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- DAZ 31/2002
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Arzneimittel und Therapie
Volkskrankheit Depression: Langdauernder Stress als Risikofaktor
Die Depression ist eine Volkskrankheit: Zwei bis sieben Prozent der Weltbevölkerung haben damit zu kämpfen. Etwa jeder fünfte macht einmal im Leben eine behandlungsbedürftige Depression durch. Genetische Veranlagung, biologische Faktoren und psychosoziale Stressoren bestimmen, ob und in welchem Ausmaß jemand depressiv wird.
Neue interessante Untersuchungen gibt es zum Zusammenhang zwischen Stress und Depression: Langanhaltender Stress gilt inzwischen als eine kausale Ursache der Depression. Vermittler ist das HPA(hypothalamic pituitary adrenal)-Stress-System, also das Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierensystem. Stress aktiviert dieses System und führt über eine Steigerung der Aktivität des adrenocorticotropen Hormons (ACTH) letztlich zu einer vermehrten Cortisolsekretion. Dies lässt sich auch mit laborchemischen Untersuchungen bestätigen: Bei Depressiven sind die Cortisolspiegel deutlich erhöht, vergleichbar etwa beim Cushing-Syndrom.
Depression als Risikofaktor für Osteoporose
Erhöhe Cortisolkonzentrationen im Blut bergen auch zahlreiche Risiken für Morbidität und Mortalität depressiver Patienten. So führt Hypercortisolismus zu einer Dysfunktion der Gonaden, die eine Reduktion der Knochendichte nach sich zieht. Die Depression wird daher als Risikofaktor für eine Osteoporose diskutiert. Erhöhte Cortisolspiegel gehen auch mit viszeralen Fetteinlagerungen einher, die Schrittmacher für das metabolische Syndrom sind.
In wieweit ein Zusammenhang zwischen Depression und metabolischem Syndrom existiert, wird derzeit in einer Fünf-Jahres-Studie untersucht. Zudem gibt es Hinweise, dass erhöhte Cortisolspiegel die Kognition verschlechtern. Überlegungen, die Depression auch über einen Eingriff auf Cortisolebene zu behandeln, gibt es seit längerem. Glucocorticoidantagonisten sind bereits in der Entwicklung.
Hohes Rezidivpotenzial bei mangelnder Compliance
Noch aber stehen Antidepressiva im Mittelpunkt, die die Serotonin- und Noradrenalinwirkung beeinflussen. Damit diese Therapieregimes zum Erfolg werden, muss der Patient "mitspielen". Und er wird nur dann compliant sein, wenn er davon überzeugt ist, dass das Antidepressivum ihm tatsächlich hilft. Entscheidend dabei ist zweierlei:
Der Patient erwartet, dass er möglichst schnell von dem Medikament profitiert und dass er möglichst wenig Nebenwirkungen verspürt. Etwa 28% der Patienten setzen Antidepressiva bereits innerhalb der ersten Monate wegen unangenehmer Begleiterscheinungen ab. Teilweise mit fatalen Folgen. Denn das Rezidivpotenzial einer Depression ist hoch.
RAPID-I-Studie bescheinigt Mirtazapin schnelle Wirksamkeit
Ein Problem der meisten Antidepressiva ist die Wirklatenz: Der stimmungsaufhellende Effekt setzt erst zwei bis vier Wochen nach Beginn der Behandlung ein. Ein Zeitraum, in dem viele Depressive bereits den Glauben an die Behandlung verlieren und das Medikament nicht mehr konsequent einnehmen.
Sehr viel schneller, nämlich bereits innerhalb von vier Tagen, wirkt dagegen der alfa2-Adrenozeptorantagonist Mirtazapin in einer neuen galenischen Darreichungsform als Schmelztablette (Remergil®, SolTab™). Dies ist das Ergebnis der prospektiven, multinationalen RAPID-I-Studie, die Mirtazapin als Schmelztablette mit dem selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Sertralin bei 345 Patienten mit Major Depression verglich.
Die Probanden erhielten über acht Wochen entweder Sertralin (50 bis 150 mg/d) oder Mirtazapin (30 bis 45 mg/d). Die Wirksamkeit wurde anhand der Responder-Kriterien nach der Hamilton-Depressionsskala (HAMD-Gesamtscore) im Vergleich zum Ausgangswert bestimmt. Bereits am vierten Tag zeigte sich unter Mirtazapin, das die zentrale noradrenerge und serotonerge Übertragung verstärkt, eine signifikante Reduktion typischer Symptome. Auch die Responderrate (mehr als 50% Reduktion des HAMD-Gesamtscores) und die Remissionsrate innerhalb der ersten 14 Tage war unter Mirtazapin günstiger (20% vs. 15%)
Schmelztablette erlaubt unauffällige Einnahme
Dass auch die Verträglichkeit von Mirtazapin der Compliance entgegenkommt, zeigen Vergleichsstudien mit Vertretern anderer Wirkstoffklassen. Vor allem Übelkeit, Erbrechen und Schwitzen treten unter dem alfa2-Adrenozeptorantagonisten seltener auf. Viele Patienten werden die Schmelztablette aber noch aus einem ganz anderen Grund bevorzugen: Sie lässt sich nämlich völlig unauffällig einnehmen.
Kastentext: Mirtazapin
Das Pyridyl-Analogon Mirtazapin zählt zu den tetrazyklischen Antidepressiva. Es ist ein noradrenerges und spezifisch serotonerges Antidepressivum mit einem dualen Wirkmechanismus. Mirtazapin blockiert die präsynaptischen adrenergen Alpha2-Rezeptoren am noradrenergen Neuron und am serotonergen Neuron.
Im Sinne einer negativen Feedback-Regulation kommt es infolge dessen zu einer vermehrten Freisetzung von Serotonin und Noradrenalin. Zusätzlich stimuliert das noradrenerge Neuron die nachgeschaltete serotonerge Nervenzelle, wodurch die Serotonin-Freisetzung gefördert wird.
Die Aktivierung von Neuronen durch Serotonin über den Subtyp der 5-HT1A-Rezeptoren führt zur erwünschten antidepressiven und angstlösenden Wirkung. Die gleichzeitige Blockierung der 5-HT2- und 5-HT3-Rezeptoren auf postsynaptischer Ebene verhindert die typischen serotonergen Nebenwirkungen, wie Übelkeit, Durchfall und Schlafstörungen.
Quelle
I. Heuser, Berlin, G. Laux, Gabersee, P. Falkai, Bonn, G. Hajak, Regensburg, Chr. Keller, Alzey: Einführungssymposium "Remergil®, SolTab™", München, 22. Juni 2002, veranstaltet von der Organon GmbH, Oberschleißheim.
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