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Moose – vielversprechend und enttäuschend

Die zarten Polster der Moose schmeicheln den Sinnen. Ihr sanftes Grün leuchtete dennoch lange Zeit im Verborgenen. Erst in den letzten Jahrzehnten rückten sie in den Blickpunkt der Forschung. Als Zeigerpflanzen und auch als Naturstoffreservoir fanden die Bryophyten reges Interesse. Das schwächt sich nun wieder ab, denn die Pflänzchen erfüllten nicht die hohen Erwartungen.

Moose machen keine Karriere

Die Bryophyta als dritte Gruppe der echten Landpflanzen stehen in ihrer Bedeutung hinter den Samenpflanzen (Spermatophyta) und sogar noch hinter der Sammelgruppe der Farne (Pteridophyta) zurück, die ja immerhin als Zierpflanzen Karriere machen. Eine Ausnahme bilden die 250 Arten der Sphagnum-Moose, die die mächtigen Torflager der Moore aufbauen. Sonst hat keine Moosart eine nennenswerte wirtschaftliche Bedeutung erlangt. Und wohlgemerkt: Das als Trauerschmuck, als Schleimdroge und Hustenmittel, aber auch als Winterfutter bekannte Islandmoos (Cetraria islandica) ist eine Flechte.

Dabei wurde seit einigen Jahren so große Hoffnung in die Moose gesetzt. So fand sich vor dreizehn Jahren an der Universität Saarbücken unter der Leitung von Professor Theophil Eicher die Forschungsgruppe "Chemie und Biologie der Moose" zusammen. Gemeinsam mit Wissenschaftlern der Firmen Bayer und BASF wurden viele Moosarten systematisch nach Naturstoffen abgesucht, um daraus pharmakologische Wirkstoffe und Pflanzenbehandlungsmittel zu entwickeln.

Für den derzeitigen Leiter der Forschungsgruppe, Prof. Dr. Hans Becker, ist die Ausbeute ebenso ernüchternd ausgefallen wie für die Pharmaunternehmen. Dabei war der wissenschaftliche Ansatz sehr einleuchtend und hoffnungsvoll. Denn die Gruppe der Moose hat sich seit 350 Millionen Jahren kaum verändert. Sie scheint das über diese lange Zeit auch nicht nötig gehabt zu haben. Moose lassen sich zwar nur sehr selten in geologischen Schichten nachweisen. Dennoch sind unzweifelhaft Laubmoose aus dem Karbon (350 – 300 Mio. Jahre) in kohleführenden Schichten dokumentiert.

Moosinhaltsstoff zur Krebsprävention

Da die fossilen Moose den rezenten Arten stark ähneln, scheinen sie seit dieser Zeit einem nur geringen Selektionsdruck ausgesetzt gewesen zu sein. Seit langem ist bekannt, dass Moose keinerlei Fressfeinde haben. Der Grund dafür sind die biologisch aktiven Inhaltsstoffe, die höhere Tiere genauso abwehren wie Insekten und Schnecken. Auch Pilze und Bakterien haben keinen Weg gefunden, Moose zu zersetzen, die doch weder kutikuläre Schutzschichten ausbilden noch Haare oder Dornen besitzen. Sogar Viren konnten bisher in keinem einzigen Moos nachgewiesen werden.

Die biozide, fungizide, akarizide, molluskizide und bakterizide Wirkung der Moose beruht auf einer Vielzahl chemischer Verbindungen. Diese sind in Saarbrücken systematisch untersucht worden. Mehr als hundert Moleküle konnten isoliert und deren Struktur aufgeklärt werden. Immer wieder fanden sich vielversprechende Leitstrukturen für die pharmazeutische und agrokulturelle Anwendung.

Doch die aus den gefundenen Strukturen abgeleiteten synthetischen Wirkstoffe erwiesen sich stets als wirkungsvoller als die Ausgangsverbindungen oder ließen sich einfacher und preiswerter herstellen. In einer Art wurde eine dem Tetrahydrocannabinol ähnliche Struktur gefunden. Darüber hinaus scheint lediglich ein Molluskizid interessant zu sein. Die Arbeitsgruppe wird sich deshalb mit der Emeritierung von Professor Becker in drei Jahren auflösen.

Doch ein sehr wertvoller Stoff ist dennoch herausgekommen. Ein Molekül für die präventive Krebstherapie stimmt sehr zuversichtlich. Es wird derzeit zusammen mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg bearbeitet. Eine erste Veröffentlichung dazu steht unmittelbar bevor.

Moos ist zu teuer

Eine große Hürde der Wirkstoffsuche in Moosen ist wirtschaftlicher Natur. Moose lassen sich nur sehr schwer kultivieren. Die Ausbeuten sind schlecht reproduzierbar. Die Pflanzen werden zudem häufig von Algen überwuchert. In vitro lassen sich nur ganze Pflanzen anziehen.

Die haploiden Moose eignen sich nicht zur Gewebekultur, da sie keine Mitose machen können. Sie sind genetisch auch nicht stabil. Es ist also wirtschaftlich wohl nur sehr schwer möglich, Sekundärmetaboliten zu gewinnen. Deshalb arbeiten weltweit auch nur fünf Gruppen an diesem großen Naturstoffreservoir der Moose.

Moos-Fungizide für die Tropen?

Einen anderen Weg geht Professor Jan-Peter Frahm von der Universität Bonn. Dort gelang nach mehreren Testserien der Nachweis einer hervorragenden fungiziden Wirkung von Moosrohextrakten. Dazu wurden größere Mengen einheimischer Moose extrahiert und die gewonnene Flüssigkeit auf mit verschiedenen phytopathogenen Pilzen infizierten Paprika-, Tomaten- und Weizenpflanzen gespritzt. Die beteiligten Forscher, Frahm und Heinz-Wilhelm Dehne, waren von der Wirkung selbst überrascht, die besser war als die zugelassener Fungizide. Bedeutung könnte diese Entdeckung für die tropische Landwirtschaft bekommen, meint Frahm. Die dort in den Regenwäldern üppig wachsenden Moose könnten von den finanzschwachen Bauern selbst leicht extrahiert und als Fungizide eingesetzt werden.

Die Bergregenwälder Ecuadors sind die Schatzkammer der Bryologie. Vor allem Moose bestimmen die Physiognomie der Nebelwälder, die hier eine enorme Arten- und Wuchsformenvielfalt entwickelt haben. Sie bauen höhenzonal und standortökologisch klar abgrenzbare Gesellschaften auf, deren Analyse viele Fragen zur Funktionsmorphologie, Evolutionsbiologie und Florengeschichte klären helfen.

Moos-Klassifizierung der Nebelwälder

Botaniker der FU Berlin arbeiten derzeit daran, anhand der Moosgesellschaften die Höhengradienten der Nebelwälder weltweit vergleichbar zu machen. Die Expeditionsergebnisse aus den Bergwäldern Zentralafrikas und Borneos dienen als Referenz. Ein weltweites Klassifizierungssystem soll entstehen. Denn auch jeder Regenwald verändert sein Gesicht mit der Höhe. Je lichter das Blätterdach, desto stärker drängen sich die Epiphyten um den Platz an der Sonne.

Da auch um das knappe Wasser mit sehr unterschiedlichen morphologischen Formen gerungen wird, eignen sich Moose gut zur Klassifizierung. Sie lassen sich sehr viel einfacher bestimmen, als die tropischen Blütenpflanzen. Störungen eines tropischen Regenwaldsystems sind also an den Moosgesellschaften sehr viel einfacher erkennbar; zumal man nur wenige Bäume nach der Artenzusammensetzung "abgrasen" muss.

Ökosystem Baumwipfel

Bereits vor 20 Jahren war entdeckt worden, dass viele Baumarten der Regenwälder so genannte Wipfelwurzeln ausbilden, die in die Moospolster auf den Ästen einwachsen wie in den Boden. Sie unterscheiden sich morphologisch nicht von normalen Bodenwurzeln. Damit war schlagartig klar geworden, woher die Urwaldriesen auf den kargen Standorten ein Großteil ihrer Nährstoffe beziehen – aus der Luft. Die Moospolster filtern Nährstoffe und Staub aus der Luft, sie kämmen gleichsam den Wind und die Nebel in den Wipfeln. Die Wipfelzonen bilden ein separates Ökosystem der Bäume, in dem sich sogar Kronenregenwürmer tummeln.

Wie vom Himmel gefallen

Die Zahl der Moosarten nimmt immer mehr ab. Schuld ist keine Verdrängung und keine Zerstörung der Habitate, sondern die Taxonomie. Wurden vor wenigen Jahren noch 27 000 Arten unterschieden, so sind es heute noch etwa 13 000. Viele Moose sind früher mehrfach beschrieben und fälschlich als eigene Arten benannt worden, obwohl sie derselben Art angehören. So gibt es rezente Moosarten, die beispielsweise in Chile und Neuseeland wachsen. Ein wesentlicher Grund für die weite Verbreitung der Arten ist ihre außerordentliche Stabilität über Jahrmillionen. Die Moose scheinen vor 350 Millionen Jahren gleichsam als vollendete Formen vom Himmel gefallen zu sein. Denn auch die wenigen fossilen Funde entsprechen teilweise morphologisch rezenten Arten.

Die meisten Arten wachsen in den Tropen und Subtropen. Es gibt aber auch Moose in den arktischen Tundren und am Südpol. Sie vertragen sauren Regen und schwermetallhaltige Böden. Sie gedeihen auf nacktem Fels ebenso wie in 6000 m Höhe. Ohne durch eine wachsartige Kutikula behindert zu sein, nehmen Moose Wasser und Nährsalze über die gesamte Oberfläche auf. Aus demselben Grund können sie ihren Wasserhaushalt auch nicht regulieren und bevorzugen feuchte Standorte. Ihre außerordentliche Fähigkeit, auszutrocknen, ohne Schaden zu nehmen, erlaubt es ihnen aber auch, extrem trockene Standorte zu erobern.

Altes Moosherbar wiederentdeckt

Im Rheinland scheint man bereits sehr früh auf die unscheinbaren Wesen aufmerksam geworden zu sein. Als Jan-Peter Frahm an das Botanische Institut der Universität Bonn wechselte, entdeckte er in einem vergessenen Schrank ein wissenschaftliches Kleinod. In Hunderten sorgfältig verschnürter Papierpäckchen lagerten getrocknete Moose. Die ältesten Belege stammen von 1803, die jüngsten aus den 1930er-Jahren.

Trotz der geringen Mittel, die Frahm zur Verfügung stehen, konnte zur Systematisierung und Untersuchung dieser einmaligen Sammlung eine wissenschaftliche Stelle eingerichtet werden. Es wurden bereits einige heute im Rheinland nicht mehr vorhandene Arten gefunden. Doch vieles liegt noch im Dunkeln. Auch weiß man nicht, wer dieses besondere Herbar einige Jahre vor der Gründung der Universität Bonn (1818) angelegt hat.

Dass Papier damals eine kleine Kostbarkeit darstellte, ist noch heute zu erahnen. Die Moose der ersten Jahrzehnte sind in alte Institutsaushänge und Korrespondenzen eingepackt. Diese Urkunden einer vergangenen Zeit – natürlich in Latein abgefasst, der lingua franca der Wissenschaft – wandern nun ins Universitätsarchiv.

Kastentext: Moose als Indikatoren

In Deutschland wurde 1990/91 – als Teil eines europaweiten Monitoringprogramms – zum ersten Mal an Moosen der flächendeckende Schwermetalleintrag über die Luft ermittelt. Die Wiederholung der Analyse 1995/96 ergab einen deutlichen mittleren Rückgang der Belastung. Bei Blei lag er über 40 Prozent.

Lästig

Als zuweilen lästiger Vertreter gilt das Lebermoos Lunularia cruciata, ein Neophyt aus dem Mittelmeerraum. Die stickstoffliebende Art breitet sich mit Vorliebe in Gärtnereien, Friedhöfen und Parks und auch in Rasen oder direkt in Blumentöpfen aus und ist kaum zu bekämpfen. Alexander Braun hat die Art 1828 zum ersten Mal im Botanischen Garten von Karlsruhe nachgewiesen.

Nützlich

Vor der Erfindung des mit Salpeterlösung getränkten und getrockneten Zunderschwammes (Fomes fomentarius) verwendete man den ungetränkten Schwamm oder eben trockenes Moos zum Feuermachen. Um aufeinanderliegende Bohlen untereinander abzudichten und gegen Wind und Schlagregen zu schützen, wurde in der Blockbauweise mit Rundhölzern seit der späten Bronzezeit (1100 – 750 v. Chr.) Moos oder eine Mischung aus Moos und Kalkputz verwendet.

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