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Genetischer Polymorphismus und Arzneitherapie

Im Rahmen der DPhG-Vorträge in Münster berichtete Prof. Dr. H.-H. Borchert, Berlin, am 14. Mai über "Genetische Polymorphismen von Biotransformationsenzymen und ihre Bedeutung für die Pharmakotherapie". Die Pharmakogenetik wird in den kommenden Jahren eine wichtige Rolle spielen, interindividuelle Arzneimittelwirkungen vorherzusagen.

Genetische Abweichungen können Polymorphismen an einzelnen Nucleotiden (single nucleotide polymorphisms, SNPs) sein oder als Insertionen, Multiplikationen oder Deletionen von Genen auftreten. Je nach Art, kann es zu einem Funktionsverlust oder zu einer Aktivitätssteigerung von Genen kommen.

Es ist bekannt, dass ein hoher Prozentsatz von Asiaten Alkohol nicht gut vertragen kann. Die Alkoholdehydrogenease 1 (ADH1) ist bei Japanern und Chinesen zwar meist in ihrer Aktivität gesteigert; aber die Kombination mit einer weniger aktiven Aldehyddehydrogenase 2 (ALDH2) führt beispielsweise bei 44% der Chinesen zu einer Kumulation von Acetaldehyd und den typischen Disulfiram-ähnlichen Symptomen. Rezeptoren, Ionenkanäle und Enzyme sind die bekanntesten Targets genetischer Polymorphismen bei der Arzneimitteltherapie, doch auch Transporter oder Faktoren der Immunantwort spielen eine Rolle.

CYP2D6-Polymorphismus

Der bekannteste genetische Polymorphismus ist sicher der der Cytochrom-P450-abhängigen Monooxygenase CYP2D6, der schon als Phänotyp 1977 von Silas et al. beschrieben wurde. Hier wird zwischen einem langsamen (poor), schnellen (extensive) und sehr schnellen (ultra rapid) Metabolismus unterschieden, der sich in Deutschland im Verhältnis 7 : 90 : 3 verteilt. Interessanterweise sind im Mittelmeerraum und in Teilen Afrikas die ultraschnellen Metabolisierer zu 10 bis 20% anzutreffen, was durch einen Vorteil bei der Verwertung vegetarischer (alkaloidhaltiger) Kost erklärt wird.

Therapeutisch interessant ist der CYP2D6-Polymorphismus bei der Behandlung mit Klasse-I-Antiarrhythmika, Betablockern, Neuroleptika und Antidepressiva, die (falls es sich um CYP2D6-Substrate handelt) beim langsamen Metabolisierer zu höheren Plasmaspiegeln führen, unter Ausprägung der Nebenwirkungen. Codein und Tramadol werden beim langsamen Metabolisierer in ihrer Bioaktivierung gehemmt, wohingegen bei ultraschnellen Metabolisierern signifikant mehr Morphin aus Codein gebildet wird, was insbesondere bei Kindern zu beachten ist.

TPMT und GST

Beim Einsatz von Azathioprin als Immunsuppressivum bzw. von 6-Mercaptopurin zur Behandlung bestimmter Leukämieformen spielt die Thiopurin-S-Methyltransferase (TPMT) eine wichtige Rolle, weil sie einen mit der Bioaktivierung konkurrierenden Metabolisierungsweg in Gang setzt. Bei Patienten mit einer genetisch bedingten hohen TPMT-Aktivität ist mit einem Wirksamkeitsverlust der Arzneistoffe und hohen Rückfallraten, bei solchen mit geringer Aktivität der TPMT dagegen mit schwersten Nebenwirkungen der Arzneistoffe zu rechnen.

Abschließend stellte der Vortragende noch eigene Untersuchungen zu Glutathion-S-Transferasen (GST) vor. Eine Nulldeletion der GST-My 1, also ein Aktivitätsverlust dieses Enzyms, steigert das Krebsrisiko durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe. Andererseits könnte bei einer erhöhten Aktivität des Isoenzyms GST-Theta 1 aufgrund des nachgewiesenen Polymorphismus die Bioaktivierung von Haloalkanen, z. B. von Dichlormethan, und damit das Krebsrisiko durch solche Verbindungen erhöht werden.

Die Genotypisierung wird mit der DNA-Chip-Technologie sehr vereinfacht werden; Chip-Hersteller rechnen aufgrund der Möglichkeit der Massenproduktion mit zukünftigen Kosten von etwa 50 Cent pro Untersuchung. Dadurch könnte die Therapie mit Arzneimitteln, die aufgrund genetischer Polymorphismen unterschiedlich verstoffwechselt werden, verbessert werden.

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