Feuilleton

Ausstellung: Als das Wassertrinken in Mode kam

Auf die Erfindung und Bedeutung des künstlichen Mineralwassers geht eine Sonderausstellung im Sächsischen Apothekenmuseum Leipzig ein, die noch bis zum 9. Juni zu sehen ist. Die Schau schildert die Geschichte der Bade- und Trinkkuren sowie die Biographie des Arztes und Apothekers Friedrich Adolph August Struve (1781 Ų 1840), der den Weg für die industrielle Herstellung künstlicher Mineralwässer ebnete. Gezeigt werden Objekte aus eigenen Beständen sowie Leihgaben aus öffentlichen und privaten Sammlungen.

"Aber wer mahlt das Gefühl, das mich ergriff, das mich übermannte, als jeder neue Tritt mich lehrte, dass neue Kraft in den matten Fuß zurückgekehrt, dass der ununterbrochen nagende Schmerz gewichen sey", erinnerte sich Friedrich Adolph August Struve 1818 in seinen "Fragmenten zur Geschichte des Marienbader Gasbades" an die heilsame Wirkung des Mineralwassers. Zehn Jahre zuvor war ihm beim Experimentieren mit Blausäure ein Glaskolben zersprungen. Um die Folgen des Unfalls zu kurieren, hielt sich der Inhaber der Dresdner Salomonis-Apotheke mehrmals in Karlsbad und Marienbad auf.

Nach den Kuren ließ sich Struve aus den nordwestböhmischen Badeorten Mineralwasser nach Dresden schicken. Es stellte sich jedoch heraus, dass dessen Eigenschaft nicht der Qualität frischen Mineralwassers entsprach. Anlass genug, über die naturgetreue Nachbildung von Heilwasser nachzudenken. Zu dieser Zeit gab es zwar bereits Fabrikanten, die künstliches Mineralwasser herstellten. Struve wollte jedoch analysegetreue Heilwässer entwickeln, welche für Kranke mit entsprechenden Indikationen rezeptiert werden konnten.

Geschichte der Kohlensäure

Eine wichtige Rolle bei der Genese von natürlichem Mineralwasser wie auch der Herstellung von künstlichem Mineralwasser spielt die Kohlensäure. Schon Johann Baptist van Helmont (1579 – 1644) hatte Heilwasser als Diätetikum wie auch als Therapeutikum empfohlen. Der flämische Arzt und Naturforscher hatte den Begriff "Gas" geprägt (abgeleitet von "Chaos") und Kohlendioxid als "gas silvestre", Waldgas, beschrieben. In den folgenden Jahrhunderten beschäftigten sich auch andere Wissenschaftler mit der "Luftsäure". 1772 gelang es Antoine Laurent Lavoisier, die Zusammensetzung von H2CO3 zu analysieren.

Schon wenige Jahre später wurde "Acidum carbonicum" in Arzneibüchern für die Bereitung gesättigter wässriger Lösungen empfohlen, die als Diuretika, gegen Schwindsucht und andere Erkrankungen eingesetzt wurden. Die Kohlensäure macht Quellwasser nicht nur zum Säuerling, sondern beeinflusst auch dessen Mineralgehalt, weil es die Löslichkeit von Mineralien verbessert. Für die Herstellung von künstlichen Mineralwässern ist sie somit unentbehrlich.

Die ersten Mineralwasserapparate

1775 entwickelte John Mervin Nooth ein transportfähiges Gerät für die Sättigung von Wasser mit H2CO3. John Magellan (Joao Jacinto de Magalhaes) und James Watt verwendeten dafür fünf Jahre später erstmals Sicherheitsventile und Gasometer. 1819 stellte der Ingenieur Joseph Bramah aus London einen Mineralwasserapparat vor, der die Herstellung von künstlichen Mineralwässern ermöglichte.

Anfang der Dreißigerjahre des 19. Jahrhunderts ließ Frederick Collier Bakewell einen Apparat patentieren, der überwiegend in privaten Haushalten eingesetzt wurde. Ab 1837 boten Apotheker ein siphonartiges Gerät für moussierende Getränke – erfunden von Philippe Savaresse – für die häusliche Nutzung an. Alle Geräte funktionierten nach dem gleichen Prinzip: In einem Gefäß wurde aus Weinsäure und Natriumhydrogencarbonat Kohlensäure gebildet, mit der das Wasser oder eine Salzlösung in einem angeschlossenen Gefäß übersättigt wurde.

Die Struveschen Trinkanstalten

Erst die wissenschaftlichen Erkenntnisse Struves ebneten aber den Weg für die industrielle Herstellung von Mineralwässern. Fast zehn Jahre beschäftigte sich der promovierte Mediziner und Apothekenbesitzer mit der Verfeinerung der chemischen Reaktionsmittel, der Bestimmung der anatomischen Verhältnisse sowie der Verbesserung der Apparaturen. Darüber hinaus kontrollierte er den Alterungsprozess der Wässer in Krügen, untersuchte die Bildung von Bodensatz und prüfte die chemische Zusammensetzung innerhalb gewisser Zeiträume.

Es stellte sich heraus, dass Aqua destillata, gesättigt mit dem jeweils erforderlichen Zusatz von Salzmischungen und mit Kohlensäure versetzt, alle Ansprüche an ein natürliches Heilwasser erfüllt. 1818 schenkte Struve erstmals in seinem Garten in der Seevorstadt in Dresden künstliches Mineralwasser nach ärztlicher Anweisung an Freunde, Bekannte sowie Arme aus. Zwei Jahre später eröffnete er auf seinem Grundstück die erste Trinkanstalt für künstliche Mineralwässer. Nach der Inbetriebnahme einer eigenen Produktionsstätte stellte er die Herstellung der Mineralwässer in seiner Apotheke ein. Bald darauf wurde auch in Leipzig eine Struvesche Trinkanstalt gegründet. Es entstanden weitere in Berlin, Königsberg, Breslau, St. Petersburg, Moskau und anderen Städten. Arme durften die Trinkkuren kostenlos nutzen.

Die Struveschen Mineralwässer wurden als Bereicherung der ärztlichen Therapie von namhaften Wissenschaftlern anerkannt. Über die Nachbildung natürlicher Mineralwässer hinaus bot die industrielle Herstellung den Vorteil, dass Zusammensetzungen entwickelt werden konnten, die in der Natur nicht vorkamen, jedoch bei speziellen Indikationen wirksam waren.

Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde es zusehends still um die Struveschen Trinkwasseranstalten. Zu dieser Zeit hatte sich die Eisenbahn etabliert, und so konnten die Badeorte bequem erreicht werden. Darüber hinaus wurde dank neuer pharmazeutischer Erkenntnisse und Entwicklungen das Heilwasser mitunter durch Medikamente ersetzt. Die Struveschen Produktionsstätten stellten sich erfolgreich den Herausforderungen der Zeit. Erst 1968 wurde die Dr. Struve Mineralwasser KG in Dresden geschlossen.

Literatur

Glodschei, Heinz: Pharmaziegeschichte Dresdens. Dresden 1994. Kiefer, Klaus: Mineralwässer – Der Beitrag deutscher Apotheker zur Erforschung von Mineralquellen und zur Herstellung künstlicher Mineralwässer. Eschborn 1999.

Ausstellungsdaten

Sächsisches Apothekenmuseum Leipzig gGmbH Thomaskirchhof 12 04109 Leipzig Tel. (03 41) 33 65 20 Geöffnet: dienstags, mittwochs, freitags, samstags, sonn- und feiertags 11 bis 17 Uhr, donnerstags 14 bis 20 Uhr

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