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Arzneimittel und Therapie
Hirnleistungsstörungen: Ginkgo verbessert kognitive Leistungen auch bei Gesunde
Etwa die Hälfte der 65-Jährigen klagt über nachlassende Gedächtnisleistungen. Die Inzidenz von Demenzerkrankungen steigt von diesem Alter an exponenziell. Andererseits erreichen viele Menschen ein hohes Lebensalter, ohne sich durch den Verlust kognitiver Fähigkeiten beeinträchtigt zu fühlen. Um die Hirnleistung aufrechtzuerhalten und zu optimieren, müssen die neuronalen Vorgänge in ihrer Gesamtheit verbessert werden. Die Suche nach den Einflussfaktoren auf die geistige Leistungsfähigkeit im Alter rückt angesichts der demographischen Entwicklung immer mehr in den Blickpunkt.
Gehirnfunktionen werden im Alter komplexer
Mit zunehmendem Alter müssen neue Inhalte kumulierend durch das Gehirn aufgenommen, in Zusammenhang mit vorangehenden Erfahrungen gebracht und neu bewertet werden. Das gleichzeitige Zusammenspiel neuronaler Aktivitäten in verschiedenen Hirnregionen steuert Wahrnehmung, Lernen, Gedächtnis, Sprache und Gefühlsäußerungen. Die Leistungsfähigkeit des Gehirns entsteht erst in diesem Wirkungsgefüge. Mit zunehmendem Alter nutzt der Mensch zur Informationsverarbeitung verschiedene Gehirnregionen besser aus.
Obwohl in jeder Sekunde eine Nervenzelle verloren geht, kann das Gehirn so den Verlust durch seine Plastizität ausgleichen. Erst wenn wie beim massenhaften Untergang von Nervenzellen bei der Alzheimerkrankheit eine bestimmte Schwelle unterschritten wird, treten spürbare Defizite auf. Im EEG und durch Positronen-Emissions-Tomographie lässt sich die Zunahme der Komplexität kognitiver Prozesse im Alter belegen.
Bildung schützt im Alter vor Demenz
Neue Eindrücke treffen beim älteren Menschen auf einen größeren Erfahrungsschatz und müssen mit diesem verglichen werden. Dieses umfassendere Abwägen benötigt natürlich mehr Zeit, führt aber auch zu besseren Ergebnissen. Andererseits können neue Informationen nicht mehr so schnell im Kurzzeitgedächtnis verankert werden. Das fluide Gedächtnis lässt nach, während das kristalline Langzeitgedächtnis erhalten bleibt.
Eine hohe Informationsdichte im Laufe des Lebens kann vor Demenz im Alter schützen. Senioren, die einen höheren Schulabschluss vorweisen können, einen anspruchsvollen Beruf ausgeübt haben, sich sportlich betätigten oder ein Instrument spielten, schneiden bei kognitiven Tests deutlich besser ab. Einflüsse auf die Aufmerksamkeitslenkung, motorischen Fähigkeiten und Stimmungslage sind bisher wenig untersucht worden. Präventionsstudien an gesunden Probanden, wie sie in den Vereinigten Staaten durchgeführt werden, fehlten bisher in Deutschland.
Ginkgo auch zur Prävention
Ziel der vorliegenden Studie war es, die relativ kurzfristige Wirkung (4 Wochen) des Ginkgo-Spezialextraktes EGb 761 auf mentale Funktionen gesunder Probanden zu untersuchen.
Doppelblind und randomisiert erhielten 66 gesunde Probanden zwischen 50 und 65 Jahren über vier Wochen täglich 240 mg Ginkgo-Spezialextrakt EGb 761 beziehungsweise Plazebo. Die Ergebnisse hinsichtlich der primären Zielvariablen inhaltliche und logistische mentale Funktionen zeigten, dass der Extrakt auch die Leistungsfähigkeit des gesunden Gehirns positiv beeinflusst:
Aufmerksamkeit und Aktivation wurden gesteigert. Beim Finger-Tapping-Testeigten die Probanden der Verumgruppe signifikant verbesserte motorische Fähigkeiten. Durch die Gabe von EGb 761 ergab sich eine bessere willkürliche Bewegungskoordination, die Genauigkeit des Bewegungsablaufs wurde verbessert und die Geschwindigkeit der motorischen Bewegungen erhöht.
Gesteigertes subjektives Gesundheitsempfinden
Auf einer visuellen Analogskala sollten die Probanden ihre mentale Gesundheit bewerten. Diese Selbsteinschätzung des subjektiv wahrgenommenen Gesundheitsempfinden verbesserte sich nach Einnahme von Ginkgo-Extrakt signifikant. Die Nebenwirkungsrate unterschied sich nicht von der Plazebogruppe. Die Ergebnisse dieser Studie geben Hinweise darauf, dass durch standardisierten Ginkgo-Extrakt in ausreichend hoher Dosierung kognitiven Einschränkungen im Alter vorgebeugt werden kann.
Sinnesorgane liefern zu wenig Information
Die Sinneszellen liefern im Alter immer weniger Informationen an das zentrale Nervensystem. Dieser Verlust an Sinneswahrnehmungen führt auch zu Einbußen in der Hedonik, das heißt in der Fähigkeit, z. B. Gerüche nach der Geruchsart und Intensität in angenehm und unangenehmu differenzieren. So bewirkt die schlechtere olfaktorische Wahrnehmung eine Verminderung des Appetits. Wie das Kleinkind kann auch der alte Mensch Geschmacksnuancen nicht mehr unterscheiden, was zur Mangelernährung oder dem Verlangen nach süßen Speisen führen kann. Auch für Einschränkungen im kognitiven Bereich ist in erster Linie der Untergang von Sinneszellen verantwortlich. Schätzungsweise 90 Prozent der Einbußen gehen auf das Konto von Seh- und Hörverlusten. Durch die richtige Brille und ein Hörgerät können schon große Verbesserungen erreicht werden.
Neue Eindrücke und Umweltreize als Gedächtnistraining
Auch eine kontinuierliche Zufuhr neuer Eindrücke und Lerninhalte trägt dazu bei, die Gehirnfunktionen bis in ein hohes Alter zu erhalten. Oft verschlechtert sich die geistige Leistungsfähigkeit alter Menschen nach dem Umzug in ein Altersheim rasant. Häufig sind neben unerkannten Depressionen auch die reizarme Umgebung und der Verlust der Alltagsaufgaben an diesem Abbau schuld. Das kognitive Training, neudeutsch Gehirn-Jogging, ist in den vergangenen Jahren sehr populär geworden. Professor Pöppel von der Ludwig-Maximilians-Universität München beurteilte diese Form des Gedächtnistrainings eher kritisch, da sie mit Stress durch Leistungsdruck verbunden sei. Er empfiehlt die Bewältigung alltagsnaher Aufgaben, bei denen verschiedene sensorische Zugangswege genutzt werden.
Kastentext: Überlebenskünstler Ginkgo
In Japan wird dem Ginkgobaum eine schützende Kraft gegen Feuer zugeschrieben, weshalb er oft in der Nähe von Tempelanlagen gepflanzt wird. Ein von Ginkgobäumen umgebener Tempel in Tokio überstand das große Feuer nach dem Erdbeben 1923 unbeschadet, weil die Bäume nicht in Brand gerieten. Vermutlich enthält die Rinde des Ginkgobaums einen feuerdämpfenden Wirkstoff. Einige Ginkgobäume in Hiroshima überlebten sogar den verheerenden Atombombenabwurf. Auch gegenüber Krankheiten, Insektenbefall und Luftverschmutzung ist der Ginkgobaum sehr unempfindlich. Als einziger Vertreter aus der Familie der Ginkgoaceae hat der Ginkgobaum die vergangenen 270 Millionen Jahre überlebt.
Während er im Zeitalter des Perm und Jura den Sauriern Schatten spendete, ziert er heute viele Straßen und Parks der Städte und fällt im Hebst durch die intensive gelbe Färbung seiner Blätter auf. Da der Samen weiblicher Bäume auf der Erde einen unangenehmen Modergeruch hinterlässt, werden hauptsächlich männliche Bäume gepflanzt.
Kastentext: Ginkgo - Delikatesse und Medizin
Die Widerstandskraft, die Fähigkeit zur Abwehr pflanzlicher und tierischer Schädlinge Ginkgo biloba ist fast vollständig resistent gegen Schaderreger und auch das hohe Alter, das einzelne Exemplare erreichen, lassen den Baum interessant werden. Ginkgoblätter werden seit Jahrtausenden in der chinesischen Medizin angewendet. Sie sind im bai-guo-ye, einem Mittel gegen Asthma, Bronchitis, Tuberkulose, Magenbeschwerden, Ängsten und Gedächtnisverlust enthalten. Das zu Pulver gemahlene Blatt wird bei Hals-Nasen-Ohren-Erkrankungen inhaliert.
Die gekochten Blätter dienen in China zur Behandlung von Frostbeulen. Ferner gibt es Berichte über die Verwendung von Ginkgo bei Verdauungsbeschwerden. Die Japaner und Chinesen nutzten den Samen häufiger als die Blätter zu medizinischen Zwecken und als Delikatesse. Bis heute werden geröstete Ginkgonüsse auf Festen gereicht, da sie die Verdauung verbessern und die negativen Effekte des Alkoholkonsums mildern. Der Geschmack ist süß und erinnert an geröstete Esskastanien. Als heiße Silbermandeln oder weiße Nüsse werden gebackene, gekochte oder geröstete Ginkgosamen auf Märkten in Asien angeboten.
Quelle Prof. Dr. Dr. Ernst Pöppel, München; Dr. med. Rainer Wiegand, Hochheim; Priv.-Doz. Dr. med. Ralf Ihl, Düsseldorf; Satellitensymposium Geistig gesund im Alter im Rahmen des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN), Berlin, 21. November 2001, veranstaltet von der Dr. Willmar Schwabe Arzneimittel GmbH.
In vielen Studien konnten die Effekte von Ginkgo-Extrakten auf die mentale Funktionen von Alzheimer-Patienten und Patienten mit vaskulärer Demenz nachgewiesen werden. Eine neue Studie untersuchte die Wirkung des Ginkgo biloba Spezial-Extraktes EGb 761 (Tebonin) nicht nur auf die Symptome einer Demenz, sondern auch auf die Hirnleistung und Motorik von gesunden Probanden.
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