Arzneimittel und Therapie

Angiotensin-II-Rezeptorenblocker: Sartane bieten mehr als Blutdrucksenkung

Die AT1-Rezeptor-Antagonisten gehören seit einigen Jahren fest zum antihypertensiven Arsenal und werden heute in der Praxis oft schon zur First-line-Therapie eingesetzt. Seit einiger Zeit macht die Wirkstoffgruppe der Sartane auch durch ihre über die Blutdrucksenkung hinausgehenden nephroprotektiven Effekte auf sich aufmerksam. Mit Olmesartan steht bald ein neuer AT1-Antagonist mit hoher Rezeptorselektivität zur Verfügung.

Das Renin-Angiotensin-System stellt für die antihypertensive Therapie einen wichtigen Angriffspunkt dar: ACE-Hemmer blockieren das Angiotensin-Converting-Enzyme (ACE) und reduzieren damit die Umwandlung von Angiotensin I in das stark vasokonstriktorische Angiotensin II. Gleichzeitig wird durch die ACE-Hemmung auch der Abbau von Bradykinin gebremst, welches über Beta2-Rezeptoren u. a. vasodilatatorische Effekte entfaltet. Die Wirkung eines ACE-Hemmers setzt sich somit aus einer reduzierten Angiotensin-II-Bildung und einer vermehrten Bradykinin-Bioverfügbarkeit zusammen.

Demgegenüber blockieren die Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten bzw. die Sartane den AT1-Rezeptor, einen der beiden Zielrezeptoren von Angiotensin II. Beim AT1-Rezeptor handelt es sich um einen G-Protein-gekoppelten Rezeptor, der über zwei Enzymkaskaden (Adenylatcyclase und Phospholipase C) Vasokonstriktion und kardiale Kontraktilität steigert, die Aldosteron-Freisetzung anregt, zur Sympathikusaktivierung bzw. Catecholaminsekretion führt, die renale Perfusion erhöht und die Zellproliferation an Herz und Gefäßen fördert. Über den AT2-Rezeptor, an welchem die Sartane nicht angreifen, vermittelt Angiotensin II dagegen eine Hemmung der Zelldifferenzierung und -proliferation.

Angiotensin II entsteht auf mehreren Wegen

Wie man seit einigen Jahren weiß, wird das vasokonstriktorische Angiotensin II nicht nur über das ACE, sondern auch auf anderen Wegen gebildet: Enzyme wie der Tissue-Plasminogen-Aktivator (t-PA), Cathepsin P und Tonin sorgen dafür, dass aus Angiotensinogen direkt Angiotensin II entsteht. Darüber hinaus ist nicht nur das ACE, sondern sind auch die Chymase, Cathepsin G und ein Chymostatin-sensitives Enzym (CAGE) in der Lage, Angiotensin I zu Angiotensin II umzusetzen.

Der Eingriff in das Renin-Angiotensin-System ruft bei der Einnahme sowohl von ACE-Hemmern als auch von AT1-Antagonisten durch negative Rückkopplung eine verstärkte Renin-Freisetzung hervor. In der Folge entsteht dann mehr Angiotensin II, das jedoch unter einem AT1-Antagonisten nur noch am – für den Blutdruck günstigen – AT2-Rezeptor angreifen kann.

Olmesartan –ein neuer AT1-Antagonist

Olmesartan (geplanter Handelsname: Votum®) ist ein neuer AT1-Antagonist, der sich mit seinem günstigen Sicherheitsprofil in die Reihe der bisherigen Sartane einfügt. Darüber hinaus zeichnet sich Olmesartan durch eine hohe Rezeptor-Selektivität aus: In Untersuchungen wurde praktisch keine Bindung von Olmesartan am AT2-Rezeptor beobachtet, sodass die Rezeptor-Selektivität der neuen Substanz mit über 100 000 angegeben wird und damit in der Sartan-Reihe die Spitzenposition einnimmt.

Für die Bindung an den AT1-Rezeptor wird die Biphenyl-Tetrazol-Seitenkette des Olmesartan, das wie die meisten Sartane ein Imidazol-Derivat darstellt, verantwortlich gemacht. Die Substanz liegt als Prodrug in Form des Olmesartan-Medoxomil vor; der Medoxomilrest wird wie bei Candesartan-Cilexetil während der Resorption abgespalten, wobei dann Olmesartan als eigentliche Wirksubstanz entsteht.

Die Plasmahalbwertszeit des neuen Sartans liegt (ähnlich wie bei Candesartan und Irbesartan) zwischen 11 und 15 Stunden, sodass nach Einmalgabe eine zuverlässige 24-Stunden-Wirksamkeit erzielt wird, was im Hinblick auf die Compliance während einer Langzeittherapie ein wichtiges Kriterium darstellt. Bisherige Untersuchungen haben Olmesartan zudem eine rasche Wirksamkeit, eine ausgeprägte Blutdrucksenkung und hohe Responderraten (70%) bescheinigt.

Dosisunabhängige Nebenwirkungsrate

Wie die anderen Sartane weist auch Olmesartan ein günstiges Sicherheitsprofil auf: Es sind bisher keine klinisch relevanten Interaktionen bekannt geworden. Im Gegensatz zur Blutdrucksenkung waren eventuelle Nebeneffekte dabei durchweg dosisunabhängig, traten also auch bei Dosiserhöhung nicht verstärkt auf. Nach Ansicht von Kardiologen ist dies eine wichtige Eigenschaft und Voraussetzung dafür, Sartane wie Olmesartan in Zukunft auch in höherer Dosierung sicher einzusetzen und so hypertoniebedingten Organschäden besser entgegentreten zu können.

Zusätzlicher nephroprotektiver Effekt

Dass Sartane einen nephroprotektiven Effekt besitzen, haben bereits mehrere Studien gezeigt. So machte die RENAAL-Studie mit über 1500 Typ-2-Diabetikern deutlich, dass die Progression einer diabetischen Nephropathie durch Losartan signifikant reduziert werden kann (relative Risikoreduktion – 28%).

In der dreiarmigen IDNT-Studie wurden über 1700 Typ-2-Diabetiker mit Hypertonie und Nephropathie entweder mit dem AT1-Antagonisten Irbesartan oder dem Calciumantagonisten Amlodipin bzw. Plazebo behandelt. Der Anstieg des Serumkreatininwertes war dabei unter Irbesartan gegenüber dem Calciumantagonisten signifikant verzögert – bei vergleichbarem blutdrucksenkenden Effekt beider Antihypertensiva. Außerdem verringerte Irbesartan in der IRMA-II-Studie die Progressionsrate von der Mikroalbuminurie zur definitiven diabetischen Nephropathie.

Übereinstimmende Botschaft aller Studien ist, dass Sartane bei diabetischer Nephropathie einen deutlichen, über die Blutdrucksenkung hinausgehenden nephroprotektiven Effekt besitzen. Tierexperiementelle Untersuchungen mit diabetischen Ratten lassen den Schluss zu, dass die gezeigten nephroprotektiven Wirkungen auch für das neue Olmesartan gelten.

Auch antiatherosklerotisch wirksam?

Mit einer 3D-Ultraschalltechnik untersucht derzeit die MORE-Studie, ob Olmesartan auch die Intima-Media-Dicke und das atherosklerotische Plaque-Volumen günstig beeinflusst. Dabei sollen die aus Tierexperimenten stammenden Hinweise auf einen antiatherosklerotischen Effekt von Olmesartan am Menschen überprüft werden.

Kastentext: Die elektronische Pillendose zur Erfassung der Compliance

Obwohl seit Jahren eine Vielzahl potenter, nebenwirkungsarmer Antihypertensiva zur Verfügung steht, erreichen nur ca. 25 bis 30% aller therapierten Hypertonie-Patienten den gewünschten Zielwert von 140/90 mmHg. Hauptgrund hierfür ist mangelnde Compliance der Patienten; immer noch wandern rund 50% der antihypertonen Langzeitmedikation in den Müll.

Zur quantitativen Compliance-Erfassung dient heute die elektronische Pillendose "eDEM" (= electronic drug event monitoring system) als Goldstandard: Die einzunehmenden Medikamente werden dabei in einen Behälter gefüllt, in dessen Deckel sich ein Chip befindet, der jede Medikamenten-Entnahme des Patienten elektronisch erfasst.

Erfahrungsgemäß ist in 97% der Fälle das Öffnen der Dose auch mit einer Einnahme verbunden. Damit wird ein per EDV auswertbares Echtzeitmonitoring über Wochen und Monate möglich. Auf diese Weise können z. B. "drug holiday" (Phasen ohne edikamenteneinnahme), "white-coat-compliance" (Einnahme nur kurz vor einem Arzttermin) oder auch das Missachten von Dosierungsintervallen entlarvt werden.

Eine Studie konnte mithilfe von eDEM zeigen, dass es in 90% der Hypertonie-Fälle möglich ist, den Zielblutdruck zu erreichen – vorausgesetzt die Patienten sind compliant. Als wichtige Compliance-Determinanten gelten die Behandlungsdauer, das Einnahmeschema, die Einsicht des Patienten über die Notwendigkeit der Behandlung und das Ausmaß von Nebenwirkungen. Innerhalb der Antihypertensiva stellen AT1-Antagonisten die Wirkstoffgruppe mit der besten Compliancerate dar, gefolgt von ACE-Hemmern, Calciumantagonisten, Beta-Blockern und Thiaziden.

Quelle

Prof. Dr. Peter Dominiak, Lübeck, Prof. Dr. Roland Schmieder, Nürnberg, Priv.-Doz. Dr. Thomas Mengden, Bonn, Prof. Dr. Vinzenz Hombach, Ulm, Prof. Dr. Peter Schwandt, München, Symposium "AT1-Antagonisten in die First-line-Therapie?" im Rahmen der 68. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, Mannheim, 4. April 2002, veranstaltet von der Berlin-Chemie AG.

Die AT1-Rezeptorantagonisten gehören seit einigen Jahren fest zur antihypertensiven Therapie und werden heute in der Praxis oft schon zur First-line-Therapie eingesetzt. Seit einiger Zeit macht die Wirkstoffgruppe der Sartane auch durch ihre über die Blutdrucksenkung hinausgehenden nephroprotektiven Effekte auf sich aufmerksam. Mit Olmesartan steht bald ein neuer AT1-Antagonist mit hoher Rezeptorselektivität zur Verfügung.

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