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Feuilleton
Ausstellung: Pestwurz und Knochensäge
Schulmediziner waren rar ...
Mit vier Gulden und einer Flasche Ehrenwein wurde Dr. med. Johann Sprottow für die erfolgreiche Behandlung des Delitzscher Stadtschreibers honoriert. In einer Zeit, in der nur wenige Menschen lesen und schreiben konnten, war den Stadtvätern der westsächsischen Kommune an dessen Heilung sehr gelegen, und weil es zur damaligen Zeit in Delitzsch noch keinen niedergelassenen Arzt gab, hatten sie einen Mediziner aus Leipzig konsultiert.
Sprottow, genannt Meurer, war in Crossen zur Welt gekommen und hatte sich 1432 an der sächsischen Landesuniversität Leipzig immatrikuliert. Zwei Jahre später hatte er das Baccalaureat und 1436 den Titel des Magisters erworben. Ab 1447 war Meurer als Doktor der Medizin Mitglied der Medizinischen Fakultät gewesen. Ab 1452 wirkte er als Ratsherr und 1465 wurde er Bürgermeister von Leipzig. Unter dem Verdacht, er habe den sächsischen Kurfürsten Friedrich II. ungenügend behandelt und sei somit an dessen Tod schuldig, verließ Meurer schließlich Sachsen.
Im 15. Jahrhundert gab es in Sachsen nur wenige Schulmediziner. Die meisten hatten zunächst an den Landesuniversitäten Leipzig und Wittenberg ein Studium der Philosophie und der Medizin absolviert und die medizinische Fachausbildung in Padua und Bologna fortgesetzt und mit der Promotion zum Doctor medicinae abgeschlossen. An den sächsischen Universitäten wurden medizinische Promotionen erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts allgemein üblich.
... zahlkräftiges Patientengut auch
Dieser Entwicklung ist es zu verdanken, dass sich auch in den kleineren Städten Sachsens zusehends Ärzte mit Universitätsausbildung niederließen und die Volksheilkundler verdrängten. Sie wurden auch mit der Aufsicht über die Barbiere, Chirurgen und Apotheker beauftragt. In Delitzsch wird 1601 die erste Niederlassung eines Arztes dokumentiert. Dr. med. Andreas Montanus praktizierte hier bis zu seinem Tod 1624 und wirkte darüber hinaus als Ratsherr.
Nur drei Jahre nach der Eröffnung der ersten Arztpraxis ließ sich der Magister Paul Reinholtt in Delitzsch als Medicus nieder. Der Schwiegersohn des Apothekers Heinrich Weissand praktizierte indessen nur ein Jahr, dann verließ er die Kleinstadt. Aufgrund der geringen Einwohnerzahl gab es offenbar nur für einen Arzt hinreichend Patientengut für eine sichere Existenz.
Ebenso wenig gelang es nämlich später Paul Hintzsch, sich in Delitzsch als Arzt zu etablieren. Der Sohn eines Delitzscher Bürgermeisters und Ratsherrn hatte in Wittenberg Mathematik, Medizin und Arzneikunde studiert. Im Vertrauen auf seine familiären und gesellschaftlichen Kontakte ließ er sich 1610 in seiner Heimatstadt nieder, aber schon nach zwei Jahren verschwand er wieder. Er kehrte erst 1619 zurück, nachdem Andreas Montanus ausgeschieden war.
Mit der Herausgabe von astronomischen Kalendern wurde Hintzsch als Medicus Astrophilus über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt. 1634, ein Jahr nach dem Tod des Arztes, erschien in Halle seine Astrologische oder Natürliche Verkündung.
Ab 1678 ist in Delitzsch wieder ein niedergelassener Physikus nachweisbar: Dr. med. Johann Caspar Westphal. Er verfasste später eine Schrift über Krankheiten, die angeblich von Dämonen verursacht werden: Pathologia Daemonica id est Observationes et Meditationes Physiologico-Magico-Medicae circa Daemonomanias, similesque Morbos Convulsivos a fascino ortos, 1707.
Goldene Apotheken
Zu dieser Zeit war in Sachsen das Medizinalwesen längst gesetzlich geregelt. Auch für das Apothekenwesen hatte die sächsische Landesherrschaft einheitliche Richtlinien erlassen. Ab 1490 war es üblich geworden, dass zumindest in den größeren Städten die Herstellung von Arzneien ein Privileg der Apotheker war. Bereits ab dem 17. Jahrhundert gab es praktisch in jeder sächsischen Stadt eine Offizin. Voraussetzung für die Erlaubnis zur Niederlassung war in der Regel die Anwesenheit eines Mediziners.
Mit dem Goldenen Engel wurde in Delitzsch 1587 durch Apotheker Barthel Seyffert aus Braunschweig die erste Apotheke eröffnet. Ein Nachfolger, Carl Gottfried Schäfer, verlegte die Offizin 1745 in ein Haus am Markt und nannte sie Zum Goldenen Adler. Die zweite Delitzscher Apotheke hatte 1605 Apotheker Barthol Hercke aus Frankfurt an der Oder mit dem Namen Zum Goldenen Stern eröffnet. Seit 1815 trägt sie den Namen Zum Goldenen Löwen.
Gegen Pest half nur Isolation
Die öffentliche Gesundheit wurde früher insbesondere durch Seuchen gefährdet. Bereits 1680, als in Delitzsch zum vierten Mal die Pest eingeschleppt worden war, hatte die Landesherrschaft alle Städte und Ämter angewiesen, mit Vorsichtsmaßnahmen eine Ausbreitung der Epidemie zu verhindern. So wurde die Grünstraße, in der zahlreiche Bewohner erkrankt waren, durch einen Bretterzaun isoliert. Durch eine Luke wurden ihnen Lebensmittel und Arzneien gereicht. Insgesamt 121 Erkrankte starben.
Kurz vor Ausbruch der letzten großen Pestepidemie (1709) begann man, mit Mandaten dem Einschleppen von Epidemien aus den Nachbarländern vorzubeugen. Nachdem 1747 in Dresden das Collegium medico-chirurgicum gegründet worden war, wurde auch die Ausbildung der Wundärzte auf ein wissenschaftliches Niveau gehoben. Ab 1765 war das Sanitätskollegium in Dresden zentrale Gesundheitspolizeibehörde. 1836 wurden im Königreich Sachsen die Physikate durch Bezirksärzte abgelöst.
Kastentext: Ausstellungsdaten
Bis zum 3. März im Museum Schloss Delitzsch, Schlossstraße 31, 04509 Delitsch, Tel.: (034202) 3399900, Fax: (034202) 3399911 Geöffnet: Dienstags bis donnerstags und sonntags von 10 bis 12 und 14 bis 17 Uhr.
"Pestwurz und Knochensäge" heißt eine Sonderausstellung, die bis zum 3. März 2002 im Museum Schloss Delitzsch zu sehen ist. Am Beispiel einer Kleinstadt wird die Geschichte der Medizinalbehandlung in Sachsen vom 16. bis zum 18. Jahrhundert veranschaulicht.
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