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Europäische Kommission: Festbetrags-Verfahren rechtens?

BONN (im). Eine weitere Etappe bei der Klärung der Frage, ob das Verfahren, wie die Festbeträge für Arzneimittel in Deutschland festgesetzt werden, rechtens ist: Der juristische Dienst der Europäischen Kommission hat Stellung bezogen, er hat keine Probleme mit dem derzeitigen Procedere.

Die Juristen meinen, dass die gesetzlichen Krankenkassen, die die Erstattungshöchstgrenzen nach der Gruppenbildung festsetzen, keine Unternehmen sind, die dem Kartellrecht unterliegen. Wie sie in ihrer Stellungnahme gegenüber dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) weiter ausführen, hätten die Spitzenverbände der Kassen vielmehr eine soziale Funktion, die auf dem Grundsatz der Solidarität beruhe und keine Gewinnerzielungsabsicht verfolge.

Entschieden ist damit noch nichts, das Urteil des EuGH wird 2003 erwartet. Unabhängig davon erwarten Experten das Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts über die nationale Verfassungsmäßigkeit der Festbeträge nicht vor Oktober dieses Jahres.

Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller in Bonn nannte die Stellungnahme des juristischen Dienstes der Europäischen Kommission nicht überzeugend, schließlich hätten der Bundesgerichtshof und das Oberlandesgericht Düsseldorf in den zuvor ergangenen Urteilen die Unternehmenseigenschaft der Kassen festgestellt.

Der Knackpunkt

Im Kern geht es im Streit um die Festbeträge um die Frage, ob die Krankenkassen Unternehmensvereinigungen sind, in dem Fall würden sie unter das Kartellrecht fallen. Beispielsweise hat das Oberlandesgericht Düsseldorf so geurteilt. Und der Bundesgerichtshof entschied im Juni 2001, die Festbetragsregelung dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, wo sie jetzt ruht.

Die pharmazeutische Industrie ist der Ansicht, dass die Kassen quasi als "Monopolist" in den Arzneimittelmarkt eingreifen, indem sie als "Abnehmer" der Medikamente zugleich die Preise bestimmen. Zwar sind die Festbeträge nur Höchstgrenzen für die Erstattung durch die Kassen, Patienten können die darüber liegende Differenz zuzahlen, de facto aber senken die Hersteller fast alle Preise auf Festbetragshöhe. Außerdem halten die Hersteller die Festbeträge für obsolet, weil die Arzneipreise auch ohne dieses Instrument stabil seien.

Die gesetzlichen Krankenkassen dagegen verteidigen die Festsetzung der Festbeträge vehement. Sie meinen, dass sie gar nicht unter das Kartellrecht fallen, das für Unternehmen gemacht worden ist. Sie handelten als Teil der Selbstverwaltung und stützen sich auf das Sozialgesetzbuch V (Paragraph 35).

Einbußen für Apotheken

Im vergangenen Jahr kam das zunächst heftig umstrittene Festbetrags-Anpassungsgesetz, mit dem in 2002 rund 281 Millionen Euro eingespart werden sollen (550 Millionen Mark, ursprünglich sollten es 650 Millionen sein), was Einbußen für die Apotheker bedeutet. Im Gegenzug verzichteten die Kassen seinerzeit auf eine drastische Absenkungsrunde mit über einer halben Milliarde Euro (eine Milliarde Mark) Einsparung.

In einer bis Dezember 2003 befristeten Übergangsregelung werden Festbeträge durch Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums festgesetzt. In der Zeit sollen die Beteiligten über die Zukunft der Erstattungshöchstgrenzen beraten. Geschieht nichts, gäbe es ab 2004 wieder Festbeträge alter Prägung, also Gruppenbildung durch den Bundesausschuss Ärzte/Krankenkassen und anschließende Festsetzung der Festbeträge durch die gesetzlichen Krankenkassen.

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