierten Zentrum. Hierzu sind zwei großlumige venöse Zugänge notwendig.

Nach etwa zwei bis drei Stunden ist die Spende beendet, und nach einer kurzen Nachbeobachtung und Kontrolle von Elektrolyten, Blutbild und Blutgerinnung kann der Spender noch am gleichen Tag nach Hause entlassen werden. Nach heutigem Wissen haben G-CSF keine Langzeitauswirkungen auf das Knochenmark, und auch für eine spätere Entwicklung einer Leukämie gibt es keine Hinweise.

Gibt es überhaupt einen passenden Spender?

Das HLA-Muster (HLA = Human Leukocyte Antigen) ist bei einer Stammzelltransplantation das entscheidende Kriterium. HLA-identisch bedeutet: Die bisher bekannten und getesteten Merkmale der Leukozyten stimmen überein. Die Problematik des HLA-Matchings besteht in der hohen Variabilität (über 47 Millionen verschiedene Kombinationsmöglichkeiten).

HLA-identische Geschwister sind die Spender der Wahl, falls keine autologe Stammzelltransplantation, d. h. Transplantation mit eigenen Stammzellen, vorgezogen wird. Statistisch passt nur eins von vier Geschwistern, was für Patienten aus kleinen Familien problematisch ist. Oft kommen für sie nur Fremdspender, Nabelschnurblut, in jüngster Zeit auch haploidentische, d. h. nur halb passende Verwandte als Spender in Frage.

Die Transplantation vom unverwandten Fremdspender ist ein Sonderfall der allogenen Knochenmarktransplantation: Hier besteht eine phänotypische, aber keine genotypische HLA-Identität. Da einige Kombinationen des HLA-Musters sehr viel häufiger vorkommen als andere, liegt die Chance, einen HLA-identischen Fremdspender zu finden, zwischen ca. 1 : 20 000 und 1 zu mehreren Millionen. In den Fremdspenderregistern sind weltweit z. Z. mehr als 7 Millionen Spender registriert. Die Suche eines Fremdspenders dauert ca. 3 bis 6 Monate und kostet durchschnittlich etwa 25 000 DM.

Wie findet man einen Fremdspender?

Vor der Suche eines Fremdspenders müssen ein positives ärztliches Gutachten zur Transplantation, die Übernahmeerklärung des Transplantationszentrums sowie die Einverständniserklärung des Patienten bzw. dessen Eltern vorliegen. Darauf erfolgt die Anfrage an die Krankenkasse zur Kostenübernahme. Nach Retypisierung des HLA-Musters des Patienten wird die Suche eingeleitet, zuerst national, ggf. dann in den europäischen Nachbarländern und in den USA.

Bei Identifikation eines potenziellen Spenders mit identischem HLA-A,B-Muster – nur dies wird in einer zentralen Datei gespeichert – erfolgt die Anfrage an den Spender, ob er überhaupt noch zur Verfügung steht. Wenn auch die weiteren HLA-Merkmale (Klasse-II-Antigene) übereinstimmen, so schließt sich die klinische Untersuchung des Spenders an. Danach kann der Spender freigegeben werden und die Planung der Stammzelltransplantation beginnen.

Was ist eine haploidentische Transplantation von peripheren Blutstammzellen?

Die haploidentische Transplantation von peripheren Blutstammzellen, wie sie von einer italienischen Gruppe erstmals beschrieben wurde und von der Tübinger Gruppe um Prof. Handgretinger und Prof. Klingebiel im größeren Ausmaß in Deutschland eingeführt wurde, wird v. a. in der Kinderheilkunde eingesetzt. Hierbei dient ein Familienmitglied, das in seinem HLA-System nur zur Hälfte zum Patienten passt (meist ein Elternteil), als Spender.

Periphere Blutstammzellen, die nach G-CSF-Stimulation gewonnen werden (s. o.), sind ein Gemisch aus vielen verschiedenen Zellpopulationen und müssen deshalb im Labor mit Hilfe magnetisch markierter Antikörper aufgereinigt werden. Die Anzahl der CD34-positiven Stammzellen muss mindestens 2 Millionen, besser 10 Millionen pro kg Körpergewicht des Patienten betragen, und die Anzahl der T-Lymphozyten im Transplantat sollte gering sein. Nach der Transplantation scheint eine spezifische Abstoßungsprophylaxe mit Antikörpern und Corticosteroiden wichtig zu sein. Eine weitere Immunsuppression z. B. mit Ciclosporin A, wie sie bei den HLA-identischen Transplantationen notwendig ist, erfolgt dann aber nicht mehr.

Vorteile der Methode sind die große Anzahl an verfügbaren Spendern, der weitgehende Verzicht auf Immunsuppressiva und eine relativ kurze Knochenmarkaplasie. Nachteil ist eine deutlich längere Immundefizienz als bei HLA-identischer Stammzelltransplantation. Nach unseren Erfahrungen funktioniert diese Methode sehr gut. Die Kinder überstehen die schwere Zeit im "Zelt" viel besser als bei der "normalen" Transplantation. So ist z. B. die Stomatitis sehr viel leichter. Die Gründe hierfür sind nicht klar. Durch den Verzicht auf Ciclosporin A treten viele unerwünschte Nebenwirkungen (Bluthochdruck, Kopfschmerzen, Nierenprobleme, Elektrolytverluste, Krämpfe) nicht mehr auf. Die Nachbeobachtungszeit ist noch zu kurz, um jetzt schon entscheiden zu können, für welche Patienten die haploidentische Stammzelltransplantation die beste Therapie ist. Auch nach dieser Therapie treten Rückfälle auf.

Mit welchen Komplikationen muss man rechnen?

Man unterscheidet zwischen Akut- und Langzeitkomplikationen einer Stammzelltransplantation.

Akute Nebenwirkungen

Die akuten Nebenwirkungen der Konditionierung betreffen alle schnell proliferierenden Gewebe. In den ersten 2 bis 4 Wochen nach der Konditionierung tritt eine Panzytopenie (Fehlen der Produktion von Erythrozyten, Leukozyten und Thrombozyten) auf, sodass regelmäßig Thrombozyten- und Erythrozytenkonzentrate gegeben werden müssen.

Die Granulozytopenie führt zu Infektionen, wobei die Keime meist aus dem Darm in den Körper gelangen. In der Phase der Neutropenie dominieren Infektionen durch Bakterien und Pilze. In der anschließenden Zeit während immunsuppressiver Therapie erscheinen häufig Infektionen mit Pneumocystis carinii und Herpesviren.

Die infektiologische Prophylaxe besteht aus

  • keimarmer Umgebung,
  • täglicher Ganzkörperwäsche mit antiseptischen Lösungen,
  • keimarmer oder steriler Kost,
  • oraler Dekontaminierung mit nichtresorbierbaren Antibiotika,
  • intravenösen Immunglobulin-Gaben,
  • hochdosiertem Aciclovir sowie
  • oralen Antimykotika.

Zur Verhinderung einer Zytomegalie-Virus(CMV)-Pneumonie werden CMV-negative (wenn Patient und Spendern CMV-negativ sind), leukozytendepletierte Blutprodukte, hochdosiertes Aciclovir und Immunglobulin gegeben. Pneumocystis-carinii-Pneumonien können zuverlässig durch prophylaktische Gabe von Cotrimoxazol während der Zeit der immunsuppressiven Therapie verhindert werden.

Eine CMV-Pneumonie, deren Letalität mindestens 50% beträgt, wird mit einer Kombination von Immunglobulinen und Ganciclovir therapiert. Wegen der schlechten Prognose wird neuerdings versucht, CMV-spezifische Spender-T-Lymphozyten zu expandieren und prophylaktisch oder therapeutisch einzusetzen.

Bei Leukopenie treten auch Schleimhautschäden, die sich als Stomatitis und Gastroenteritis äußern, auf. Die Patienten leiden unter Schmerzen, Schleimhautblutungen, Schluckstörungen, Übelkeit, Erbrechen und meist schwerer Diarrhö. Wichtig sind hier gute Analgesie mit z. B. Morphin im Dauertropf, parenterale Ernährung, gute Mundpflege, G-CSF und Antiemetika. In Erprobung sind einige Wachstumsfaktoren, z. B. Keratinocyte Growth Factor (KGF), die eine schnellere Regeneration der Schleimhaut erlauben sollen.

Akute Graft-versus-Host-Reaktion (aGvHR)

Die akute Graft-versus-Host-Reaktion, bei der sich immunkompetente Spenderzellen gegen als fremd erkannte Antigene des Patienten richten, tritt normalerweise innerhalb von 2 bis 10 Wochen nach Stammzelltransplantation auf. Die Inzidenz beträgt etwa 30%. Sie ist bei Erwachsenen schwerer und häufiger als bei Kindern, was auf den Einfluss des Thymus beim Kind zurückgeführt wird, und nimmt auch mit dem Grad der HLA-Disparität zu. Die Letalität ist nach Schwere unterschiedlich und kann über 30% betragen.

Graft-versus-Leukemia-Effekt

Eine Graft-versus-Host-Reaktion ist nicht in jedem Fall negativ zu sehen. Sie ist manchmal erwünscht wegen eines assoziierten Graft-versus-Leukemia (GvL)-Effektes. Hier erkennen die transplantierten Zellen nicht nur Haut-, Darm- und Leberepithelzellen des Patienten als fremd, sondern auch noch im Körper verbliebene Leukämiezellen.

Ein GvL-Effekt ist statistisch aber nur bei der chronischen myeloischen Leukämie (CML) bewiesen. Er ist fraglich bei der akuten myeloischen Leukämie (AML) und lässt sich bei der akuten lymphatischen Leukämie (ALL) und soliden Tumoren nicht statistisch nachweisen. Unklar ist, ob dieselben oder unterschiedliche Zellen für GvHR und GvL-Effekt verantwortlich sind. Die intensive Forschung mit dem Ziel, verschiedene Effektorzellen für GvHR und GvL-Effekt zu isolieren, um eine GvL ohne störende GvHR zu induzieren, verlief bislang noch nicht befriedigend. Der GvL-Effekt kann bei CML nach Transplantation gezielt induziert werden, indem periphere Lymphozyten des Spenders infundiert werden (Donor Lymphocyte Infusion, DLI).

Langzeitkomplikationen

Langzeitkomplikationen können sich aus der Vorbehandlung vor Beginn der Stammzelltransplantation und aus der Konditionierung ergeben, meistens sind sie aber immunologische Konsequenzen der Transplantation. Hierzu zählt vor allem die chronische GvHR, ferner kommen Störungen der Lungenfunktion, endokrinologische Veränderungen (Schilddrüse, Wachstum, Sexualentwicklung, Fertilität), Augenveränderungen und Zweitmalignome vor.

Von einer chronischen Graft-versus-Host-Reaktion spricht man, wenn eine immunologische Reaktion später als 100 Tage nach der Stammzelltransplantation auftritt. Sie äußert sich durch Autoimmunphänomene, die einer Sklerodermie ähnlich sein können. Es besteht die Tendenz zur Autoantikörperbildung, Immundefizienz und zu trockenen Schleimhäuten. Typisch sind ein papulöses Exanthem, lichenoide Läsionen der Haut mit späterer Hyperpigmentierung oder Hypopigmentierung, Schleimhautatrophie, lichenoide Veränderungen und Ulzera der Mundschleimhaut mit sekundärem Befall durch Candida und Viren, Sicca-Syndrom (trockene Schleimhäute, Augen), Schluckstörungen, Kachexie und Appetitlosigkeit.

Die Therapiemöglichkeiten der chronischen GvHR sind begrenzt. Versucht werden Immunsuppressiva, v. a. Corticosteroide, Ciclosporin A, Tacrolimus und u. U. auch Azathioprin. Tumor-Nekrose-Faktor-Antagonisten (Infliximab oder Etanercept) oder bei Autoimmunphänomenen eventuell Antikörper gegen das B-Zell-Antigen CD20 (Rituximab) sind neuere Therapieansätze mit ermutigenden Erfolgen, die jedoch erst bestätigt werden müssen.

Wie sieht die Zukunft aus?

Es sind intensive Forschungen im Gange, das eigene Immunsystem als Waffe gegen die Krebszellen einzusetzen. Das Ziel ist, noch vorhandene Tumorzellen ("minimal residual disease") durch eine Immuntherapie abzutöten. In Zukunft wird sich deshalb an eine Stammzelltransplantation wohl eine Immuntherapie anschließen. Allerdings ist im Moment noch nicht klar, wie diese aussehen wird.

Beispielsweise könnten Tumorvakzine, dendritische Zellen, zytotoxische T-Lymphozyten (CTL) und immunmodulatorische Zytokine einen erfolgversprechenden Ansatz darstellen. Jedenfalls wird noch viel Forschung nötig sein, bis wir dem Ziel, den Krebs zu besiegen, ein Stück näher gekommen sind.

Kastentext: Was ist eine Stammzelltransplantation?

"Stammzelltransplantation" ist ein Oberbegriff, der die Verfahren der Transplantation von Knochenmark, von peripheren Blutstammzellen und von Nabelschnurvenenblut zusammenfasst. Er ersetzt zunehmend den traditionellen Begriff "Knochenmarktransplantation".

Kastentext: Indikationen für eine Stammzelltransplantation

  • Maligne Erkrankungen: – Akute Lymphatische Leukämie – Akute Myeloische Leukämie – Chronisch Myeloische Leukämie – Non-Hodgkin-Lymphom – Hodgkin-Lymphom – Myelodysplastisches Syndrom - Solide Tumoren
  • Nicht-maligne Erkrankungen/Erworbene Erkrankungen: – Aplastische Anämie – Autoimmunerkrankungen, z. B. Multiple Sklerose, Systemischer Lupus, Schwere Chronische Juvenile Arthritis)
  • Angeborene Erkrankungen: – Immundefekte (z. B. SCID, Wiskott-Aldrich-Syndrom, chron. Granulomatose, Chediak-Higashi-Syndrom) – Hämatologische Defekte (z. B. Fanconi-Anämie, beta-Thalassämie, Blackfan-Diamond-Anämie) – Osteopetrose –Angeborene Stoffwechseldefekte (z. B. Mukolipidosen, Adrenoleukodystrophie, Lesch-Nyhan-Syndrom)

Kastentext: Prophylaxe und Therapie der aGvHR

Die Prophylaxe der Graft-versus-Host-Reaktion erfolgt meist durch eine Kombination aus

  • Ciclosporin A, beginnend am Tag -1 für etwa 6 Monate, mit
  • niedrig dosiertem Methotrexat i. v. an den Tagen 1, 3 und 6 nach der Transplantation.

Bei der akuten Graft-versus-Host-Reaktion wird die Ciclosporin-A-Dosis erhöht, und zusätzlich werden Corticosteroide in hoher Dosis, beginnend mit etwa 2 mg/kg/Tag und steigerbar bis über 10 mg/kg/Tag, gegeben. Häufig ist es notwendig, zusätzlich Anti-T-Lymphozyten-Globulin (ATG) sowie monoklonale Antikörper gegen T-Lymphozyten (Muromonab CD3, Orthoclone OKT3, Fa. Janssen-Cilag), gegen den Interleukin-2-Rezeptor (Basiliximab, Simulect, Fa. Novartis, oder Daclizumab, Zenapax®, Fa. Roche) oder gegen den Tumor-Nekrose-Faktor-alpha (Infliximab, Remicade®, Fa. Essex) einzusetzen. Auch der Zusatz von Mycophenolatmofetil (CellCept, Fa. Roche) oder ein Umsetzen auf Tacrolimus (Prograf, Fa. Fujisawa) kann sinnvoll sein.

Kastentext: Symptome der aGvHR

Die Zielorgane der akuten Graft-versus-Host-Reaktion sind die Haut, der Gastrointestinaltrakt und die Leber.

  • Die Symptome der Haut sind Erythrodermie (Abb. 2), makulo-papulöses Exanthem (oft nicht von einem Arzneimittelexanthem unterscheidbar), evtl. Blasenbildung (ähnlich einem Lyell-Syndrom oder einer Verbrennung).
  • Der Magen-Darm-Trakt reagiert mit Durchfällen mit grünlich-gelblichen, z. T. blutigen Stühlen, krampfartigen Bauchschmerzen und evtl. Erbrechen.
  • Anstieg der Leberwerte (GOT, GPT, alfa-GT, AP, direktes Bilirubin) im Blut, evtl. Auftreten eines Ikterus zeigen die Beteiligung von Leber/Gallenepithel an.

Kastentext: Informationen für Spender

Folgende Organisationen sind für die Spende von Nabelschnurblut, Knochenmark oder Stammzellen zuständig. Sie geben Informationen und verweisen die Interessenten an die regionalen Ansprechpartner: - ZKRD (Zentrales Knochenmarkspender-Register Deutschland gGmbH) Postfach 42 44, 89032 Ulm Tel. 07 31 / 15 07-00, Fax 07 31 / 15 07-50, www.zkrd.uni-ulm.de - DKMS (Deutsche Knochenmarkspenderdatei gGmbH) Biesinger Str. 10, 72070 Tübingen Tel. 0 70 71 / 9 43-0, Fax 0 70 71 / 94-117, www.dkms.de

Die Stammzelltransplantation ist ein zunehmend wichtiger Bestandteil der Therapie von Patienten mit Leukämie. Wenn keine Stammzellen des Patienten selbst zur Verfügung stehen, ist dieser auf Spender angewiesen. Geeignete Spender mit ähnlichem Antigenmuster können in der nahen Verwandtschaft und mit zunehmendem Erfolg auch in internationalen Spenderdateien gesucht werden. Neuerdings werden auch periphere Blutstammzellen, die nur zur Hälfte mit den entsprechenden Zellen des Patienten übereinstimmen, mit Erfolg transplantiert.

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